Exportüberschuss + EU-Alternativlosigkeit – Hauptlegenden des deutschen Außenhandels

Um den deutschen Außenhandel ranken sich viele “Legenden”. Die beiden wichtigsten werden im Beitrag von Dr. Viktor Heese kritisch unter die Lupe genommen. Erste Legende: Der Exportüberschuss lasse sich beliebig steuern. So fordern die Defizitländer Frankreich, USA oder Großbritannien einen “gerechten” Welthandel, den Abbau unseres Exportüberschusses oder dessen Reinvestitition. Sonst entstehen Ungleichgewichte und es kommt langfristig zu Krisen – wird behauptet. Zweite Legende: Ohne die EU und deren Märkte werde es der deutschen Wirtschaft massiv an den Kragen gehen – behaupten kess unsere Polit-Eliten. Beides ist falsch.

 

Warum sich der Exportüberschuss nicht so einfach reinvestieren lässt?

Der deutsche Exportüberschuss, als der wertmäßiger Saldo aus den Ex- und Importen, betrug 2016 rund 253 Milliarden Euro. Es ist ein reiner Liquiditätsüberschuss. Ob und wie viel Gewinne die Ex- und Importeure erzielt haben, lässt sich dabei nicht feststellen. Andererseits können nur Gewinne investiert werden.

Es kann vorkommen, dass bei Drittland-Geschäften bewusst Verluste gemacht wurden, um im Markt präsent zu bleiben. Wird aber, wie bei den Massenwaren, eine 2%ige Gewinnmarge unterstellt, kämen wir auf ein verfügbares Investitionsvolumen von 43 Milliarden Euro, also auf ein Sechstel des obigen Export-Überschusses. Klar, wird ein spezialisierter Maschinenbauer höhere Margen einfahren! Es gibt zwei weitere “Hindernisse” für dessen Ausgabe. Nicht nur die deutschen Konsumenten seien völlig souverän und die Staaten können sie zu Im- und Exporten nicht zwingen. Da spielen nicht zuletzt der Preis und die Qualität eine Rolle. Ob und wie letztendlich die deutschen Exporte bezahlt werden (Exportbürgschaften, Kredit, Target2-Saldo) bleibt ebenfalls offen und bedarf eines fundierten Studiums der Kapitalverkehrsbilanz. Denn investiert werden kann nur das Geld, das eingegangen ist, abzüglich der Herstellungskosten der Exportwaren (also die realisierten Gewinn). Das weiß man in Paris und Washington.
Exkurs: In der Vor-Euro-Ära hat der variable Wechselkurs weitestgehend für den Ausgleich der Handelbilanz und den Euro-Ländern gesorgt. Die Währung des Defizitlandes (Drachme) wurde abgewertet, seine Exporte billiger, das Land konnte daher mehr im Ausland verkaufen und das Defizit abbauen (reduzieren). Diesen Anpassungsprozess gibt es heute bei der Einheitswährung Euro nicht mehr. 1 x 1 der Volkswirtschaftslehre, erstes Semester.

 

Der Löwenanteil des Exportüberschusses wird nicht in der Eurozone erwirtschaftet!

Die obige Tabelle zeigt außerdem deutlich: 96% der Export-Überschüsse werden nicht in der Eurozone erzielt. Sie stammen zu 70% aus den Drittländern. Das Ergebnis leuchtet ökonomisch ein: In Ländern mit etwa gleich hoher ökonomischen Entwicklungsstufe herrscht ein starker Wettbewerb. Wie im Sport ist es hier schwierig dauerhaft einen Champion zu bestimmen. Das Fazit ist für den deutschen Außenhandel daher eindeutig: Ohne den Euro geht es auch! Er ist eben nicht alternativlos. Das verschweigt uns die Politik einmal wieder und “füttert” stattdessen mantra-artig mit Umsatzzahlen und uralten Geschichten von der Arbeitsplatzsicherheit und der Konjunkturbedeutung. Die EU und der Euro müssen verteidigt werden, kann es da nur heißen.

Die Gefahr für den ehemaligen Exportweltmeister kommt heute nicht von den Eurogegnern sonder primär vom Brexit und von Trump. Denn von den 253 Milliarden Euro Export-Überschuss entfallen jeweils 50 Milliarden Euro auf die USA und Großbritannien, was an deren Konsumfreudigkeit liegt. Auch Polen ist wichtig, weil es nach den Russland-Sanktionen zum wichtigsten Partner in dem traditionell starken Osthandel aufgerückt ist und Österreich und die Schweiz überholt hat. Berlin und Brüssel sind also gut beraten, bei ihrer Werteoffensive in den Beziehungen zu diesen drei Ländern politisch nicht zu übertreiben.

Die Kanzlerin hat das wohl verstanden und sucht krampfhaft neue und bislang sanktionierte Verbündete bei den großen Schwellenländern (China, Mexiko, Russland, Iran). Dummerweise sind diese Staaten nicht so konsumfreudig und bonitätsstark.

 

Dr. Viktor Heese – Finanzanalyst und Fachbuchautor; www.boersenwissen-fuer-anfaenger.de

Titelfoto: atti69, pixabay 


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