Teurer Strom in Kalifornien

Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, die Spitzenkandidaten der Grünen zur Bundestagswahl 2017, forderten konkret einen Kohleausstieg bis 2025 und einen Produktionsstopp für Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2030. Und sie forderten, mit Bundesstaaten wie Kalifornien “müssen wir jetzt verstärkt zusammenarbeiten”. Den Ausstieg der USA aus dem Weltklimavertrag halten sie für “historisch dumm, und er ist wirtschaftspolitisch dumm, weil Trump die USA so von den wichtigsten Innovationsmärkten der Zukunft abhängt”, schreiben sie in einem Gastbeitrag des Spiegel. Der Dumme ist letztendlich in beiden Ländern der Stromkunde und Steuerzahler, der für das Experiment Energiewende tief in die Taschen greifen muss.

 

Kalifornien importiert Kohle

Kalifornien ist die sechstgrößte Wirtschaft der Welt und der bevölkerungsreichste Bundesstaat der USA. Trotzdem verzeichnet Kalifornien nur den zweithöchsten Energieverbrauch der USA nach Texas. Diesen Vorteil verdankt die wirtschaftliche Metropolregion an der US-Westküste unter anderem dem milden Klima.

Der Bundesstaat an der Südwestküste der USA ist traditionell eine Stromimport-Region. In Kalifornien gibt es keine Kohleförderung und auch keine Kohlereserven (EIA 2017). Aus dem Norden erhält Kalifornien Strom aus den Wasserkraftwerken Oregons, aus dem Süden kommt der Strom auch aus fossilen (Kohle-)Kraftwerken. Fast die gesamte in Kalifornien verbrauchte Kohle stammt aus dem Bundesstaat Utah. Es wird in dem Westküstenstaat mehr Kohle in Industrieanlagen als im Stromsektor verbraucht.

In Deutschland wird dagegen noch immer der größte Teil der elektrischen Energie aus Kohle gewonnen. 2017 betrug der Anteil der Bruttostromerzeugung aus Braun- und Steinkohle 36,0 Prozent, aus Kernenergie 11,6 Prozent.

Im Jahr 2016 wurden 198.230 GWh Strom in Kalifornien erzeugt. Die Hälfte der kalifornischen Stromerzeugung kam 2016 aus Erdgas (2001: 57,4 %). Kalifornien gehört zu den US-Vorreitern bei der Erschließung von unkonventionellem Öl und Gasdurch Fracking.

Stelter

 

Erneuerbare Energien

Die installierte Solarenergieleistung in Kalifornien wuchs auf fast 10 GW im Jahr 2015. Zum Vergleich:  Im Jahr 2016 waren in Deutschland Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von rund 41 Gigawatt installiert.  Damit die 4-fache Menge der installierten Photovoltaik-Leistungen Kaliforniens.

Im Bereich Windenergie erhöhte sich in Kalifornien die installierte Leistung auf 5,6 GW im Jahr 2016. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 betrug laut statista die installierte Nennleistung aller Windenergieanlagen an Land in Deutschland rund 51 Gigawatt, rund das 10-fache der installierten Leistung in Kalifornien. Hinzu kommen in Deutschland aber noch 5,4 Gigawatt installierter Leistung der insgesamt 1.196 Offshore-Windenergieanlagen.

Im Süden mit den Städten Los Angeles und San Francisco herrscht mediterranes Klima. Die Durchschnittstemperatur liegt hier bei 21,3 Grad, im Norden sind es 14,7 Grad. Im Süden Kaliforniens scheint die Sonne durchschnittlich 8,9 Sonnenstunden pro Tag, im Norden sind es lediglich 6,8 Stunden.

Aber selbst im Norden Kaliforniens liegt die durchschnittliche Anzahl der Sonnenstunden höher als in Deutschland (6,0 Stunden) und höher als im einwohnerstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen (5,5 Stunden). Deutschland versucht, seine geographischen Defizite durch die Erhöhung der installierten Leistung auszugleichen. Ein Experiment, von dem man mit Gewissheit sagen kann, dass es keinen Einfluss auf die Anzahl der Sonnenstunden oder den geeigneten Wind hat, aber mit Sicherheit auf die Strompreise. Kalifornien dient dafür als Beispiel.

 

Die Strompreise in Kalifornien sind 2017 dreimal so stark gestiegen wie im Rest der USA

Während in Kalifornien der Anteil von Erdgas und Kernkraft an der Stromerzeugung im Zeitraum 2001-2016 gesunken ist, ist der Anteil Erneuerbarer Energien stark gewachsen (2016: 40,2 %, 2011: 23,9 %). Aber um welchen Preis?

Nach einer neuen Analyse von Environmental Progress stiegen die Strompreise in Kalifornien zwischen 2016 und 2017 dreimal stärker als in den übrigen USA. Mark Nelson und Michael Shellenberger erläutern, dass die Steigerungen zustande kamen, obwohl 2017 die höchste Stromproduktion aus Wasserkraft – der billigsten Stromquelle des Landes – seit 2011 erzielt wurde. Die Strompreise im Rest der USA außerhalb von Kalifornien stiegen um zwei Prozent, entsprechend der Inflationsrate.

Zwischen 2011 und 2017 stiegen die Strompreise in Kalifornien fünf Mal schneller als auf nationaler Ebene, stellt Environmental Progress fest. Heute zahlen Kalifornier im Durchschnitt 60 Prozent mehr für den privaten, kommerziellen und industriellen Strom als der Rest des Landes.

 

Solar- und Windenergie sind Strompreistreiber

Kaliforniens hoher Anteil an intermittierenden erneuerbaren Energien wie Solar- und Windenergie sei  vermutlich ein Schlüsselfaktor für höhere Preise, vermutet Environmental Progress. Ökonomen seien sich einig, dass der dominierende Preistreiber im Elektrizitätssektor in Kalifornien zweifelsohne erneuerbare Energiequellen seien.

Die hohe Verbreitung von erneuerbaren Energien mache Elektrizität nicht nur in Kalifornien weltweit teuer, stellen die Autoren fest. Deutschland habe in den letzten zehn Jahren einen hohen Anteil erneuerbarer Energien aufgebaut, und die Strompreise seien um 34 Prozent gestiegen. Heut koste der deutsche Strom doppelt so viel wie im benachbarten Frankreich.

California’s Renewables Portfolio Standard (RPS) setzt in den USA einen der ehrgeizigsten Standards für Erneuerbare Energien. RPS erhöht die Stromkosten zum Teil dadurch, dass es den Kauf von Erneuerbaren Energien verlangt, obwohl unvermindert Kapazitäten aus der Kombination von Erdgas, Wasserkraft und Kernkraft erforderlich sind. Infolgedessen habe Kalifornien heute eine große Menge an überschüssiger Stromerzeugungskapazität, ohne zu wissen, wieviel davon von Tag zu Tag und Woche zu Woche verfügbar sein wird.

 

Ungleiche Belastungen für die Bevölkerung

Die Belastung durch höhere Kosten für Elektrizität und die Vorteile von Subventionen für erneuerbare Energien fallen nach Darstellung von Environmental Progress für Kalifornier ungleich aus. Zwischen 2007 und 2014 erhielten die einkommensstärksten 40 Prozent der Haushalte in Kalifornien dreimal so viel Solarsubventionen – im Wert von 10.000 bis 20.000 Dollar pro Haushalt – als die einkommensschwächsten 40 Prozent. Haushalte in Kalifornien mit einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 US-Dollar profitierten von Subventionen für Energieeffizienz, die doppelt so hoch waren wie für Haushalte mit einem Einkommen unter 50.000 US-Dollar.

 

Steigende Stromkosten durch Schließung des Kernkraftwerks

Einen weiteren Grund für die hohen Strompreise in Kalifornien sieht Environmental Progress in der  Schließung der Nuclear Generating Station San Onofre (SONGS). In den zwölf Monaten, die auf die Schließung folgten, seien die Kosten für die Erdgasgewinnung um 350 Millionen Dollar gestiegen.

 

Finanzielle Anreize für die Produktion von Elektromobilen

Trotz der steigenden Strompreise hat Kalifornien am 26. Januar 2018 finanzielle Anreize für die Produktion von Elektromobilen beschlossen. Bis zum Jahr 2030 sollen fünf Millionen Elektroautos auf Kaliforniens Straßen fahren. Der Bundesstaat hat den größten Automobilmarkt der USA: Auf die rund 40 Millionen Einwohner kommen 14,5 Millionen Fahrzeuge. Der Verkauf emissionsfreier Autos macht derzeit fünf Prozent der Fahrzeug-Käufe aus. Über einen Zeitraum von acht Jahren sollen 2,5 Mrd. Dollar (rund 2 Mrd. Euro) in die Förderung von Elektroautos investiert werden, wie standard.at berichtet. Elektroautos sind im Fahrbetrieb emissionsfrei, aber nicht in der Herstellung, in der Stromgewinnung und Entsorgung.

Die Ökologischen Folgen von Elektroautos wurden im August 2015 vom UPI-Institut untersucht. Das UPI-Institut kam zu dem Ergebnis, dass Elektroautos entgegen einer weit verbreiteten Meinung nicht klimaneutral sind, sondern als einzelne Fahrzeuge ungefähr gleich hohe CO2-Emissionen wie normale
Benzin- oder Diesel-PKW verursachen. Mehr noch: Die Förderung oder Subventionierung von Elektroautos führe zur Zunahme der CO2-Emissionen, sagt das UPI-Team. Eine schwedische Meta-Studie zeigt, dass bei der Produktion des Stromspeichers viel CO2 ausgestoßen wird, was den Vorteil zum Verbrenner schwinden lässt.

Kein Klimaschützer, weder in Kalifornien noch in Deutschland, wird nach gegenwärtigem Erkenntnisstand behaupten können, es ginge ihm bei dem Ausbau Erneuerbarer Energien oder der Elektromobilität um den Schutz der Umwelt und der Gesundheit. Der Strom aus Kohle, Braunkohle oder Kernenergie wird nur außerhalb der eigenen Landesgrenzen produziert und weiterhin importiert werden müssen. Aber auf den deutschen Werbeetiketten wird stehen: “Made in Germany – emission-free”.

Bernd Fischer

 

Quellen

Titelfoto: Falkenpost

 


29.07.2018

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