Fehler

Wie sehen Journalisten ihren Arbeitsalltag und ihre Fehler?

Wie sehen Journalisten ihren Arbeitsalltag und ihre Fehler, die sie selbst und andere aus der Branche machen? WDR5 stellte diese Frage dem Mainzer Medienwissenschaftler Hans Mathias Kepplinger. Es gebe einen klaren Zusammenhang zwischen den Einstellungen von Journalisten und der Rechtfertigung fragwürdiger Praktiken, sagt Kepplinger. Das sei in zwei Fällen besonders auffällig, etwa bei der Darstellung und Skandalisierung der Kernenergie.

Dies treffe zum Beispiel auf die Berichterstattung über Fukushima zu. In Deutschland habe man die ersten drei Tage die Kernenergie in den Mittelpunkt der Berichterstattung gerückt, der nur drei oder fünf Menschen zum Opfer gefallen seien, in Großbritannien und Frankreich dagegen die Opfer des Tsunami.

Es lasse sich nachweisen, sagt der Medienwissenschaftler, dass die Meinung der Bevölkerung der Meinung von Journalisten in einem Abstand von ein bis zwei Jahren folge. In Bezug auf die Kernenergie seien die Journalisten die Wegbereiter der zunehmend ablehnenden Bevölkerungsmeinung.


Ein zweites Verhaltensmuster sei ein Problem, sagt Kepplinger. Fehler würden von vielen Journalisten und Kollegen nachträglich mit Argumenten verteidigt. Die Fehler, die er zur Diskussion gestellt habe, seien trotz zahlreicher Hinweise in den Medien alle nicht aufgedeckt worden. Das verhindere die enorme Geschlossenheit des Berufsstandes, wenn es um so kontroverse Themen geht wie unter anderem die Kernenergie.

Der Lügenpresse-Vorwurf verkenne das Problem. Journalisten seien in der Regel keine Lügner. “Der Fehler liegt darin, dass Journalisten zu unkritisch ihrer eigenen Meinung trauen und glauben, ihre Meinung sei eine realitätsgerechte Darstellung von Realität, und das trifft in vielen Fällen nachweislich nicht zu.”

Totschweigen und Skandalisieren

WDR 5 Töne, Texte, Bilder | 29.07.2017, Moderator Frank Wörner


Profil: Prof. em. Dr. Hans Mathias Kepplinger

Prof. em. Dr. Hans Mathias Kepplinger war von 1982 bis 2011 Professor für Empirische Kommunikationsforschung an der Universität Mainz, Leiter des Instituts für Publizistik, Dekan und Mitglied des Senats.
Seine Forschungsschwerpunkte sind das Verhältnis von erkennbarer Realität, medialer Realitätsdarstellung und Realitätswahrnehmung der Bevölkerung; das Selbstverständnis und die Arbeitsweise von Journalisten; die Kommunikation in Konflikten, Krisen und Skandalen sowie die Wirkung von Medienberichten auf die Protagonisten der Berichterstattung (“Reziproke Effekte”).
Kepplinger war Gastwissenschaftler an der UC Berkeley, der Harvard University, der University of Illinois sowie den Universitäten in Tunis, Lugano, Luzern und Zürich. Er ist Autor von mehr als 300 wissenschaftlichen Aufsätzen und 30 Büchern und wurde 2011 mit dem “Theory Award” des Media Tenor sowie 2012 mit dem “Helen Dinerman Award” der World Association of Public Opinion Research ausgezeichnet. 2015 wurde er zum “Fellow” der International Communication Association ernannt.

Foto: andymeyer67, pixabay   


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Wernicke


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