Ein Öl-Kraftwerk für Erneuerbare Energien

Weil das Risiko eines Blackouts mit jedem Megawatt aus Wind- und Solarstrom wächst, will die EnBW Energie Baden-Württemberg AG, der drittgrößte der vier großen Energieversorger in Deutschland, im Marbacher Energie- und Technologiepark ein neues Öl-Kraftwerk bauen. EnBW befindet sich im Besitz von Gebietskörperschaften und des grün regierten Bundeslands Baden-Württemberg.

  • Mehrkosten in Höhe von fast 500 Millionen Euro für 1,2 Gigawatt Notstrom geplant
  • Versorgungssicherheit durch Öl-Kraftwerk wichtiger als mögliche Immissionen
  • “Technische Vermüllung” beeinträchtigt das Landschaftsbild
  • Das Kernkraftwerk in Neckarwestheim, das brutto rund 2,2 Gigawatt sauberen Strom liefert, wird 2022 abgeschaltet.

Eine halbe Milliarde für den Notfall

Mehr als 100 Millionen Euro soll das “Netzstabilitätskraftwerk” mit einer Leistung von 300 Megawatt kosten, berichtet Oliver von Schaewen, Marbacher Zeitung. Den Zuschlag dafür soll im April 2019 der Netzbetreiber TransnetBW geben. Die Bundesnetzagentur habe den Bau für wahrscheinlich vier Anlagen in Süddeutschland, insgesamt 1,2 Gigawatt Leistung,  freigegeben. EnBW will die Anlagen mit Erdöl und einer Gasturbine befeuern. Die EnBW setzt beim neuen Kraftwerk aus Gründen der Versorgungssicherheit auf Erdöl. „Bei vier geplanten Anlagen in Süddeutschland ist es wichtig, dass es einen Energiemix gibt“, erklärt Jörg Busse, Sprecher der EnBW. Nicht alle Anlagen sollten deshalb mit Gas betrieben werden.

Mehr als 400 Millionen Euro soll das Sicherheitssystem kosten, das keinen Beitrag zur Stromversorgung leisten wird. Es soll “nur im Notfall stundenweise eingesetzt werden, wenn andere Anlagen ausfallen und die Netzstabilität gefährdet ist“, sagt Jörg Busse. Der Hintergrund dieser Maßnahme sei die Energiewende. Der Übergang stelle laut Busse die Energieversorger in Deutschland vor immer neue Herausforderungen.

Marbach – “Spezialist für Spitzenlast und Minutenreserve”, (Foto: EnBW)

Immer mehr Strom werde aus Wind und Sonne hergestellt – aber nicht genug, um das Netz stabil zu halten. Es ist unwahrscheinlich, dass der EnBW-Sprecher nicht weiß, dass die Volatitilät des Stroms aus Erneuerbaren Energien die Stabilität des Netzes gefährdet, nicht die Menge des Stroms.

Der Standort in Marbach dient laut Marbacher Zeitung bereits jetzt dazu, Engpässe zu bewältigen. Die EnBW unterhalte dort ein Öl-Kraftwerk als Reserve. Dafür würden in den sieben braunen Tanks am Neckarufer 70 .000 Kubikmeter Öl gelagert. Es sei plausibel, das in Marbach eingelagerte Erdöl noch für einen zweiten Zweck zu nutzen, sagt Oliver von Schaewen. Für welchen Zweck? CO2-neutral?

Falle

Die Befürworter

Die Marbacher Stadtverwaltung stehe hinter den Plänen der EnBW, sagt von Schaewen. Der Erste Beigeordnete Gerhard Heim habe bestätigt: „Wir wollen die Energiewende“. Das Kraftwerk sei eine Lösung für die Übergänge werde nur in absoluten Notfällen eingesetzt. Es diene nur der Netzstabilität, nicht der Stromproduktion. Gas statt Öl würden als Brennstoff im Energie- und Technologiepark ausscheiden, weil “keine leistungsfähige Leitung vorhanden“ sei. Heim habe betont, dass, im  Hinblick auf die Endlichkeit von Erdöl, dies nur eine Übergangslösung sei, “bis das Stromnetz versorgungssicher läuft.“

Auch das Umweltministerium des Landes sieht in dem Bau des Öl-Kraftwerks kein Problem. Frank Lorho, Sprecher von Minister Franz Untersteller, habe gesagt: “Die Grenzwerte müssen auf jeden Fall eingehalten werden.“

“Äußerst kritisch”

Als „äußerst kritisch“ habe Claus-Peter Hutter, Präsident der Organisation Nature Life, den Neubau des Öl-Kraftwerks bezeichnet. Ein zweiter, 90 Meter hoher Schornstein, würde neben dem 160 Meter hohen bestehenden des alten Kraftwerks die „technische Vermüllung in einem der schönsten Abschnitte des Neckars“ vergrößern. Das gelte auch für weitere Stromleitungen. „Hier tragen wir mit zahlreichen Mastensträngen sowieso schon eine sehr große Last – während man sich in Bayern schon gegen Stromleitungen erfolgreich zur Wehr setzt.“

Dient das geplante Kraftwerk am Neckar der Umwelt?

“Das geplante Kraftwerk am Neckar gewinnt keinen Schönheitspreis, dient aber der Umwelt”, sagt Oliver von Schaewen. Das Erdöl diene der Versorgungssicherheit weit über Marbach hinaus, fügt er hinzu. “Denn die Energiewende, die Deutschland unabhängig von fossilen Brennstoffen machen muss, braucht Übergangslösungen, die Hand und Fuß haben.”

Die “Übergangslösung” wird zu einer teuren Dauerlösung führen, weil die Menge des produzierten Stroms keine Bedeutung für die Sicherheit der Stromversorgung hat. Es gibt jetzt und auf absehbare Zeit keine geeigneten Stromspeicher. Und nur Umweltfrevler greifen auf das Heftpflaster Batterien zurück. Sicherheit der Stromversorgung mit ausschließlich Erneuerbaren Energien gäbe es nur bei einem permanent mit gleicher Windstärke wehenden Wind und einer Sonne, die ohne Unterbrechungen durch Wolken und Wolkenbänder 24 Stunden täglich und 8760 Stunden im Jahr scheint.

Kernkraftwerk Neckarwestheim

Die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen, minimale Flächennutzung in Bezug auf die Leistung, bezahlbare Strompreise für Haushalte und Industrie hat Baden-Württemberg seit Jahrzehnten dank der Kernkraftwerke vorzuweisen – und wirft diese Errungenschaften der Technik und Intelligenz im Anti-Atom-Fieber über Bord.  Von Schaewen, der Krimis schreibt und sie zentralen Werken des Dichters Friedrich Schiller, der aus Marbach stammt, widmet, erwähnt die beiden Blöcke des Gruppenkernkraftwerkes in Neckarwestheim, die brutto rund 2,2 Gigawatt Strom liefern, zum Vergleich. Aber er vertieft in seinem Kommentar zu dem geplanten Öl-Kraftwerk dieses Thema nicht.  Zu nah’ ist offenbar die Lösung. Das Zitat “Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah” ist angelehnt an Goethes “Erinnerung” und ist schließlich kein Zitat von Schiller, der aus Marbach stammt.

“Kernkraft steht für eine zuverlässige und klimafreundliche Stromerzeugung. Denn Kernkraftwerke haben praktisch keinen CO₂-Ausstoß und können Strom rund um die Uhr produzieren”, ist der grünen Anti-Kernkraft-Propaganda zum Trotz noch immer auf der Homepage des Betreibers EnBW zu lesen. “Deutschland hat beschlossen, bis zum Jahr 2022 aus dieser Technologie auszusteigen”, heißt es lapidar.

EnBW rechnet vor: “Im Jahr 2016 erzeugte die Anlage über 11 Milliarden Kilowattstunden Strom. Damit deckt sie rechnerisch mehr als die Hälfte des Strombedarfs aller privaten Haushalte und etwa ein Sechstel des gesamten Stromverbrauchs in Baden-Württemberg. Weil durch den Betrieb der Anlage jährlich über 10 Millionen Tonnen des klimaschädlichen CO₂ vermieden werden, steht der Standort Neckarwestheim nicht nur für Versorgungssicherheit, sondern auch für Klimaschutz im Südwesten.”

Im Atomgesetz ist vorgesehen, dass mit Block II noch maximal bis Ende 2022 Strom produziert werden darf. Spätestens dann geht die Anlage vom Netz. Nach einer plausiblen Erklärung für den widersinnigen Ausstiegsbeschluss sucht man vergebens.

Bürgerinformation

Eine Bürgerinformation sei geplant, sagt von Schaewen. Ob sie ein guter Anfang sein wird, wie der Journalist hofft, wird sich zeigen. Es wäre plausibel, wenn mutige, gut informierte Bürger das Ende der Energiewende, eine Erfolgsbilanz der bisherigen Maßnahmen und eine Aufstellung der gesamten geplanten Kosten fordern würden. Dann wird sich zeigen, ob es in der Schiller-Stadt Marbach vielleicht einen guten Anfang geben wird.

Faina Faruz

Oliver von Schaewen hat Theologie in Münster studiert, ist Krimi-Autor und arbeitet seit 1997 als Redakteur der Marbacher Lokalausgabe der Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung. Der Autor lebt bei Marbach, der Geburtsstadt Friedrich Schillers. Er widmet seine Krimis zentralen Werken des Dichters: eine Wilhelm-Tell-Adaption Schillerhöhe (2009), das Räuber-Remake Räuberblut (2010),  Glockenstille (2014).
https://www.oliver-von-schaewen.de/

Quellen:

Titelfoto: drpepperscott230, pixabay

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