Nadija Sawtschenko, Kampfpilotin – Anfang und Ende einer politischen Inszenierung

Foto: Vitalij Fleganov

Sie war für wenige Monate ein Popstar, berühmteste Ukrainerin auch im Westen, hielt patriotische Reden, lag noch im Sommer 2016 in den Umfragen vor dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, die Ukrainer wünschten sich Nadeschda Sawtschenko sogar als Präsidenten. Sie war Kampfpilotin, in Gefangenschaft, in russischer Haft und im Hungerstreik. Perfekt für eine Inszenierung. “Es kommen Tausende Kandidaten in die Gefängnisse – gezwungenermaßen. Und von Tausenden schaffen es einige, Popstars zu werden: der Oligarch Michail Chodorkowskij, die Pussy-Riot-Girls. Und jetzt: Nadija Sawtschenko”, schrieb Sputniknews.

Innerhalb von wenigen Monaten ist der Traum vom Popstar gerade eben zerplatzt.

 

Im Fahrstuhl nach oben

Als Sawtschenko nach ihrer Freilassung im Mai den ukrainischen Boden barfuß betrat, war die Show perfekt. Kameramänner jagten sie und Frauen verfolgten sie mit Mikrofonen, schrieb die FAZ. Politiker hatten sich über mehrere Jahre auf eine Inszenierung vorbereitet, egal wie das Urteil für Sawtschenko ausgehen würde. Die Grünen-Europapolitikerin Rebecca Harms hatte zum Beispiel 2014 per Twitter zu Spenden für die Anwälte Sawtschenkos aufgerufen. Nadeschda Sawtschenko war zur Nationalheldin und zum Popstar der westlichen Welt bestimmt, so wie vor ihr Julia Timoschenko, der Oligarch Michail Chodorkowskij oder die Pussy-Riot-Girls. Die überraschende Begnadigung Sawtschenkos durch Wladimir Putin lag zwar nicht im Sinne der Regie, aber auch sie ließ sich für die PR-Arbeit gegen Russland nutzen.

Noch während ihrer Haft in Russland und in Abwesenheit war die Kampfpilotin als Abgeordnete der Vaterlandspartei von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko in die Oberste Rada, das ukrainische Parlament, bestimmt und dann auch als Delegierte des Landes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates entsandt worden.

Die Umgehung einer regulären Wahl und die unstatthafte Einsetzung Sawtschenkos in ein politisches Amt war die Belohnung für ihre anti-russischen Stellungnahmen. Sie forderte den Westen auf, mehr Druck auf Russland auszuüben und sagte zum Beispiel. “Ich denke, dass die Welt endlich verstehen muss: (Wladimir) Putins Hunger wird niemals enden”, sagte sie zu möglichen weiteren territorialen Ansprüchen des Nachbarn, der bereits die Krim annektiert hat und die Separatisten im Donbass aktiv unterstützt. “Er will nach und nach weitere Regionen und Länder erobern. Es braucht deshalb massiven wirtschaftlichen und politischen Druck.” Sawtschenko lieferte, was der Westen von ihr erwartete.

 

Im Fahrstuhl nach unten

Heute jedoch, nur wenige Monate später, fürchtet das Parlamentsmitglied Nadeschda Sawtschenko um ihr Leben. Aus ihrer Sicht trachten diejenigen danach, die sie noch vor wenigen Monaten als Nationalheldin der Ukraine gefeiert haben. In einem Interview mit dem ukrainischen Fernsehsender NewsOne behauptete sie, das Präsidialamt Petro Poroschenkos würde ein Mordattentat gegen sie planen. Nach ihren Worten sei sie auf ein solches Vorgehen der Machthaber gefasst und kenne die Daten und Tage, wann das passieren werde, berichtet der Sender.

Fest steht, dass mit Beschluss vom 23.12.2016 Nadeschda Sawtschenko nicht mehr an den Sitzungen des Parlamentarischen Ausschusses für nationale Sicherheit und Verteidigung teilnehmen wird. Sie sei aus dem Ausschuss ausgewiesen worden wegen des sensationellen letzten Politiktreffens mit den Leitern der “DNI/LC”. Darüber hinaus habe sie “anti-ukrainische Aussagen” gemacht, zitiert NewsOne ein Mitglied des Ausschusses.

Wie ist es möglich, dass die als Nationalheldin international gefeierte ukrainische Kampfpilotin Nadeschda Sawtschenko, die 2014 als Mitglied des rechtsextremen Bataillons Aidar gegen die Volksmilizen im Donbass gekämpft, von einem russischen Gericht wegen Beihilfe zur Ermordung von zwei russischen Journalisten schuldig gesprochen, zu 22 Jahren Haft verurteilt, von Russlands Präsident Waldimir Putin am 25. Mai 2016 begnadigt und noch am selben Tag unter Begeisterungsstürmen auch der deutschen Medien nach Kiew zurückkehrte, jetzt auf einer “Abschussliste” steht?

Ihr Vergehen besteht darin, dass sie die Vertreter der selbsternannten Volksrepubliken Donezk (DNI) und Lugansk (LC), die von der ukrainischen Regierung, der Europäischen Union und den USA nicht anerkannt werden, nicht als Terroristen bezeichnet. Ihr werden zum Beispiel Äußerungen in einem Interview für den ukrainischen Sender Espresso TV vorgeworfen. Sie hatte im Interview gesagt:

„So wie wir auf dem Maidan der Janukowitsch-Regierung entgegentraten, so kämpfen auch die Jungs der Volksrepubliken Lugansk und Donezk gegen die Regierung von Poroschenko. Und sie sind keine Terroristen.“

Kurz zuvor hatte sich Nadeschda Sawtschenko mit den Chefs der ostukrainischen Separatisten, Alexander Sachartschenko und Igor Plotnizki, in Minsk in Weißrussland getroffen. Ziel der Gespräche sei die Freilassung ukrainischer Soldaten gewesen, berichten mehrere Medien. Die Fraktion der Vaterlandspartei, die von der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko geführt wird, habe daraufhin ihre einstige Spitzenkandidatin aus ihren Reihen ausgeschlossen.

Nicht die Äußerungen Sawtschenkos im Parlament und in den Medien haben zu Spannungen mit den Machteliten geführt, höchstens das Ende der Inszenierung beschleunigt. Der Rauswurf aus der Europarats-Delegation und aus dem Verteidigungssauschuss kommt nicht überraschend, er gehört offenbar zu den Regeln einer Inszenierung, die der Chefredakteur der “Bild”, Kai Diekmann, anlässlich des Rücktritts des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff mit folgenden Worten beschrieben hat: “Wer mit der Bild im Aufzug nach oben fährt, fährt mit ihr auch wieder nach unten.”

Ähnlich wie Wulff und vielen anderen ergeht es jetzt Nadeschda Sawtschenko. Dies wird durch die Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses der Ukraine, Anna Gopko, deutlich. Die Zeitung „KP“ zitiert Gopko mit den Worten: „Als wir sie 2014 in die Delegation aufnahmen, wollten wir die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf ihren gesetzwidrigen Arrest in Russland hinweisen.“ Der Grund sei nach ihrer Rückkehr weggefallen. Für den fraktionsübergreifenden Beschluss hatten 237 Volksvertreter gestimmt.

Die Show ist jetzt beendet, den Popstar gibt es nicht mehr. Die nächste Castingshow wird nicht lange auf sich warten lassen.

 

Quellen:

  • http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/8613052/sawtschenko-kritisiert-debatte-ueber-lockerung-von-sanktionen.html
  • https://newsone.ua/ru/savchenko-otstranili-ot-otvetstvennosti-za-nacbezopasnost-i-oboronu/
  • https://de.sputniknews.com/politik/20161216313794242-keine-terroristen-im-donbass-laut-sawtschenko/
  • https://de.sputniknews.com/politik/20161219313830452-sawtschenko-poroschenko-toeten/
  • http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kampfpilotin-nadija-sawtschenko-will-praesidentin-der-ukraine-werden-14406721.html 29.08.2016
  • http://www.handelsblatt.com/politik/international/ukrainische-kampfpilotin-nationalheldin-im-parlament-isoliert/19175130.html
  • http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/pussy-riot-lady-suppenhuhn-11867761.html
  • http://derstandard.at/2000049779386/Kiews-Parlament-schliesst-Sawtschenko-aus-Europarats-Delegation-aus

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