Steve Forbes stellte am 14. April 2023 die Frage, ob die USA beabsichtige, medizinische Sterbegremien einzurichten: “Are Medical Death Panels Coming To America?”. Der Vorsitzende und Chefredakteur von Forbes Media stellt fest, dass “der Geist dieses Möchtegern-Todesgremiums auch in anderen Ländern lebendig” sei. Viele Mediziner und Beobachter würden erneut in diese Richtung drängen, um Geld zu sparen.
Forbes erinnert an das ursprüngliche Obamacare-Gesetz. Mit Hilfe dieses Gesetzes sollte ein neues Gremium geschaffen werden, dess Aufgabe laut Forbes darin bestand, die Kostenwirksamkeit neuer und bestehender Medikamente und Behandlungen zu bewerten. Ihre unausgesprochene Prämisse war, dass die USA zu viel Geld ausgaben, um Patienten am Leben zu erhalten, die ohnehin bald sterben würden, und um das Leben von Menschen zu verlängern, das aufgrund von Schmerzen und Beschwerden als minderwertig galt. Das Gremium sei später als Sterbegremium bezeichnet worden.
Das Konzept sei moralisch fehlerhaft und müsse abgelehnt werden, sagt Forbes.
Die Diskussion über “Death Panels” geht auf eine Äußerung der ehemaligen Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, zurück. Sie brachte 2009 eine Bestimmung in einer Version von Obamas Gesundheitsgesetz mit einem “Todesgremium” in Verbindung.
Die Bestimmung stand im Zusammenhang mit einer Erstattung der Kosten für medizinische Beratungen. Diese Regelung würde es Medicare – dem Krankenversicherungsprogramm des Landes für Amerikaner ab 65 Jahren – ermöglichen, Ärzten die Zeit zu vergüten, die sie mit älteren Patienten verbringen, um mit ihnen zu besprechen, welche medizinische Versorgung sie am Ende ihres Lebens wünschen.
Vorgesehen sei, kritisierte Palin, dass sich Regierungsbeamten zusammensetzen sollten, um darüber zu entscheiden, ob bestimmte Menschen medizinische Versorgung erhalten können.
Die Erstattungsregelung wurde nach Protesten aus der endgültigen Fassung des Affordable Care Act gestrichen. Die Debatte über Eugenik wurde dadurch jedoch nicht beendet.
Warnung vor medizinischen Sterbegremien und Bill Gates
Die Warnung vor geplanten medizinischen Sterbegremien (“Todesgremium”) tauchte 2015 und auch heute wieder auf, wie unter anderem ein Clip über Bill Gates zeigt, das aktuell im Internet verbreitet wird.
Faktenchecker wiesen 2022 den Verdacht zurück, Bill Gates habe während der siebten Wiederauffüllungskonferenz des Global Fund am 21. September 2022 in New York den Staats- und Regierungschefs der Welt auf dem G-20-Gipfel 2022 gesagt, dass bald „Todesgremien“ erforderlich seien. Sie warfen den Nutzern sozialer Medien vor, einen 12 Jahre alten Clip von Gates zu verbreiten, der aus dem Zusammenhang gerissen sei, um fälschlicherweise zu behaupten, der Microsoft-Mitbegründer sei diese Woche beim jährlichen G-20-Treffen der Staats- und Regierungschefs aufgetreten, um zu verkünden, dass so genannte “Death Panels” bald erforderlich sein würden.”
Der Clip zeigt Gates, der über sehr, sehr hohe medizinische Kosten spricht, die in den letzten drei drei Lebensmonaten eines todkranken Patienten anfallen. Gates stellt die rhetorische Frage, ob es nicht besser wäre, anstatt eine Million Dollar für die letzten drei Lebensmonate des Patienten auszugeben, zehn Lehrer nicht zu entlassen. Gates fügt hinzu: “Aber das nennt man das Todesgremium, und diese Diskussion darf man nicht führen.” Darf die Diskussion aus der Sicht von Bill Gates nicht geführt werden, weil sie unethisch ist, oder weil sie starken Widerspruch erzeugt? Die Faktenchecker kümmert diese Frage nicht. Das sollte es aber, nicht zuletzt wegen des familiären Hintergrunds von Bill Gates und seines Bekenntnisses, früher ein Anhänger der Ideen des Eugenikers Thomas Malthus gewesen zu sein.
bittel.tv: “Wenn wir nicht darüber reden sollten, warum erwähnt er es dann trotzdem?”
In Kanada entbrennt derzeit eine Debatte, welche Rolle Armut bei der Entscheidung über Leben oder Tod hat. “Die Tatsache, dass der parlamentarische Haushaltsbeauftragte im Herbst 2020 eine Kostenkalkulation für die Gesetzesänderung zur unterstützten Sterbehilfe veröffentlichte und eine zu erwartende “Nettokostenreduzierung” von umgerechnet 43 Millionen Euros kalkuliert, hinterlässt in diesem Zusammenhang allerdings einen sehr bitteren Geschmack.”
Thorsten Schreiber
Titelbild: geralt, pixabay