Unbequem, anders wollten sie sein, die Piraten. Was ist aus der versprochenen Transparenz und Meinungsfreiheit geworden?
Die Piraten werben in ihrer AG Energie damit, dass bei den Energiepiraten alles vertreten sei, angefangen vom ganz normalen, an der Energie interessierten Bürger, über Fachleute aus Gewerbe und Industrie, bis hin zu Mitarbeitern aus diversen Ingenieur- und Planungsbüros, sowie aus Forschung und Lehre. Um dann was zu tun? Eine missliebige Meinung mit der Unterstellung, sie sei “Bullshit”, auszugrenzen und eine Sonderausgabe der Parteizeitung auf eine Art Index zu setzen. Dies macht die Arbeit der Piraten alles andere als “spannend und effektiv”, sondern eher unglaubwürdig. Ausgerechnet in der Frage, die die Gemüter am meisten bewegt, reagieren die Piraten autoritär und tauchen ab in den Mainstream.
Dies zeigt der einstimmig beschlossene Vorstands-Umlaufbeschluss des Landesvorstands NRW, die Sonderausgabe Kompass-AG-Zeitung 2013.1 (pdf) der Piratenzeitung “Kompass” nicht für den Landesverband NRW zu bestellen oder zur Verfügung zu stellen. Beschluss:
Der Landesvorstand NRW möge beschließen die Sonderausgabe des Kompass „Kompass-AG-Zeitung 2013.1“ nicht für den Landesverband NRW zu bestellen oder zur Verfügung zu stellen. Ferner möge der Landesvorstand NRW die Empfehlung aussprechen, die betreffende Kompass-Ausgabe nicht lokal anzuschaffen, aus anderen Landesverbänden zu beziehen, zu verteilen oder zu bewerben.
In der aktuellen Sonderausgabe werden die AG der Piratenpartei vorgestellt. “Arbeitsgemeinschaften bei den Piraten sind Zusammenschlüsse von Parteimitgliedern und auch engagierten Nichtmitgliedern. Sie finden sich zusammen, um ein Projekt auf Dauer anzugehen. Das kann ein politisches Thema sein, wie Wirtschaftspolitik, Netzpolitik oder Soziales/Familienpolitik, es kann aber auch ein „dienstleistendes“ Aufgabengebiet sein wie Öffentlichkeitsarbeit oder eben eine Piratenzeitung zu schreiben. Rund 50 solcher Arbeitsgemeinschaften stellen wir auf den nächsten 24 Seiten ausführlich vor. Alle AGs freuen sich auf Interessenten, Gäste und Mitmacher”, heißt es zu den Piraten-Arbeitsgemeinschaften (“Motor der Partei. Politik basisnah und transparent gestalten.”)
Unter diesen AG befindet sich zum Beispiel die Atom-Ausstiegs-kritische AG Nuklearia, die als “hemmungslos atomfreundlich” bezeichnet wird. Deren “kritischer Gegenpol” seien die AntiAtom-Piraten. Der Vorstandsbeschluss zeigt, dass es eigentlich umgekehrt heißen müsste: Hemmunglose Antiatom-Piraten und ihr kritischer Gegenpol Nuklearia.
Wie hemmunglos es in Fragen der Meinungsfreiheit bei den Piraten zugehen kann, zeigt Carsten Sawosch, Stellv. Vorsitzender Piraten Niedersachsen. Sawosch, IT-Administrator, empfiehlt wegen der Aufnahme der AG Nuklearia, die Ausgabe nicht zu bestellen:
Die Piraten lösen das Problem auf “grün”: Diktieren statt diskutieren, ausgrenzen statt überzeugen, unterstellen statt informieren.
Für Ex-Cathedra-Formulierungen, wie “Fakt ist, Atom ist der falsche Weg!”, brauchen wir keine Piraten. Aber es geht noch weiter: “Einige Piraten und Verbände weigern sich, den AG-Kompass als Wahlkampfmaterial zu verwenden, weil die Nuklearia dort mit klassischer Atomlobby-Desinformations-Schreibe auftritt.” Sind jetzt auch die Piraten religiös verbohrt, so dass sie nicht einmal in der Wissenschaft weltweit diskutierte Fragen ertragen können?
Was steht denn so “Desinformatives” in der Sonderausgabe?
“Der Atomausstieg bis 2022 gibt einen engen Zeitplan vor. Doch der Erfolg ist keineswegs garantiert: Die Strompreise steigen, der Netzausbau stockt, die Klima- und umweltschädliche Kohleverstromung nimmt zu. Grund genug, die Kernenergie nicht abzuschreiben, sondern weiterhin im Auge zu behalten. Nicht zuletzt für die Entsorgung bleibt nukleartechnisches Knowhow gefragt: Nach Abschalten des letzten Kernkraftwerks verbleiben 18.000 Tonnen hochaktiver, langlebiger Atommüll aus Brennelementen. Was damit tun?”
Mehr als 100 Organisationen, unzählige Pädagogen, Psychologen, Sozialarbeiter, Kirchenleute und viele andere fühlen sich ausreichend qualifiziert, um über die Entwicklung der Kernentechnik in den letzten Jahren urteilen und entsprechende politische Richtlinien bestimmen zu können. Mit dem Dogma der Grünen, nicht in die Kerntechnik-Forschung zu investieren, hat unser Land, das der Wissenschaft und Technik seinen hohen Lebensstard und internationale Anerkennung verdankt, eine schiefe Ebene betreten, auf der es sich bekanntlich so wunderschön rutschen lässt, auch in den Abgrund.
Franz Aarhus
PS: Wer sich nicht mit Gurus zufrieden geben will, sollte sich unbedingt über den “Dual Fluid Reaktor (DFR)” informieren. Das Projekt erhielt im Onlinevoting für den Galileo Wissenspreis die weitaus meisten Stimme, wurde von einer Jury denominiert, weil es das böse A-Wort (Atom) enthielt.