Aus dem Seelenleben der Hambi-Frau Elefterya Hambi
“Ich weiß es sehr zu schätzen, da Elefterya Freiheit bedeutet. Mein Nachname Hambi symbolisiert daneben den Ort des Kampfes, den ich zu Hause geführt habe”, sagt Elefterya Hambi.
Den Namen “Elefterya” anzunehmen, sei die Idee der Frauenverteidigungseinheiten in Nordsyrien gewesen, sagt sie stolz und erinnert sich zugleich mit Wehmut an die Zeit ihres Aufenthalts in den Bäumen des Hambacher Forstes. Ein Restwald, der nicht zu retten ist, aber das ist Elefterya egal. Sie sagt: “Ich weiss, dass die Bäume noch stehen werden, der Mittelspecht noch singen wird, die Hainbuchen und Stieleichen und Maiglöckchen blühen werden. Der Wald wird sich Fläche zurückholen und mit den Jahren wird er sich wieder mit den von ihm getrennten Armen vereinigen.”
In einem Brief, der am 13. Sep 2018 zuerst von anfdeutsch.com und danach, am 31. Oktober 2018, von de.indymedia.org veröffentlicht wurde, schreibt die “Widerstandskämpferin”:
“Meine lieben wilden Hambis”, noch einmal mit euch am Lagerfeuer sitzen und neue Strophen für sieben Tage lang dichten und lauthals singen. Noch einmal in den Baumkronen aufwachen, den Gurt anlegen und in die Tiefe sausen. Noch einmal sehen, wie hunderte Menschen in den Wald strömen und sehen, verstehen wollen. Noch einmal Barris bauen. Noch einmal allein durch den Wald streifen, noch einmal zu meinem heimlichen Platz zum Bogenschießen gehen, noch eine Aktion, noch einmal mit euch kämpfen. Stattdessen bin ich weit weg. Statt mit meinem kleinen Minimerlin, meinem Hambi-Stoffhund, im Arm aufzuwachen, ist es das kalte Metall der Kalaschnikow.”
Weiter schreibt die moderne Romantikerin:
“Ich habe den einzigen Ort, an dem ich je glücklich war, verlassen. Ein Ort, an dem ich ich sein konnte, ohne dafür verurteilt zu werden, an dem ich Menschen hatte, die ebenso unter der Farce des kapitalistischen Freiheitsbegriffs gelitten haben und etwas anderes wollten, aber nicht wussten, wie es zu erreichen ist.”
Kuscheltier und Kalaschnikow – Die Welt der neuen Romantiker
Elefterya Hambi bezeichnet sich als Internationalistin. Für einige Zeit lebte sie nach eigenen Angaben im Hambacher Forst, mittlerweile befindet sie sich in Rojava, Nordsyrien. Sie kämpft in den Reihen der YPJ, der Frauenkampfverbände der Volksverteidigungseinheiten (YPG), einer bewaffneten Miliz in Syrien.
In einem Interview mit Welat Deniz von der Nachrichtenagentur ETHA spricht die YPJ-Kämpferin über ihre Beweggründe, warum sie sich den Frauenverteidigungseinheiten anschloss. Sie will in Rojava am Aufbau einer neuen Gesellschaft mitwirken. “Die Möglichkeit, sich am Aufbau des neuen Gesellschaftsmodells in Nordsyrien zu beteiligen, ist für viele Internationalist*innen eine Motivation”, kommentiert die kurdische Nachrichtenagentur Firatnews Agency (Ajansa Nûçeyan a Firatê, Abk. ANF, Sitz in den Niederlanden) den Brief und erklärt:
“Viele von ihnen haben einen anarchistischen, linksradikalen Hintergrund und betrachten das Modell einer demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft als revolutionär. Die Umsetzung des Demokratischen Konföderalismus fasziniert sie, da dieses neue Paradigma auf die Autonomie der Gesellschaft abzielt. Es ist also nicht der Staat, der die Gesellschaft verwaltet, sondern die Gesellschaft, die sich selbst bestimmt. Somit stellt diese Idee den positiven Gegenentwurf zu der kapitalistischen Gesellschaft dar.”
Ein Vorwort zu Elefteryas Brief fordert: “Freiheit für die Bäume”. Das ist das Stichwort für Waldfreunde, deren Sympathien eingesammelt werden. Beim Hambacher Forst geht es jedoch nicht um die Bäume, sondern um die “Idee einer Revolution” oder, wie Elefterya sagt, um ein “Symbol des Widerstands” gegen den Kapitalismus. Deshalb hält Elefterya neben ihrem Hambi-Stoffhund auch die Kalaschnikow im Arm – nicht nur symbolisch. Die Themen Braunkohle, Energieversorgung, Versorgungssicherheit, Energiewende, Energiearmut interessieren sie und ihre Waldrebellen nicht.
RWE steht für Elefterya als Synonym für den Kapitalismus. Die Macht des Energiekonzerns basiere auf Kohle, Braunkohle, Gas und Kernenergie, sagt sie. Ihrer Logik folgend, verschwindet die Macht, wenn man ihr die Kohle und Braunkohle nimmt.
Für Elefterya verknüpft sich die Frage: “Was macht der kapitalistische Westen, wenn er nicht mehr für Öl und Macht kolonialisieren und ausbeuten kann? Wo also treffen wir ihn empfindlich?”, mit der Hoffnung, dass sich die wachsende Unzufriedenheit der Menschen für den revolutionären Kampf nutzen lasse.
Dass der Energiekonzern RWE wie auch andere Energiekonzerne längst auf Erneuerbare Energien umgestiegen sind und das internationale Finanzkapital die Regierungen zu mehr Klimaschutz zwingen will, nehmen Elefterya und antikapitalistische Kohlegegner nicht als Widerspruch zu ihren Idealen zur Kenntnis.
Im Überschwang der Gefühle
Elefterya Hambi ist eine Romantikerin. Die Grundstimmung ihres Briefes sind Gefühl, Leidenschaft, Sehnsucht und individuelles Erleben. Sie findet ihre Heimat in einer phantastischen, unwirklichen, extremen Welt – auf den Bäumen im Restwald Hambacher Forst ebenso wie im Kriegsgebiet in Nordsyrien.
Sie vertritt eine politische Romantik, deren Sehnsucht nach Geborgenheit nicht auf die kleinstädtische Idylle zielt, sondern auf den Aufbau von Alternativstrukturen, “die die Menschen von der Abhängigkeit staatlicher Strukturen in Gesundheit und Versorgung befreien und die zur jeweiligen Umgebung, ihrer Kultur passen.”
Wichtig sei, sagt sie, in die Dörfer und Städte zu gehen um den Menschen in Fabriken, Landhöfen, Schulen, Unis, Büros und Geschäften mit Geduld und Engagement zu helfen, selbstorganisiert und autonom zu werden und mit ihnen gute, tiefe Kontakte aufzubauen, politische Bildung, gemeinsame Projekte anzugehen. “Nutzen wir alle Kräfte die wir haben und ihre Angebote. Die Kraft der Musik, die Macht von Internet, Youtube und Facebook, von Fernsehen und Radiosendern, von sonnigen Tagen und mondlosen Nächten”, heißt es in ihrem Brief.
Die Romantik als Epoche zeichnete sich durch romantisches Denken und romantische Poesie aus. Die neue Romantik in der Gegenwart scheint ein neues Zeitalter des Irrationalismus einzuleiten, in dem sich Realität und Fantasie vermischen. Ihre Protagonisten lassen sich von der Sehnsucht und das Schweifen in die Ferne leiten, schaffen ihre eigenen Symbole für die Liebe, Freiheit, den Traum, die Wanderschaft, die Heimkehr, für Gefühle, Natur, Magie, Wahnsinn, Einsamkeit, Melancholie, Weltschmerz und Übertriebenheit.
Die Gefühle und die Sehnsucht nach Überwindung alltäglicher Begrenzungen werden zum Ausdruck gebracht und wandeln sich zur Bekehrung. Die Flucht aus der Wirklichkeit und die Hinwendung zum Religiösen und zum Klimaschutz als Weltanschauung hat bereits begonnen.
Ein aktuelles Beispiel für den Überschwang an Emotionen zeigt dieses Video, das von staatenlos.info3 hochgeladen und innerhalb von sechs Wochen 45.594 Mal aufgerufen und auch über die Leitmedien mit großer Anteilnahme verbreitet wurde. Der Titel des Videos lautet: ” Wacht endlich auf! Hambacher Forst kann nur gerettet werden wenn Deutschland frei ist!”
Phantasie an die Macht! – ist keine so gute Idee
Der Philosoph Rüdiger Safranski hat die Spuren der Romantik in seinem 2007 erschienenen Buch “Romantik. Eine deutsche Affäre” verfolgt. Safranski beschäftigt sich mit Heideggers nationalsozialistischer Hybris und findet einen Zusammenhang mit den Achtundsechzigern.
Seine Schlussfolgerung sorgte für Entsetzen unter den 68er Linken: “Sollten jene Träumer tatsächlich die geistigen Väter der braunen Machthaber und der roten Protest-Studenten gewesen sein? Kaum zu glauben, aber ganz unwahr ist diese These nicht. Schließlich wäre die studentische Forderung, “Phantasie an die Macht”, auch von etlichen “alten” Romantikern ohne Bedenken unterschrieben worden”, meint die Rheinische Post.
„Das Romantische gehört zu einer lebendigen Kultur, romantische Politik aber ist gefährlich”, sagt Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Rüdiger Safranski. “Für die Romantik, die eine Fortsetzung der Religion mit ästhetischen Mitteln ist, gilt dasselbe wie für die Religion: Sie muss der Versuchung widerstehen, nach der politischen Macht zu greifen. Phantasie an die Macht! – das war wohl doch keine so gute Idee.”
Die Epoche der Romantik Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts sei zwar vergangen, doch das Romantische als Geisteshaltung sei geblieben, sagt der Philosoph Rüdiger Safranski. Es sei fast immer im Spiel, wenn ein Unbehagen am Wirklichen und Gewöhnlichen nach Auswegen sucht. Romantik gehöre zur lebendigen Kultur. Aber romantische Politik, warnt der Philosoph Rüdiger Safranski, die sei gefährlich. Diese Gefahr sehen die ebenfalls romantischen Verfechter eines Klimaschutzes nicht.
Max Weber schrieb über Intellektuelle, die sich von der “Romantik der revolutionären Hoffnung” bezaubern ließen: “Wenn man sie sieht, weiß man, dass sie Romantiker sind, dem Alltag des Lebens und seinen Anforderungen seelisch nicht gewachsen oder abgeneigt und daher nach dem großen revolutionären Wunder und – nach Gelegenheit, sich selbst einmal an der Macht zu fühlen, lechzen.“
Die Überlegungen Safranskis und Webers führen uns zu den Organisatoren der Waldbesetzung im Hambacher Forst. Sie erklären auf ihrer Website hambacherforst.org zum Punkt Aktionen:
Kohlegegner und Klimaschützer aus dem anarchistischen und linksextremen Bereich werden unter Anspielung auf die SA der Nationalsozialisten von Kritikern bisweilen als Sturmabteilung der Regierung bezeichnet. Sie könnten Recht haben.
Der Sieg der Romantiker
„Selbst wenn die Politik beschließen würde, noch heute aus der Braunkohle auszusteigen, müssten die Tagebaue um einige Hundert Meter in alle Richtungen vergrößert werden, um die Böschungen so abzuflachen, dass sie in den kommenden Jahrhunderten stabil bleiben“, sagte Andreas Nörthen von der Bezirksregierung Arnsberg, ranghöchster Bergbaubeamter in Nordrhein-Westfalen. Christian Niemann-Delius, emeritierter Bergbau-Professor der RWTH Aachen, und ein weiterer Wissenschaftler, der wegen der aufgeregten Diskussion um die Zukunft der Braunkohle seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, bestätigen Nörthens Einschätzung.
Die blaue Blume der Romantik Epoche sind in der modernen Romantik Hainbuchen, Stieleichen, Maiglöckchen, Kuscheltiere, Zwillen und Kalschnikow. Dass der Hambacher Restwald weder durch Steinwürfe, Zwillen, Molotow-Cocktails und Kalaschnikows gerettet werden kann, ist den politisch versierten Romantikern und Kohlegegnern selbstverständlich bewusst.
Aber um den Restwald geht es ja auch nicht. Elefterya Hambi spricht aus, was die alternden Atomkraft-Gegner und Übriggebliebenen der 68er nicht verwirklichen konnten, sich aber von den Jungen wünschen: einen Machtwechsel. Elefterya Hambi schreibt:
“Ich weiss, dass ihr kämpfen werdet. Wenn ich an euch denke, habe ich keinen Zweifel, dass dieses Jahr der Widerstand zum Kampf wird. Dass es nicht mehr ausschließlich darum geht, friedlich zu warten, bis mensch abtransportiert wird.
“
Die Betreiber des Kohle- und Demokratieabbaus sind überzeugt, dass die Menschen im Globalen Süden ihr Ackerland, ihre Regenwälder oder ihre Inseln durch die Folgen des Klimawandels verlieren.
Die romantische Vorstellung, dass das Klima geschützt werden könne und die Industrieländer des Westens moralisch zum Klimaschutz und zur Herstellung von “Klimagerechtigkeit” verpflichtet seien, verbindet die Romantiker nicht nur untereinander, sondern auch mit dem Staat, der den Klimaschutz zur Staatsdoktrin erklären und in das Grundgesetz aufnehmen will, und mit der Industrie und dem internationalen Finanzkapital.
Romantik und Gewalt
Die moderne Romantik ist weinerlich und gewalttätig zugleich. An der Spitze der Bewegung sind erschreckend viele Frauen zu finden.
Romantische Verklärung und Gewalt liegen in der Vorstellungswelt der modernen Romantiker dicht nebeneinander. Sie sei nach Rojava gegangen, sagt Elefterya Hambi, weil sie es im Hambacher Forst nicht mehr ausgehalten habe.
“Ich konnte nicht sehen, wie wir den Hambi verteidigen sollen, wenn wir nicht endlich schaffen, die Skepsis zu überwinden und jede Faser unseres Körpers auf den Widerstand zu konzentrieren, nicht wissen wie.”
Zu sehen, wie dieser Ort zerstört wird, habe sie schon letztes Jahr beinahe gebrochen. Elefterya fügt hinzu:
“Das wichtigste wisst ihr eigentlich schon: dass Widerstand, Revolution, kein Halbtags- oder gar Wochenendjob ist; dass mensch das, was sie*er tut, mit voller Hingabe tun muss, um überhaupt etwas erreichen zu können, und dass wir alleine nicht viel, in der Gemeinschaft jedoch alles erreichen können. Dass wir Utopien (und damit ist sicher nicht die von Morus gemeint) wirklich umsetzen können und dass die Revolution bereits begonnen hat. Dass wir in allem, was wir tun, unser Bestes geben sollten und dass wir uns entscheiden müssen, ob wir uns eine Hintertür freihalten wollen, weil wir nicht wirklich glauben, dass wir wirklich etwas ändern können und deshalb irgendwann ins System zurückkriechen, oder aber unser Leben dem Widerstand widmen mit allem, was dazu gehört, und diesen schwierigen, aber aufregenden, hoffnungsvollen Weg gemeinsam gehen.”
Romantik und Gewalt sind bei der Verteidigung des Hambacher Restwaldes durch die Idee des Klimaschutzes eine Symbiose eingegangen. Auf der Internetseite der Organisatoren der Waldbesetzung “hambi bleibt” heißt es:
“Damit unsere Bewegung für den Erhalt des Hambacher Forstes und für einen sofortigen Kohleausstieg effektiv ist, müssen wir aktiv im und um den Wald sein! Politische Aktionen können viele verschiedene Formen annehmen. Ob symbolisch oder direkt, legal oder illegal, friedlich oder militant, alle Aktionen tragen zur Sache bei! Die Diversität der Taktiken innerhalb unserer Bewegung macht uns stärker und gibt jeder Person die Möglichkeit, aktiv Teil zu sein, mit dem Aktionslevel, mit dem mensch sich wohlfühlt.”
Die Romantik ist der Honigtopf aller gekränkten Seelen. In die romantische Falle tappte offenbar auch Arte. Der Sender ignoriert das klare Bekenntnis der Organisatoren der Waldbesetzung zur Gewalt und vertraut dem romantischen Flair, der Antje Grothus in einer gezielten Kampagne der Klima-Allianz verliehen wurde. Seit Jahren führe Grothus mit anderen Anwohnern eine lokale Initiative gegen den weiteren Ausbau des Braunkohle-Tagebaus von RWE, sagt Arte. Sie stehe in “unmittelbarem Kontakt zu den Baumbesetzern und will dafür sorgen, dass der Widerstand friedlich bleibt.” Die kaum beweisbare, aber stillschweigend praktizierte Allianz zwischen Gewalttätern und Umweltverbänden ist kein Thema für Arte.
In einem anderen Beispiel wird Grothus, Mitarbeiterin der Klima-Allianz, auf Plakaten und in den grün orientierten Medien als Opfer der “Kohlelobby” in Szene gesetzt.
Mitarbeiter von RWE hatten auf ihrem Protestmarsch durch Buir auch vor dem Haus von Antje Grothus Halt gemacht und lautstark gegen die Lobbyistin der Windindustrie protestiert. Diese Aktion wird der Propaganda zuliebe als Bedrohung überinterpretiert. Es flogen weder Steine noch Molotow-Cocktails gegen Grothus, es wurde auch nichts beschädigt und niemand verletzt.
Das Plakat zeigt, wie sich die Beraterin der Klima-Allianz liebevoll an einen Baum anlehnt, der möglicherweise im Hambacher Forst steht. Mehr Friedensliebe geht nicht. Die Werbeagentur, die offenbar für die Klima-Allianz arbeitet, versteht sich darauf, Emotionen wirkungsvoll ins Bild zu setzen. Organisationen wie der WWF, BUND, Greenpeace und Campact verfügen über langjährige einschlägige Erfahrungen und genügend Geld, um Emotionen zu ihren Gunsten zu instrumentalisieren.
Kuscheltier und Kalaschnikow sind mehr als nur die Symbole der modernen Romantik, die in der Vorstellung, Menschen könnten durch ihr Verhalten das Klima auf 1,5 Grad Celsius genau korrigieren und es schützen, einen Höhepunkt erreicht hat. Im Grunde interessiert die Romantiker aber nicht das Klima. Sie wollen ein neues Lebensgefühl vermitteln, in dem die Gefühlswelt eine wichtige Rolle spielt.
Die Medien sind geradezu versessen auf Bilder, die die Sehnsucht nach Lebenshilfe zum Ausdruck bringen. Weinende, ängstliche Frauen und Kinder sind Teil der Klimaschutz Propaganda, wie Frauenrechtlerinnen sich das niemals hätten vorstellen können. Zur Romantik gehört eine emotionale Übertreibung, auch der Kitsch. Und was kitschig ist, kommt in Deutschland zurzeit außerordentlich gut an.
Internationalsozialistisch
Die neuen Romantiker auf den Bäumen im Hambacher Forst, ihre Organisatoren und Unterstützer, sind politisch internationalistisch und finden weltweit Gleichgesinnte. Deutschland ist ihr derzeit wichtigstes Kampfgebiet. Die Mittel zur Durchsetzung ihrer Phantasien schließen ebenso wie die ihrer nationalistischen Verwandten die Gewalt ein, nur dieses Mal nicht für, sondern gegen Deutschland.
Die Ideologie der modernen Romantiker ist nicht die der nationalsozialistischen “Herrenrasse”, sondern die des internationalsozialistischen “Klimaschutzes”.
Die Teilnahme internationaler Gruppen von Kohlegegnern an den Aktivitäten gegen RWE zeigt eine Umkehrung der Zielrichtung: Unter dem Vorwand, den Kapitalismus bekämpfen oder “Klimagerechtigkeit” herstellen zu wollen, wird Deutschland als bisher eine der erfolgreichsten Industrienationen der Welt, und wegen seiner geistigen Wehrlosigkeit als Industrieland systematisch mit Unterstützung ausländischer Unternehmen (DUH/Toyota) zerschlagen.
Sie haben die Ausbeutung zu weit getrieben
“Meine Lieben”, schreibt Elefterya Hambi in ihrem Brief, “in Europa hat die Revolution bereits begonnen. Es geht nicht mehr nur um einen Ort. Viele Leute arbeiten bereits daran. Denn überall ist der Kapitalismus an seinem Ende und nun ist es Zeit, ihm dabei behilflich zu sein. Sie haben die Ausbeutung zu weit getrieben. Von vielen Orten fliehen die Menschen nun nach Europa, anderswo kämpfen sie vor Ort.”
“Wir Anarchis haben zusammengefunden”, sagt sie und fragt: “wie viele Kampagnen, wie viele Bürgi-Initiativen, Kollektive, Anarchosyndikate, Förderationen?” Es sei Zeit, sie alle zusammenzubringen. “Zeit, die systemgewollte Isolation zu überwinden. Zeit für Zusammenhalt, Zeit, uns alle zu einer Kraft zu bündeln. Zeit, sich Unterstützung zu holen, wo immer es sinnvoll ist, sie zu holen. Zeit für den anarchistischen Förderalismus!”
Eine Revolution bedeute viel mehr als Zerstörung aus Liebe zum kreativen Wiederaufbau. “Es bedeutet auch Gruppen, Strukturen aufzubauen. Darin sind wir schon weit. In jeder Stadt, beinahe jedem Dorf gibt es bereits Strukturen! Wer hinschaut, sieht Hilfsbereitschaft, sieht Anarchismus überall reifen.”
“Ich weiss, dass ihr kämpfen werdet. Wenn ich an euch denke, habe ich keinen Zweifel, dass dieses Jahr der Widerstand zum Kampf wird. Dass es nicht mehr ausschließlich darum geht, friedlich zu warten, bis mensch abtransportiert wird. Ich habe eure Gesichter letztes Jahr gesehen. Den Ausdruck in euren Augen, als es aussah, als wäre alles vorbei. Danach war es anders. Der Ausdruck hat sich verändert im Moment, als die Bullen abzogen und wir die Secu-Road eingenommen haben. Da war etwas anderes zu sehen. Nicht mehr nur ein Funke. Es war ein Feuer. Wenn ich an diesen Ausdruck denke, weiss ich, dass, sollte ich das hier überleben, eines Tages in den Hambi zurückkommen kann und mehr als ein Loch vorfinde. Ich weiss, dass die Bäume noch stehen werden, der Mittelspecht noch singen wird, die Hainbuchen und Stieleichen und Maiglöckchen blühen werden. Der Wald wird sich Fläche zurückholen und mit den Jahren wird er sich wieder mit den von ihm getrennten Armen vereinigen.”
Welche andere Fläche soll sich der Wald zurückholen als die, die RWE durch die Auffüllung des Baggerlochs und die Renaturierung wieder herstellt? Das schwülstige, scheinbar antikapitalistische Gebrabbel kommt in der Romantik-Szene der RWE-Gegner allerdings gut an.
Mit Steinen, Zwillen und Brandbomben
Die Polizei erklärte im September 2018 den Hambacher Forst zu einem “gefährlichen Ort“. Am 22. November wurde der Restwald von der Polizei erneut als „gefährlicher Ort“ eingestuft.
Während der Räumung des Hambacher Forstes gab es aus den Reihen der “Aktivisten” Aufrufe zu Straftaten, zum Beispiel Polizeiwachen anzugreifen und Aktionen gegen den Energiekonzern RWE auszuführen. Das hat das NRW-Innenministerium auf eine SPD-Anfrage bestätigt. Der WDR, dessen Sympathien zu Kohlegegnern schon fast legendär sind, berichtet, dass Polizisten zu potentiellen Angriffszielen erklärt und Firmen unter Druck gesetzt wurden, ihre Verträge mit RWE zu kündigen. Anfang Oktober hatte es Brandanschläge auf zwei Firmen in Düsseldorf und Willich gegeben, die RWE Arbeitsgeräte für die Räumung des Hambacher Forstes vermietet hatten. In beiden Fällen ermittelt der Staatsschutz. Auch im Hambacher Forst seien mehrfach Polizisten angegriffen worden.
Von solchen Gewalttaten haben sich laut WDR Umweltverbände wie BUND und Greenpeace wiederholt distanziert und zu friedlichen Protesten aufgerufen. Die Vermischung der geplanten und von der Landesregierung NRW 2016 (SPD und Grüne) beschlossenen Rodung mit den Aufgaben der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (“Kohlekommission”) führten dazu, dass die Rodungen zu einem überregionalen Thema wurden, das auch die nicht politisch legitimierten Umweltorgnisationen auf den Plan rief und schließlich die Gewalt nach sich zog.
Auf Unterstützung des Braunkohletagebaus durch die Bundesregierung hoffte RWE-Chef Schmitz vergebens. Die langfristig angelegte Arbeit der Kommission wurde nicht klar von den kurzfristigen betrieblichen Vorgängen in Nordrhein-Westfalen getrennt. Ein von ihm geplanter gemeinsamer Aufruf gegen Gewalt sei zwei Mal vom BUND abgelehnt worden, sagt Schmitz: “Da ist für mich die Gesprächsbasis weg, wenn man sich nicht mal mehr darüber verständigen kann, dass man gegen Gewalt ist.”
Ruhe wird nicht einkehren. Es ist egal, ob der Restwald des Hambacher Forstes stehen bleibt oder gerodet wird, der Ausstieg aus der Braunkohle beschleunigt wird oder nicht, das Ziel des aggressiven, vorwärtstreibenden Teils der Anti-Kohlebewegung, der mit der kampferprobten Anti-Atomkraftbewegung verschmolzen ist, ist eine neue Gesellschaftsordnung, von der die Antifa, die Öko-Industrie, das Finanzkapital und nicht wenige Politiker träumen. Am 22. Dezember 2018 signalisierte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) auf Twitter die Bereitschaft der NRW-Landesregierung, einen schnelleren Ausstieg aus der Braunkohle ins Auge zu fassen.
Dieses Entgegenkommen wird die Gewalttäter unter den Kohlegegnern nicht besänftigen, sondern ihnen einen weiteren Auftrieb verleihen.
Keine zwei Stunden nach der Twitter-Veröffentlichung griffen am Abend des 22. Dezember 2018 rund 70 vermummte Personen zehn Mitarbeiter des RWE-Werkschutzes an. Sie bewarfen nach Angaben der Polzei und der RWE-Mitarbeiter einen Container des RWE-Werkschutzes mit Steinen, schossen mit Zwillen, schleuderten einen Molotow-Cocktail gegen sie, beschädigten Fahrzeuge und verschwanden wieder im Hambacher Restforst. Mehrere RWE-Mitarbeiter wurden verletzt, berichtet die Polizei. Die Aachener Staatsanwaltschaft leitete am 23. Dezember ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des schweren Landfriedensbruchs, der Sachbeschädigung und der Körperverletzung ein, berichtet die Aachener Zeitung.
Faina Faruz
Quellen:
https://anfdeutsch.com/aktuelles/von-rojava-an-den-hambacher-forst-6604https://de.indymedia.org/node/25601
Weber 1995, S. 69-119, 111; siehe dazu auch Sukale 2002, S. 332 ff. Weber, Max (1995): Der Sozialismus, hrg. und mit einer Einführung versehen von Herfried Münkler. Weinheim: Beltz, Athenäum.
https://www.vorwaerts.de/artikel/kampf-gegen-rechts-braucht-spd-antifa
https://www.welt.de/print/wams/article157531975/Die-Rueckkehr-der-Romantik.html
https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/aufruf-straftaten-aktivisten-hambacher-forst-100.html
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/rwe-hambach-103.html
https://www.aachener-zeitung.de/nrw-region/bergbau-experten-hambacher-forst-ist-nicht-zu-retten_aid-32183453 http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/klimakonferenz-in-katowice-finanzkonzerne-fordern-regierungen-zum-handeln-auf-a-1242765.htm
https://www.aachener-zeitung.de/nrw-region/verletzter-rwe-mitarbeiter-aus-dem-krankenhaus-entlassen_aid-35300779
Nachtrag 18.01.2019
Die Kurdenfrage – Kerem Schamberger WDR 5 Neugier genügt – Redezeit | 18.01.2019 | 26:48 Min. Als Verbündete des Westens fürchten die Kurden nach dem US-Abzug aus Syrien jede Unterstützung zu verlieren. Kerem Schamberger, Kommunikationswissenschaftler und politischer Aktivist beleuchtet die auch in Deutschland veränderte Lage der Kurden.