Nach einem Jahr Macron-Präsidentschaft sei der Optimismus in Frankreich verschwunden, meldet Le Monde. Die Zeitung stützt sich auf die kürzlich veröffentlichte aktuelle Umfrage zu “French Fractures”, die seit 2013 in Zusammenarbeit mit der Jean-Jaurès-Stiftung und Sciences Po (ViePol-Programm) jährlich durchgeführt wird. Die Studie versucht, die tiefgrDie überregional erscheinende, linksliberale französische Tageszeitung gilt neben dem Figaro als die wichtigste meinungsbildende Zeitung Frankreichs.
Vertrauen der Franzosen hat sich deutlich verschlechtert
Das erneute Vertrauen der Franzosen zu ihrer Regierung, das sich im Sommer 2017 gezeigt habe, sei nicht gänzlich verblasst, habe sich aber in vielen Bereichen deutlich verschlechtert, meint Le Monde. Die Zeitung stützt sich auf die von Ipsos Sopra-Steria durchgeführte Umfrage zu “French Fractures”, die seit 2013 in Zusammenarbeit mit der Jean-Jaurès-Stiftung und Sciences Po (ViePol-Programm) jährlich durchgeführt wird. Die Studie versucht, die tiefgreifenden Veränderungen in der öffentlichen Meinung zu bewerten. Sie befragt Franzosen über ihr Urteil über die Politik und den Stand der Demokratie, die Stellung Frankreichs in der Welt und in Europa, das Wirtschafts- und Sozialsystem oder auch über die Beziehung zwischen Religionen und Gesellschaft. Die jetzt vorliegende sechste Ausgabe wurde vom 27. Juni bis 2. Juli per Internet mit einer repräsentativen Stichprobe von 998 Personen durchgeführt.
Wachsende Anzahl von Franzosen hält rückläufige Entwicklung Frankreichs für unumkehrbar
In Frankreich glauben nur 30% (-1 Punkt zum Vorjahr ) der Befragten, dass “Frankreich nicht rückläufig ist”, 46% (-3 Punkte) meinen, dass das Land “im Rückgang begriffen ist, aber der Rückgang nicht irreversibel” sei, 24% (+4 Punkte) der Befragten betrachten die Entwicklung Frankreichs als “rückläufig und unumkehrbar”. Zwischen 2014 und 2016 lag der Anteil der Franzosen, die schätzten, dass Frankreich nicht rückläufig war, nicht über 21%.
Mehrheit der Franzosen hält Politiker für korrupt
Das Image der politischen Entscheidungsträger habe sich zwar leicht verbessert, aber das Vertrauen in das demokratische System schwindet laut Studie von Jahr zu Jahr.
Eine deutliche Mehrheit der Franzosen teile die Ansicht, dass “die meisten Männer und Frauen unter den Politikern korrupt sind“ (63%, -6 Punkte) oder dass die “Männer und Frauen unter den Politikern in erster Linie für ihre persönlichen Interessen handeln“ (82%, -1 Punkt ). Diese Zahlen seien seit 2016, als ein Rekord an Misstrauen gemessen wurde, kontinuierlich gesunken.
Dennoch verschlechtere sich das Vertrauen der Franzosen in das demokratische System ständig. Nur noch 64% glaubten jetzt, dass die “Demokratie unersetzlich ist, sie ist das beste System“, während 76% diese Meinung im Jahr 2014 waren. Die Skepsis sei in der jüngeren Generation am größten: Nur 54% der Menschen unter 35 Jahren teilten diese Meinung.
In Frankreich schwindet das Vertrauen in das demokratische System
Laut das “French Fractures” schwindet das Vertrauen der Franzosen in das demokratische System von Jahr zu Jahr. 2014 waren noch 76% der Meinung, dass die Demokratie unersetzlich und das beste System sei, 2018 glauben das nur noch 64%, am wenigsten die unter 35-Jährigen. Das Handeln der Europäischen Union wird von den Franzosen als sehr negativ wahrgenommen. Die Einstellung der Franzosen zur EU habe sich erheblich verschlechtert.
Konkret wird das Vorgehen Europas der Studie zufolge in keinem Bereich gebilligt. Laut Studie verursacht die EU eine “Enttäuschung” für 34% und eine “Ablehnung” bei 9% der Franzosen. Das Vorgehen der EU werde in keinem Bereich gebilligt. Fast jeder zweite Franzose betrachte die Entwicklung “wirtschaftspolitisch” (49% gegenüber 22% der positiven Urteile), “Beschäftigung” (48% gegenüber 14%), “Sozialpolitik” (48% gegenüber 14%) und vor allem “Migrationspolitik” (63% gegenüber 9%) als negativ. So behaupteten nun 52% der Befragten, dass die Mitgliedschaft Frankreichs in der Europäischen Union dazu neigt, “die Auswirkungen von wirtschaftlichen, diplomatischen oder Umweltkrisen auf die Franzosen zu verschlechtern”.
Keine Europhobie
Nur 52% der Befragten seien der Ansicht, dass die Mitgliedschaft Frankreichs in der Europäischen Union dazu tendiere, “die Auswirkungen von wirtschaftlichen, diplomatischen oder Umweltkrisen auf die Franzosen zu verschlechtern”. Eine Europhobie sei dennoch nur bei einer Minderheit festzustellen. Eine klare Mehrheit (58%) sei “generell positiv für das europäische Projekt, aber nicht so, wie es derzeit ist “. Zwar sei diese Zahl im Vergleich zum Vorjahr rückläufig, aber dennoch glauben 53% der Franzosen (-5 Punkte), dass die Mitgliedschaft Frankreichs in der Europäischen Union “eine gute Sache” sei, verglichen mit nur 31 %, die das für eine “schlechte Sache” hielten.
“Eurobarometer”
Auch wenn es Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Umfrage gibt, bestätigen die negativen Ergebnisse dennoch Erkenntnisse aus anderen Umfragen.
Überraschend ist eher die jüngste Eurobarometer-Umfrage des EU-Parlaments, die ein Jahr vor der Europawahl 2019 veröffentlicht wurde: “Insgesamt zeigt die Umfrage ein steigendes Interesse und eine wachsende Wertschätzung der Europäer für die EU”, behauptet das Europäische Parlament in einer Pressemitteilung vom 23.05.2018 – “Ein Jahr vor der Europawahl steigt die Stimmung für die EU und das Europäische Parlament.”
Die vollständigen Ergebnisse der Umfrage, PDF, 6.09 MB
Quellen:
- https://www.lemonde.fr/politique/article/2018/07/09/apres-un-an-de-presidence-macron-l-optimisme-s-est-dissipe_5328157_823448.html
- https://jean-jaures.org/nos-productions/fractures-francaises-2018
- http://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20180430IPR02812/eurobarometer-2018-aktuelle-umfrage-des-europaischen-parlaments
Titelfoto: PhotoMIX-Company