GEA

Ontario hat die Energiewende (GEA) abgewählt

Seit dem 7. Juni 2018 hat Ontario, Kanadas wichtigste ökonomische Provinz, eine neue, konservative  Regierung. Sie Beschloss das Ende der Energiewende. Der Sieg von Doug Ford bereitet nicht nur den kanadischen Befürwortern der Erneuerbaren Energien großes Unbehagen.

 

Die Angst vor dem Ende der Energiewende

In der eigentlich hoch angesehene Tageszeitung NZZ aus der Schweiz bezeichnet ein Kommentator das Wahlergebnis in Ontario als einen “Trump-Effekt in Kanada”. “Trumpismus auf Kanadisch”, schrieb die FAZ vor der Wahl. Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) sprach am 8. Juni 2018 von einem “Trump-Effekt”. Die Umwelt- und Klimapolitik des liberalen Regierungschef Trudeau dürften in Zukunft schwieriger werden, wird sicher richtig vermutet. Keine Drohung dürfte bei überzeugten Befürwortern der Erneuerbaren Energien eine größere Wirkung haben als der Name “Trump”. Der derzeitige US-Präsident ist für diejenigen, die an die Möglichkeit glauben, das Klima durch menschliche Eingriffe gezielt, auf 0,75 Grad Celsius in 30 Jahren genau, die Inkarnation des Bösen. Diesen Effekt machen sich leider auch Medien zunutze, die als seriös gelten. Der unerwartet deutliche Sieg Fords zeige, “dass auch Kanada nicht immun ist gegen Populismus” – und die Qualitätsmedien zeigen, dass sie ebenfalls nicht gegen den Populismus der Energiewender immun sind.

Das SRF weist darauf hin, Ford sei wie auch Trump ein Geschäftsmann ohne große politische Erfahrung. Er habe nie ein Amt bekleidet, außer als Gemeinderat. Wenn man sich beispielsweise die Erfahrung deutscher Umweltpolitiker in Fragen der Energie vor Augen führt, dürften nicht wenige Gemeinderäte über mehr Erfahrung und ein größeres Wissen über die Energieversorgung verfügen als manche Umweltminister.

Umwelt und Klimapolitik könnten für den liberalen Regierungschef Justin Trudeau in Zukunft schwieriger werden, sagte das SRF am 8. Juni. Das ist sehr vorsichtig formuliert.

 

Ontario kündigt Verträgen über Erneuerbare Energien

Der Anfang vom Ende der Energiewende ist in Ontario eingeläutet. Vor wenigen Tagen hat die  kanadische Provinz die Kündigung von Verträgen über Erneuerbare Energien angekündigt, für die noch keine wesentlichen vertraglichen Meilensteine ​​erreicht wurden. Dadurch verringert Ontario 790 Mio. USD für die Stromgestehungskosten. Die Regierung will die Ersparnis über die Strom- oder Wasserrechnungen an die Verbraucher weitergeben. Alle staatlichen Subventionsprogramme, die durch das “Cap-and-Trade” -Programm der früheren Premierministerin Kathleen Wynne finanziert wurden, wurden laut Toronto Sun abgeschafft. Die Zeitung berichtet, dass Ford einen Bericht von Auditor General Bonnie Lysyk aus dem Jahr 2016 zitierte, der zu dem Schluss kam, dass Wynnes Cap-and-Trade-Programm trotz der 8-Milliarden-Dollar-Marke von 2017 bis 2020 die Treibhausgasemissionen von Ontario nicht signifikant senken würde.

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Zu den abzuschließenden Verträgen gehören voraussichtlich fünf der neuesten Windkraftprojekte, die 2016 vergeben wurden und deren endgültige Genehmigung noch aussteht. Eines der Projekte, das “National Rise”-Projekt in North Stormont, erhielt am 4. Mai, nur wenige Tage vor den jüngsten Wahlen, eine Genehmigung für Erneuerbare Energien.

 

“Wind Concerns Ontario”

Wind Concerns Ontario, ein gemeinnütziger Verein von Einzelpersonen und Gruppen, die sich um die negativen Auswirkungen von industriellen Windkraftanlagen auf die Gesundheit, die natürliche Umwelt und die Wirtschaft kümmern, lehnt das “National Rise”-Projekt ab. Bei jedem der Projekte habe es erhebliche Umwelt- und Gesundheitsprobleme gegeben. Die Gemeinden hätten die Windkraftanlagen nicht gewollt, seien aber zu den industriellen Energieprojekten gezwungen worden. Die Kosten würden die Bürger von Ontario noch mehr belasten.

Die gesundheitlichen Auswirkungen des Lärms durch die riesigen Windkraftanlagen seien besonders besorgniserregend, sagt Wilson. Es gebe buchstäblich Tausende von Berichten über übermäßigen Windturbinenlärm in Ontario. Das Problem sei bis heute ungelöst. Das Ministerium unter der vorherigen Regierung habe nicht einmal auf Beschwerden von Familien in der größten Provinz Kandas reagiert. Die Mitarbeiter hätten zwar die negativen gesundheitlichen Auswirkungen bemerkt, aber es seien keine Maßnahmen ergriffen worden. Angesichts der vorliegenden Beweise und der ernsten Bedenken sei es eine gute Entscheidung, die bestehenden Probleme bei der Umsetzung der Windenergie in Ontario nicht zu vergrößern, sagt Jane Wilson.

 

Ontario

Die Provinz Ontario erbringt etwa 40 Prozent der Wirtschaftsleistung Kanadas. Sie ist Wohnsitz von etwa einem Drittel der kanadischen Bevölkerung. In Ontario liegt Kanadas Hauptstadt Ottawa und die Metropolregion Toronto.

Energiepolitik ist in Kanada grundsätzlich Sache der Provinzen. Deshalb lohne es sich, genauer hinzusehen, schrieb 2016 Dr. Andrea Bues*

Ontario sei als Vorläufer in Sachen Umbau des Energiesystems anzusehen, schrieb Andrea Bues 2016. Kanada hatte 2015 eine installierte Leistung von 11.205 MW, Ontario war mit einer installierten Leistung von 4.361 MW führend.  Zum Vergleich: Deutschland hatte im Dezember 2015 eine installierte Leistung von 41.651 MW.

 

Green Energy and Economy Act (GEA) – vom deutschen EEG inspiriert

Die Provinz Ontario sei erfolgreich aus der Kohle ausgestiegen und führend bei der Windenergie, sagt Andrea Bues. Maßgeblich für den Erfolg Ontarios in der Windenergie sei der 2009 beschlossene Green Energy and Economy Act (GEA), der für Nordamerika erstmalig eine Einspeisevergütung für Energie aus Wind, Solar und Biomasse einführte. Der GEA sei vom deutschen EEG inspiriert worden und habe noch bessere Möglichkeiten für Bürgerenergieprojekte realisieren wollen – was mit den Vorgängerprogrammen zur Windenergie in Ontario nicht erreicht worden war. Der GEA habe es geschafft, Ontario an die Spitze der Windenergie in Kanada zu bringen.

Bues erwähnt, dass viele deutsche Firmen in Ontario aktiv seien, von Turbinenherstellern zu Projektierern.

 

Starker lokaler Widerstand gegen Windenergie

Windkraftbefürworter behaupteten, der Green Energy and Economy Act sei eine “Erfolgsgeschichte”. Diese Behauptung hat sich als Zweckoptimismus oder als Zwecklüge herausgestellt; denn bereits 2016 gab es einen sehr starken lokalen Widerstand gegen Windenergie. Bues wies darauf hin, dass nahezu jedes Projekt  beim „Environmental Review Tribunal“, ein eigens dafür eingerichtetes Schiedsgericht, beklagt werde. Eine große Rolle spiele die Dachorganisation Wind Concerns Ontario, die um die 50 lokale aktive Gruppen  gegen Windkraft und 91 Gemeinden zähle. “Sie haben sich offiziell zum „Unwilling Host“ für Windkraftanlagen erklärt.”

Die Debatte über Windkraft war bereits 2016 in der kanadischen Provinz längst nicht mehr auf die lokale Ebene beschränkt gewesen, sondern habe den Weg auf die provinzielle Ebene gefunden, sagte Bues. Zum Beispiel sei Windkraft regelmäßig Wahlkampfthema in den Wahlen zur Landesregierung von Ontario gewesen.

Meinungsumfragen zeigten, dass die Haltung einer Partei gegenüber den Strompreisen die Stimmabgabe bei der nächsten Wahl (Juni 2018) beeinflussen würde. Der Widerstand gegen Windenergie wurde trotz dieser Hinweise von Politikern und Medien offenbar unterschätzt.

 

Hauptargument: Gesundheit

Im Unterschied zu Deutschland stellte Andrea Bues in Ontario ein Hauptargumente der Windkraftgegner fest: das Thema Gesundheit.

  • Die Gesundheit sei von besonders großer Bedeutung gewesen. Dies könne damit zusammenhängen, dass Energiethemen in Ontario grundsätzlich mit Gesundheitsfragen verknüpft seien. So sei der Kohleausstieg auch maßgeblich mit den gesundheitlichen Auswirkungen durch schlechte Luftqualität begründet worden. Die Medien hätten seit der Einführung des GEA verstärkt über Gesundheitsbedenken berichtet, “was womöglich auch zu einer größeren Aufmerksamkeit für das Thema führte.”
  • Aus Sicht der Windkraftkritiker habe der geringe Abstand von 550 m zwischen Windkraftanlagen und der nächsten Wohnbebauung eine große Rolle gespielt.
  • Ein anderes Argument, das in Ontario häufig angeführt werde, sei der Verlust der lokalen Mitbestimmungsmöglichkeit. Der GEA legte fest, dass das Genehmigungsverfahren hauptsächlich zwischen Ministerium in Toronto und der Windfirma ohne Beteiligung der Gemeinden durchgeführt wurde. Dadurch sollte einer schnellere Umsetzung der der Windenergieplanung ermöglicht werden. Den Windfirmen wurde erspart, sich mit vielen unterschiedlichen Gemeinden zu beraten.  Viele Gemeinden hätten daraufhin den Protest der lokalen Anwohnerschaft unterstützt. Das Fehlen lokaler Mitbestimmung ist aus Sicht von Bues ein Hauptgrund für die hohe Rate an Windkraftprotesten in Ontario. Ohne lokale Initiativen und Mitbestimmung werde die weitere Windkraftentwicklung in Ontario nur schwer gelingen, schrieb sie 2016. “Nur so kann vielleicht eines Tages in Ontario, in Bezug auf die Akzeptanz von Windkraft, gesagt werden: Ontario is back, genauso wie Justin Trudeau die neue Rolle Kanadas auf dem internationalen Klimaschutzparkett angekündigt hat.”

 

Die Quittung der Wähler

Die Wähler Ontarios haben am 7. Juni 2018 die Wende weg von Erneuerbaren Energien herbeigeführt. Die Progressive Conservative Party von Ontario, angeführt von Doug Ford,  gewann 76 der 124 Sitze und bildet eine Mehrheitsregierung. Die Liberale Partei von Ontario, angeführt von der amtierenden Premierministerin Kathleen Wynne, verlor und erntete das schlechteste Ergebnis in der 161-jährigen Geschichte der Partei.

Faina Faruz

 

*Dr. Andrea Bues, Sozialwissenschaftlerin mit einer ersten Ausbildung in Agrarwissenschaften (B.Sc.) und Ressourcenmanagement (M.Sc.). 2016 Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS), seit 2017 Mitarbeiterin beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU). In ihrer Doktorarbeit befasste sie sich mit Windenergiepolitik und Anti-Wind-Opposition in vergleichender Perspektive zwischen dem deutschen Bundesland Brandenburg und der kanadischen Provinz Ontario.  

Quellen:

Titelbild: jonasjovaisis

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