Beobachtungen aus dem Revier

Schon Bürgeranleihen gekauft? Totalverlust eingeplant?

“Modellcharakter für Deutschland” sollten die Bürgeranleihen haben, die am 14.06.2013 in Heide feierlich gestartet wurden. “Mit dieser neuen Beteiligungsform wird heute in Schleswig-Holstein Geschichte geschrieben“, verkündete Bundesumweltminister Peter Altmaier.

Heute, am 20.07.2013, berichtet die Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung nach Angaben der Zeitung Die Welt, dass Finanzexperten vor den Risiken einer Bürgeranleihe warnen. Fondsmanager und Analysten und Fondsmanager hätten das Papier einhellig als “nicht empfehlenswert” für Kleinsparer eingestuft. Es bestehe die Gefahr eines Totalverlustes des angelegten Geldes.

Bei der Bürgeranleihe handelt es sich um die 150 Kilometer lange 380kV-Westküstenleitung zwischen Brunsbüttel und Niebüll an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste, die der niederländische Netzbetreiber Tennet bis 2018 baut und die künftig Windenergie aus dem Norden in den Süden transportieren soll. In der Planungsphase soll die Anleihe mit 3 Prozent und mit Beginn der Bauphase mit 5 Prozent verzinst werden. Einwohner von Schleswig-Holstein sollten am Ausbau des Stromnetzes mitverdienen, versprach die Politik.

Der Haken

Die betroffenen Bürger, Bewohner und Grundstückseigentümer aus den Landkreisen Nord-Friesland und Dithmarschen, durch deren Region die Leitung führen wird, beteiligen sich mit der Anleihe nicht am Stromnetz, es handelt sich also nicht um eine direkte Unternehmensbeteiligung, sondern zeichnen eine Hybridanleihe der niederländischen Holding des Netzbetreibers Tennet. Diese wird im Insolvenzfall «nachrangig bedient».

Anleihen sind ab mindestens 1000 Euro möglich. Besitzer von Hybridanleihen damit rechnen, ihr Kapital komplett zu verlieren, weil vorrangige Gläubiger zunächst bedient werden. Außerdem sind Hybridanleihen börsennotiert und können Kursschwankungen unterliegen. Auch der Zinssatz könne leichten Schwankungen unterliegen, erklärte die Tennet-Sprecherin. Zudem hat das herausgebende Unternehmen das Recht, die Anleihe zurückzukaufen. Tennet will freiwillig zehn Jahre lang auf den Rückkauf von Anleihen verzichten. Nach 20 Jahren werde Tennet aber höchstwahrscheinlich die Anleihen zum Ausgabewert zurückerwerben, sagte die Unternehmenssprecherin.

Insgesamt geht es bei der Bürgeranleihe um etwa 31,5 Millionen Euro, 15 Prozent der Investitionen für die Leitung.

Auf das Risiko wird selten hingewiesen. Mit der sogenannten Bürgeranleihe könne der Netzausbau “zu einem echten Gemeinschaftsprojekt” werden, erklärte Ministerpräsident Albig. Die staatliche Norddeutsche Landesbank habe in einer Analyse geschrieben, die “Anleihekondititonen sind aus heutiger Sicht fair” (zitiert aus: Die Spoekenkiekerei).

Die Anwohner in Nord-Friesland und Dithmarschen sind frühzeitig eingebunden worden – ein vorbildlicher Bürgerdialog, könnte man meinen. Für die sh:z.de blieb trotzdem ein Beigeschmack, denn während der exakte Trassenverlauf noch nicht einmal feststehe und Menschen in einigen Regionen noch um das Landschaftsbild vor ihrer Haustür bangen müssten, dürften Renditehungrige schon frohlocken. “Das passt nicht zusammen.”

Bündnis 90/Die Grünen

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen forderte von der Bundesregierung, “konkrete Vorschläge für ein Anleihen-Modell zu entwickeln und umzusetzen, mit dem sich Bürgerinnen und Bürger finanziell zu festen Zinssätzen am Bau neuer Stromleitungen beteiligen können.” (Drucksache 17/12518, 27.02.2013).  Sie sehen in der “finanziellen Beteiligungsmöglichkeit von BürgerInnen einen wesentlichen Baustein – für die Akzeptanz und auch Finanzierung – im Rahmen der Energiewende.” Ohne wenn und aber.
 
Die nächste Blase wird grün“, heißt es im Blog Die Spoekenkiekerei. Er riet bereits zweit Tage nach dem Start dringend von den Bürgeranleihen ab:
“Denn die hier angebotene nicht besicherte Nachranganleihe mit unendlicher Laufzeit (!) eignet sich grundsätzlich nicht für Privatanleger, sondern ist ein hochriskantes Engagement, dessen Verkauf an nicht institutionelle Investoren verboten gehört. Das Risiko von Kursverlusten ist hoch. Hinzu kommt: Der Baubeginn der Leitung kann sich verzögern, so dass längere Zeit nur die niedrigen Zinsen anfallen. TenneT kann die Zinszahlungen außerdem nach Belieben aussetzen. Nachranganleihe bedeutet, dass die Gläubiger (Besitzer dieser Papiere) gegenüber anderen TenneT-Gläubigern im Nachteil sind, das heißt, im Zweifel erst dann was bekommen, wenn alle anderen Ansprüche bedient sind. Meistens sehen Nachranggläubiger gar kein Geld, Auch wenn es sich bei TenneT um ein Unternehmen in niederländischem Staatsbesitz handelt, so ist doch allgemein bekannt, dass das Unternehmen gerade in Deutschland finanzielle Probleme bei seinen Investitionen hat.”
Diese Warnung sucht man in der grünen Politik vergebens.
Es ist offensichtlich, dass sich im Norden ein finanzielles Fiasko anbahnt. Die Schuld am Desaster wird bereits hin und her geschoben. Zeit online berichtet zur Überschrift “Grüne Geschäfte”,  jährlich könnten sich laut Tennet die Kosten für die nicht genutzten Stromtrassen auf eine Milliarde Euro summieren. (Zeit online)

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