aschenbrödel

Die Realität der Elektromobilität: Streetscooter

Von der Lichtgestalt zum Aschenbrödel?

Die grünlinke Kampagne gegen den Diesel hat einen entscheidenden Dreh- und Angelpunkt: Die mit geradezu biblischem Eifer ständig wiederholte Mär vom unmittelbar anstehenden Durchbruch der Elektrofahrzeuge als Alternative für die Mobilität des Bürgers. Leise, emissionsarm und autonom fahrend soll man sie mit dem Handy anfordern können, damit sie danach lautlos zum nächsten Bedürftigen weitergleiten. Unsere Kanzlerin orakelte bereits, dass man in absehbarer Zukunft nicht mehr selbst würde fahren dürfen. Zu den Heiligengestalten dieses künftigen Paradieses erkoren die Medien den von der Post an der Automobilindustrie vorbei entwickelten Paketwagen „Streetscooter“, von dem aktuell bereits ca. 5.000 im Einsatz sein dürften. Was sagt der Faktencheck?

Bild 1. Der von einer Tochtergesellschaft der Post gebaute Streetscooter wird auch an andere Abnehmer ausgeliefert. Hier ein Streetscooter Work als Kastenwagen der Städteregion Aachen. (Foto: ACBahn, Wikipedia)

Mit Schlagworten wie „Clever E-Mobility for Work“ oder „Unsere Antwort für eine saubere Zukunft“ bewirbt die Post-Tochter Streetscooter GmbH ihre Lösungen für den Paketauslieferdienst, einen batteriebetriebenen Lieferwagen für die Post, der auch an andere Lieferdienste verkauft wird.

Auf seiner Webseite präsentiert sich das Unternehmen als Problemlöser für die zunehmende Umweltverschmutzung und Lärmbelästigung insbesondere in den urbanen Zentren. Auch gehe es um einen schonenderen Umgang mit den Ressourcen auf unserem Planeten. Man sehe sich in der Verantwortung, bereits heute Lösungen bereitzustellen, um die Zukunft für nachfolgende Generationen zu sichern. Soweit die schönen Worte.

Häme für die Autobranche

Zeitgleich mit der Vorstellung begann eine intensive Pressekampagne, in der die Medien die Neuentwicklung in den Himmel lobten. Man überschlug sich geradezu mit Lobeshymnen. Während dessen warf man den Automobilherstellern vor, die Post ignoriert zu haben, bis diese clevererweise mithilfe externer Partner eine eigene Lösung entwickelt und selbst zum Hersteller geworden sei. In den Kommentarspalten wurde geradezu kübelweise Häme und Spott über die „unfähigen“ Automanager ausgegossen. Sie seien „zu dumm und zu gierig“, um die Zeichen der Zeit zu erkennen. Fachleute beurteilten insbesondere die geringe Batteriekapazität der neuen Fahrzeuge skeptisch. Sie warnten vor Reichweitenproblemen insbesondere im Winter warnten, wurden von „Dinosaurier“-Rufen übertönt. Inzwischen sind rund 5.000 dieser Fahrzeuge im Einsatz. Und der Winter ist da.

Erste Berichte über ernste Probleme

Schon vor einigen Monaten gab es in der Presse gelegentlich Hinweise auf Probleme und Beschwerden. Sie wurden jedoch in den Foren sofort als „Einzelmeinungen“ einiger unzufriedener Quertreiber abgetan. Auch ein Brand, bei dem gleich drei der Fahrzeuge im Depot abfackelten, wurde als Randerscheinung abgetan. Mit den zunehmend sinkenden Temperaturen scheinen sich jetzt jedoch die Schwierigkeiten derart zu häufen, dass man die Sache anscheinend nicht mehr unter dem Deckel halten kann. Auszugsweise werden hierzu Erkenntnisse einer Recherche der Zeitschrift „Welt“ vorgestellt [WELT].

Hunde

Dem Bericht zufolge bleiben inzwischen immer mehr Fahrzeuge auf der Strecke liegen oder müssen vorzeitig zurück, weil die Reichweite aufgrund der beschränkten Batteriekapazitäten auf 70 km gesunken sei. Ein Grund hierfür sei der zunehmende Bedarf an elektrischem Strom für die Fahrzeugheizung. Dies stelle die Mitarbeiter vor das Dilemma, dass sie sich zwischen ausreichender Beheizung oder ausreichender Reichweite entscheiden müssten.

Die „Welt“-Journalisten sagen aus, dass eigene Recherchen in mehreren Bundesländern belegten, dass es tatsächlich zu solchen Stillständen mitten auf der Strecke komme. In einem Fall ist die Rede von einer „unglaublichen psychischen Belastung“, weil sich die Beschäftigten mit dem Fahrzeug nicht mehr auf die Straße trauten. In Süddeutschland berichteten Betriebsräte von technischen Mängeln der Heizung sowie von einer viel zu geringen Reichweite sowie von Ausfällen, die im zweistelligen Prozentbereich lägen. Weiterhin ist die Rede von Angst vor Unfällen wegen der Leichtbauweise sowie von mehreren Fällen wo die Motorhaube während der Fahrt aufgesprungen sei.

Bei der Frage der Beheizung der Kabine geht es übrigens nicht allein um die Bequemlichkeit des Fahrers. Wie jeder Autofahrer aus Erfahrung weiß, ist im Winter eine gute Heizung erforderlich, um die Scheibe durchgehend frei von Beschlag zu halten, welcher die Sicht beeinträchtigen könnte. Unfallgegner, welche in der kalten Jahreszeit mit einem Streetscooter aneinandergeraten, sei demnach empfohlen, unmittelbar nach dem Ereignis einen kritischen Blick auf die Front- und Seitenscheiben des Unfallgegners zu werfen und Sichtbeeinträchtigungen sofort mit dem Handy zu dokumentieren.

Probleme größer als zugegeben?

Aufgrund der Tatsache, dass sich die Post beim Start des Projekts PR-mäßig ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt hat, scheint man dort seitens des Managements offensichtlich zu versuchen, diese Probleme nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Dem Bericht in der „Welt“ zufolge gebe es aus Sicht der Mitarbeiter keine angemessene Reaktion aus dem Konzern. Beschwerden im Zusammenhang mit den alltäglichen Problemen würden mit dem Hinweis, es müsse sich um Bedienungsfehler handeln, abgebügelt. Trotz mehrfacher Hinweise auf notwendige Nacharbeiten am Fahrzeug gebe es kein Vorankommen der Entwicklung. Und interne Papiere zu Verbesserungsvorschlägen seien Verschlusssache.

Maulkorb für Mitarbeiter

Besonders nachdenklich stimmt die Tatsache, dass Mitarbeiter, welche Mängel öffentlich bekannt machten, arbeitsrechtliche Schritte bis hin zu einer Abmahnung riskierten. In unserer freien und offenen Gesellschaft kann man letzteres als Eingeständnis dafür werten, dass an der Sache etwas dran ist. Die Post versucht mit rabiaten Mitteln, den tatsächlichen Umfang der Probleme zu verschleiern.

Fachleute gehen angesichts der geschilderten Sachlage davon aus, dass es in den nächsten Jahren zu noch massiveren Schwierigkeiten kommen dürfte. Einerseits unterliegen die im Streetscooter verbauten Batterien Alterungsprozessen, welche ihre Kapazität in den nächsten Jahren immer weiter nach unten drücken wird.

Andererseits ist der Winter bisher noch vergleichsweise mild mit nur geringen Frosttemperaturen verlaufen. Sollten in einigen Jahren schwächer gewordene Batterien mit strengen Frösten auch tagsüber zusammentreffen, so könnte es durchaus zum Debakel kommen. Und dann dürften die hohen Herren von der Post in Erklärungsnöte geraten. Nicht zuletzt auch angesichts der Tatsache, dass in das Projekt knapp 10 Mio. € an öffentlichen Geldern aus dem Bundesumweltministerium geflossen sind.

Fred F. Mueller

Quelle:
[WELT] https://www.welt.de/wirtschaft/article171801021/Deutsche-Post-Winterprobleme-mit-dem-Streetscooter.html#Comments


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