Behauptung
“Jeder kennt das: ein betagtes Elektrogerät gibt den Geist auf, ein altes Haus bekommt Risse und der Putz bröckelt. Atomkraftwerken geht es da nicht anders. Die werden zwar regelmäßig gewartet, sind aber auch ganz anderen Belastungen ausgesetzt und ungleich komplexer als ein MP3-Player. Isolierungen von Elektrokabeln werden spröde, Rohrleitungen erodieren, mechanische Teile verschleißen und Schmiermittel verharzen. Solcherlei Alterungsprozesse haben schon zu diversen Störfällen in Atomkraftwerken geführt. Wie etwa der Transformatorbrand im AKW Krümmel 2007. Neben den Alterungsprozessen sind die Meiler auch nicht mehr auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik. Dies betrifft vor allem die Sicherheitstechnik, wie Brandschutz und Notstromversorgung.” (Bündnis 90/Die Grünen, 20 Fakten über Atomkraft)
Erwiderung
Zu suggerieren, kleinere Schäden wie Risse und Lecks in Atomkraftwerken würden zu katastrophalen Konsequenzen für die Umgebung führen, ist unverantwortlich. Es gibt redundante Mehrfachabsicherung sowie passiv wirkende Sicherheitsbarrieren, die effektiv verhindern, dass nennenswerte Strahlenbelastungen nach außen treten. Eine Gefahr für die Bevölkerung besteht dadurch noch lange nicht. Das Alter einer Anlage hat nicht unbedingt etwas mit der Sicherheit zu tun. Solange die Gebäudestruktur intakt ist, ist das Gebäude sicher. Das Innenleben hingegen kann man beliebig austauschen.
Der Aufwand der Nachrüstung und Wartung bestimmt letztendlich die Häufigkeit von derartigen Ausfällen, wie bei allen technischen Industrieanlagen. In der Statistik des Bundesamtes für Strahlenschutz weisen ältere KKWs 2009 und 2010 keine signifikant höhere Rate an meldepflichtigen Ereignissen auf als neuere. Dass sie insgesamt mehr Vorfälle gemeldet haben ist nicht verwunderlich, denn es gibt sie ja länger.
Die Sicherheitsanforderungen werden zuerst formuliert, dann entscheidet man, mit welchem Aufwand die Anlage diese Forderungen noch erfüllen kann. Bei Kernkraftwerken sind hier die passiv wirkenden Barrieren (Beton-/Stahlhüllen, Filter und Brennelementehüllen) besonders wichtig, welche aber meist nicht modernisiert werden müssen. Die sehr strengen KTA-Regeln beschreiben detailliert alle Anforderungen an Bauteile und Verfahren.
Fazit
Der Vergleich eines Atomkraftwerks mit einem Elektrogerät dient nicht der Anschaulichkeit, sondern verfolgt einen anderen, durchsichtigen Zweck. Gegenstände aus dem Alltag werden an dieser Stelle nicht ins Spiel gebracht, um die Komplexität eines Atomkraftwerks zu veranschaulichen, sondern um dem Leser die natürlichen Hemmungen zu nehmen, sich über ein Atomkraftwerk so zu unterhalten wie über seinen Haarfön, dessen Funktionsweise der Leser wegen fehlenden technischen Wissens zwar auch nicht erklären kann, den er aber oft genug in der Hand gehalten hat, um mitreden zu können. Diese Alltagserfahrung wird kurzerhand auf ein Kernkraftwerk übertragen, wie man dies auf allen Foren beobachten kann. Das ist grotesk, aber seit Jahrzehnten von den Grünen so gewollt, und der Plan scheint bei vielen Menschen aufzugehen.
Einem Atomkraftwerk geht es sehr wohl anders als einem modernen Haarfön, dessen Verfallszeit kalkuliert wird. Die Haltbarkeit eines Produkts ist heute weniger davon abhängig, was technisch möglich ist, sondern von bewusst eingebauten Fehlerstellen zur Steigerung des Konsums oder auch durch die Folgen von Sparmaßnahmen. Ein sorgfältig gebautes und gewartetes technisches Produkt hat eine lange Lebensdauer und kann ohne Hast und Sorge durch ein neues, technisch weiter entwickeltes Produkt ersetzt werden.
Auszüge aus:
- Bündnis 90/Die Grünen, 20 Fakten über Atomkraft, #2
- Hundert gute Antworten, #21 Altersrisiko und #24: Steinzeittechnik
Quellen:
- Internetseite des Kerntechnischen Ausschusses
- KTA: Reaktordruckbehälter Teil 4: Wiederkehrende Prüfungen, Fassung 1991
- Ausführlicher Bericht der Nuclear Regulatory Commission (NRC, USA) über den Korrosionsriss am Reaktordruckbehälterdeckel des Kernkraftwerks Davis-Besse (Ohio).
- Vergleich der wirtschaftlichen Effizienz von Energietechnologien über den Erntefaktor.
Literatur: