Harvey Wasserman ist seit über 30 Jahren ein Stratege der Antiatomkraft-Bewegung in den USA. Er hat sie organisiert und medial vertreten. Und er ist ein energischer Verfechter der Erneuerbaren Energien. Die besten Voraussetzungen also, um sich als Senior Berater von Greenpeace USA zu empfehlen.
Greenpeace ist nicht mehr, was es mal war
Einst flogen Greenpeace die Herzen zu, wenn die Organisation durch spektakuläre Aktionen auf Missstände aufmerksam machte. Im Internet ergeht es den Machern jedoch zurzeit ganz anders.
Angefangen hat der Eklat mit einem Beitrag bei netzfrauen.org. “Der gefährlichste Moment in der Geschichte der Menschheit: Bei der Sicherung der Brennelemente im Lagerbecken der Einheit 4 in Fukushima geht es um unser aller Überleben!” lautete am 25. September der reißerische Titel. Er strotzte vor Übertreibungen:
- “Nur noch zwei Monate trennen uns von der größten Gefahr für die Menschheit seit der Krise um die Raketen auf Kuba.”
- “Die Spezies Mensch muss all ihre Fähigkeiten mobilisieren, um die eingelagerten abgebrannten Brennelemente der Einheit 4 in Fukushima zu sichern.”
- “Teufelsgebräu”
- “Eine neue Kernschmelze in der Einheit 4 würde einen Jahrhunderte andauernden tödlichen Strom von Radioaktivität über die ganze Erde ausgießen.”
- “Es geht nicht mehr um Raketentechnik oder um hitzige Debatten über Kernkraftwerke, sondern um das Überleben der Menschheit.”
- “Es bleiben uns noch höchstens zwei Monate zum Handeln.”
- “Die Uhr tickt. Die Zeiger zeigen 5 Minuten vor zwölf; die atomare Katastrophe, die unsere Welt vernichten würde, ist bedrohlich nahe gerückt.”
Danach folgt unweigerlich ein Aufruf zur Petition. Der “Netzfrau” Fee Striefler, die für den Beitrag zuständig ist, ließ sich bei der Übersetzung weder durch den beschwörerischen Sprachstil des Beitrags noch durch inhaltliche Fehler abschrecken. Damit hat sich die Nuklearia AG auseinandergesetzt.
Medien ignorieren ihre Sorgfaltspflicht
Auch die Deutschen Wirtschafts Nachrichten fanden den Netzfrauen-Beitrag gut. Offenbar so gut, dass sie ihn abdruckten, ohne zuvor die Netzfrauen zu fragen, was ihnen wiederum bitterböse Vorwürfe wegen Textklaus einbrachten.
Inzwischen findet man diesen peinlichen Beitrag auf vielen Facebookseiten wieder, bei klimaschutz-netz ebenso wie bei engagierten Privatleuten. Die meisten Kommentare zeigen jedoch, dass sich die Freunde des Alarmismus keinen großen Gefallen damit getan haben: “Halbwahrheiten”, völlig übertrieben und reinste Panikmache”, “Mich wundert auch, daß es wohl nur auf diesen beiden Seiten so geschrieben wird”, “kein Grund, Panik zu verbreiten”, “Formulierungen wie “Nukleare Katastrophe droht” und “Die größte Krise der Menschheit” sind unnötig sensationalistisch”, “… finde ich auch, dass man Eilmeldungen nicht teilen sollt, solange sie nicht sorgfältig recherchiert sind”, “ich wäre auch beinahe auf diesen Artikel reingefallen. Deshalb darf konstruktive Kritik ruhig sein. Niemand ist unfehlbar, auch wir Moderatoren nicht”, “STOPPT die Verbreitung von UNSINN: Solche Panikmache schadet unserer Sache”, “Etwas seriösere Quellen bitte, sonst ist das Ganze kontraproduktiv”.
Der Verfasser des Originalbeitrags ist Harvey Wasserman, den Netzfrau Striefler als Chefredakteur der “Columbus Free Press” und der “Free Press“ vorstellt, der auch die Website “Nuke Free” betreibe. Aber Wasserman, Jahrgang 1945, ist mehr als das. Er hat einen Hochschulabschluss in amerikanischer Geschichte und ist ein Verfechter der Erneuerbaren Energien. Als Stratege hat er über 30 Jahre die Antiatomkraft-Bewegung in den USA organisiert und sie medial vertreten. Er ist außerdem Senior Berater von Greenpeace USA. Gegenwärtig arbeitet Wasserman für die Förderung von Windkraft oder anderen Erneuerbaren in der Hand von Bauern oder Gemeinschaften. Ahnung von Kernphysik habe er offenbar nicht, kritisieren ihn Fachleute. Aber das ist das schließlich das gemeinsame Merkmal des idologisch geführten Kampfes gegen die Realität und die Kernenergie. Gemeinsam verteigen die Atomkraftgegner das imaginäre weiße Kaninchen Harvey gegen die feindselige Realität.
Titelfoto: werner22brigitte
“Mein Freund Harvey” ist ein Filmklassiker von Henry Koster, mit James Stewart und Josephine Hull, aus dem Jahr 1950. James Stewart muss in dem Klassiker seinen imaginären Freund, ein riesiges unsichtbares Kaninchen, gegen die Anfeindung der angeblichen Realität verteidigen.
“Mein Freund Harvey, ‘Pidax Film’, FSK ohne Altersbeschränkung, DVD-Video, Regie: Wolfgang Spier Mit Harald Juhnke, Elisabeth Wiedemann, Ilja Richter AL!VE Ag Januar 2013 Bestellen: Storchmann-Büchershop, 12,95 Euro
“Mein Freund Harvey” – Jahr100Film – Blu-ray DVD-Video, Untertitel Schnitt: Ralph Dawson Regie: John Beck Mit James Stewart, Josephine Hull, Peggy Dow Universal Pictures September 2012 – Blu Ray Bestellen: Storchmann-Büchershop, 14,99 Euro
Ein Gedanke zu “Mein Freund Harvey”
Der Tagesanzeiger aus der Schweiz beschäftigt sich erfreulicher Weise kritisch mit Greenpeace.
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Sie-nennen-sich-OekoKrieger/story/30036542
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Das-Bussenregister-der-GreenpeaceAktivisten/story/27825985