Kind

Was muss ein Kind tun, damit es den Mächtigen ins Gewissen reden darf?

Es ist ganz einfach …

Es ist ganz einfach: Taschengeld zusammenkratzen, Tickets kaufen, tausende von Kilometern irgendwie zurücklegen, zur Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung gehen und dort den Politikern ins Gewissen reden. Mit dieser story schildert GEO die Geschichte eines Mädchens, deren Bild 1992 um die Welt ging.

War es wirklich so einfach?

War es wirklich so einfach, dass die zwölfjährige Severn Cullis-Suzuki aus einer kindlichen Gemütslage heraus und allein aus Willensstärke bis zur UN vordringen konnte? Immerhin trafen sich 1992 in Rio de Janeiro 130 Staatsoberhäupter und 17.000 Delegierte zum 24. UN-Klimagipfel. Die Frage nach dem sozialen Umfeld des Kindes zerstört den Mythos von einer autonomen Entscheidungen kindlicher Klimaschützer.

Der „Erdgipfel“ in Rio sei das größte diplomatische Ereignis des 20. Jahrhunderts gewesen und gelte als Meilenstein für die Umwelt- und Entwicklungspolitik, meint die Frankfurter Rundschau. Die Rede der 12-jährigen Severn Cullis-Suzuki aus Kanada sei “ein persönlicher, provokanter, mutiger Appell” gewesen. Ist jemand mutig, auch wenn er nichts zu verlieren hat?

Das Mädchen habe die 130 Staatsoberhäupter und 17.000 Delegierten sprachlos gemacht, behauptet die Frankfurter Rundschau. Videos zeigen allerdings nur wenige besetzte Stühle. Von 17.000 Delegierten keine Spur, die laut Frankfurter Rundschau aufgestanden sind und applaudierten. Eine ähnliche Story erzählten die Medien über die 15-jährige Greta Thunberg, die anlässlich der 24. UN-Klimakonferenz in Katowice 2018 den 42.000 Teilnehmern ins Gewissen redete – vor leeren Stühlen.

Der spätere US-Vizepräsidenten und Umweltschützer Al Gore soll laut Frankfurter Rundschau gesagt haben, Cullis-Suzuki habe die beste Rede der Konferenz gehalten, berichtet das Blatt und fährt fort: “Cullis-Suzuki macht Schlagzeilen als „das Mädchen, das die Welt zum Schweigen brachte“.

Orwell

Was stimmt? Was stimmt nicht? Heute wissen wir, dass “leistungsstarkes Storytelling” und “Social Media Networking-Techniken” zum Schulungsprogramm Al Gores für angehende Führer (Leader) gehören. Und nach dem Fall Relotius wissen wir auch, dass viele Journalisten liefern, was verlangt wird und ins Weltbild passt. Was sollen wir glauben?

Mit harten Bandagen

Fast drei Jahrzehnte nach Severn Cullis-Suzuki Auftritt in Rio de Janeiro machte am 23. September 2019 ein anderes Mädchen durch ihre Rede vor dem UN-Klimagipfel in New York City von sich reden. Der medial wirksame Auftritt der inzwischen weltbekannten 16-jährigen Schwedin Greta Thunberg stieß außer auf den Jubel bei Greta-Anhängern auch auf viel Kritik. “Beim UN-Klimagipfel in New York holte Greta Thunberg die harten Bandagen heraus”, hieß es zum Beispiel in der Rheinischen Post.

Dieser dreiminütige Videovergleich der Auftritte von Severn Cullis-Suzuki und Greta Thunberg lässt nicht nur Parallelen, die auf eine übereinstimmende Regie hindeuten, sondern auch einen wichtigen Unterschied beider Auftritte erkennen. Er zeigt: Die Aggression der Klima-Alarmisten ist in den 27 Jahren seit dem “Erdgipfel” gewachsen. Greta ist nicht nur Greta, sondern auch ein Spiegelbild der Klimaschutzbewegung.

https://youtu.be/TJICmLMb06Y

Rede von Severn Cullis-Suzuki, 13.06.1992, Rede von Greta Thunberg, 23.09.2019.

Dass Erwachsene Kinder an die (Klima-)Front schicken, ist nicht neu. Die UN schmückt sich gerne mit ihnen. Als 9-jähriger hatte zum Beispiel Felix Finkbeiner 2007 die Schülerinitiative Plant-for-the-Planet gegründet. Mit 13 Jahren hielt er eine Rede vor den Vereinten Nationen. Die Plant-for-the-Planet Foundation wird in Deutschland von Frithjof Finkbeiner repräsentiert, Vater von Felix Finkbeiner. Frithjof Finkbeiner ist Mitbegründer des German Marshall Plan und Vizepräsident des Club of Rome in Deutschland. Al Gore zählt zu seinen berühmten Mitgliedern.

Der Klima-Kinderkreuzzug begann 1992

Der Klima-Kinderkreuzzug, der 2019 einen vorläufigen Höhepunkt erlebt, begann 1992 mit der zwöljährigen Severn Cullis-Suzuki in Rio de Janeiro. Die Weichen für ihren Auftritt waren jedoch bereits vor 1992 gestellt.

Severn Cullis-Suzuki wurde 1979 in Vancouver, British Columbia, geboren und wuchs dort auf. Ihre Mutter, Tara Elizabeth Cullis, war Schriftstellerin. Ihr Vater David Suzuki, Professor für Genetik an der University of British Columbia. Seit den 1970er Jahren war Suzuki Moderator von Wissenschaftsmagazinen in Radio und Fernsehen. Im Geburtsjahr seiner Tochter übernahm David Suzuki 1979 das von der CBC ausgestrahlte populäre Magazin The Nature of Things.

Als Severn drei Jahre alt war, wurde Vater Suzuki 1982 Direktor der Canadian Civil Liberties Association (‘Kanadische Bürgerrechtsvereinigung’) und veröffentlichte zahlreiche Bücher zum Thema Wissenschaft und Umwelt. 1988 machte die neunjährige Tochter durch die Mit-Gründung der Environmental Children’s Organization (ECO) auf sich aufmerksam. Die Gruppe von Freunden hatte sich zum Ziel gesetzt, andere Kinder über Umweltprobleme zu informieren und zu unterrichten.

1990, zwei Jahre vor dem Marsch seiner Tochter auf Rio de Janeiro, gründete Vater David gemeinsam mit seiner Ehefrau Elisabeth die David Suzuki Foundation. Ihre Themen waren Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Erneuerbare Energien. Die Stiftung appellierte an die Bürger, mit einfachen Änderungen an ihrem Lebensstil zum Umweltschutz und zur Verbesserung ihrer Lebensqualität beizutragen.

In einem Interview mit der Welt sagte Severn Cullis-Suzuki 2019, ihre Eltern hätten zwar einen Einfluss auf ihr Umweltbewusstsein gehabt, seien aber nicht die treibende Kraft hinter Ihrer Rede gewesen. “Sie hatten definitiv nichts damit zu tun, dass ich mit Freunden erst einen Umweltklub gegründet habe und dann begann, Aktionen zu starten und Reden zu halten. Wir wollten nach Rio und haben angefangen, Geld für die Flüge zu sammeln. Ich war ein willensstarkes Kind, und sie hätten mich davon nicht abbringen können.”

Ein Supermädchen? Wohl kaum. Der Auftritt vor dem Weltklimagipfel war organisiert, denn nach ihrer Rede in Rio de Janeiro reiste Severn Cullis-Suzuki weiter zu Konferenzen, trat in TV-Shows auf, gründete einen Umwelt-Thinktank und beriet die UN. Wer waren die Organisatoren?

David Suzuki war im Jahr 1992, als seine Tochter zum Weltklimagipfel nach Rio de Janeiro flog, kein Unbekannter und seine Tochter kein schlichtes Mädchen aus dem Volk.

David Suzuki kann auf eine erfolgreiche Unternehmensgeschichte zurückblicken, seine Tochter Severn ist Vorstandsmitglied der David Suzuki Foundation.

Das Vertriebssystem “Klimaschutz” erhält neuen Schwung

Den neuen Schwung erhielt der auf lange Sicht geplante Wechsel der Macht zu Gunsten einer Elite, die aus Vertretern der Elite des öko-industriellen Komplexes besteht, durch eine mit enormen Finanzmitteln unterstützte Kampagne, die in einigen Ländern der Welt zum freitäglichen Schulboykott führte und “Fridays for Future” genannt wurde. Ausgelöst wurde die Schülerbewegung durch ein Foto der 15-jährigen Schwedin Greta Thunberg, die vor dem schwedischen Parlamentsgebäude stumm demonstrierte.

Für David Suzuki ist die junge Schwedin die Fortsetzung seiner Arbeit, die mit dem Auftritt seiner Tochter Severn vor fast 30 Jahren begann.

David Suzuki sagt (Video): “Hört auf die Wissenschaft. Hört auf die Wissenschaft. Hört nicht auf all diese Ökonomen und Organisationen. Hört, was die Wissenschaftler sagen. Greta ist die richtige Person zur richtigen Zeit.”

Der erfolgreiche Geschäftsmann hätte statt dessen sagen können: “Folgt dem Leader Al Gore”. Von ihm, dem Multimillionär, hatte sich David Suzuki 2008 ausbilden lassen.

Der Autor und Journalist Thilo Wydra beschrieb 2001 in der “Welt” Rainer Matsutanis “Faust und Mephisto” ein Dilemma, das auch dogmatische Klimaschützer betrifft:

“Es geht hier auch um die Sucht der einfachen Leute nach Glamour, das hat sich inzwischen bis ins Perverse hinein verselbständigt. Und: Der Kapitalismus kapitalisiert dabei den Menschen. Philosophie neben Glamour, tradierte Werte neben dem kapitalistischen Verkauf des eigenen Ich. Ein faustisches Sujet, eine bunte Mischung – das vordergründig Schrille vor dem hintergründig Tragischen.”

Einer der ersten Förderer von Greta Thunberg war Ingmar Rentzhog. Er hatte 2004 ein Finanzmarkt-Kommunikationsbüro gegründet und jahrelang geleitet. Rentzhog ist Mitglied des “Climate Reality Project” des ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore.

„Greta hat Recht mit ihrer Wut“, sagt Cullis-Suzuki im Interview mit „Geo“. „Sie erhebt Anschuldigungen, fordert von uns, endlich aufzuwachen, aufzustehen und erwachsen zu werden. Ich bin stolz auf sie.“

Was muss ein Kind also tun, damit es den Mächtigen ins Gewissen reden darf? Gar nichts. Es muss nur zur richtigen Zeit in die richtige Familie hineingeboren werden, den Rest erledigen Andere.

Faina Faruz

Foto: ThePixelman, pixabay

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