In seinem neuesten Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit stuft das Weltwirtschaftsforum den deutschen Arbeitsmarkt nur auf Platz 64 von 142 Ländern ein – weit abgeschlagen hinter Gambia, Kasachstan oder der Mongolei. “Wie kommt es zu so einer absurden Einstufung durch eine Organisation, die jährlich die wichtigsten Wirtschaftsführer und Staatschefs der Welt in Davos versammelt”, fragt der Wissenschaftler Gerhard Bosch, geschäftsführender Direktor des Instituts Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen. (Gerhard Bosch, “Beim Heuern und Feuern behindert”, Frankfurter Rundschau, 28.01.2012)
Bosch wirft der Organisation ein antidemokratisches Weltbild vor:
“Grundrechte, wie die Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation zur Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie, gelten als Wettbewerbshindernis. Sichtbar wird das Leitbild einer Wirtschaft, in der man Arbeitsbedingungen ohne lästige Hindernisse festlegen kann und keine Steuern zahlen muss. Außerdem möchte man ohne Kündigungskosten seine Zelte in einem Land jederzeit abbrechen können. Das entspricht allenfalls den Interessen der heimatlosen Großkonzerne, die das Weltwirtschaftsforum finanzieren, nicht aber den Interessen von Staaten und ortsgebundener Unternehmen.”
Bosch sieht im Unterschied zum Weltwirtschaftsforums “die stabile Sozialpartnerschaft und gut ausgebildete Beschäftigte” als Erfolgsfaktoren der deutschen Wirtschaft”. Die neuere Forschung belege, dass man hohe Leistung nur im Austausch für gute Arbeitsbedingungen und soziale Sicherheit bekomme. Die interne Flexibilität deutscher Unternehmen durch flexible Arbeitszeiten und Innovationsbereitschaft eingearbeiteter Belegschaften hält er für die Unternehmen die bessere Alternative zum Heuern und Feuern. “Die deutsche Politik wäre also schlecht beraten, sich an diesem Wettbewerbsbericht zu orientieren.”
Die Indikatoren des Weltwirtschaftsforums zum Arbeitsmarkt könne man nicht ignorieren, sagt Bosch. Obgleich die Marktgläubigkeit überall gescheitert sei, würden Länder, die Kredite benötigen, wie jetzt Griechenland, Spanien oder Portugal, gezwungen, nach den Prüflisten des Weltwirtschaftsforums ihre Arbeitsmärkte zu deregulieren. “Langfristig verschärft das nur ihre Probleme und die Folgen der Krise werden auf die sozial Schwächeren abgewälzt.”
Quellen:
- Gerhard Bosch, “Beim Heuern und Feuern behindert”, Frankfurter Rundschau, 28.01.2012
- “Die Davos Diktatur”, www.mmnews, 28.01.2012
Siehe auch:
“Ein Netzwerk von 147 Unternehmen beherrscht die Weltwirtschaft”. Die Deutsche Bank gehört zu den Spitzenreitern.