Ursula Sladek, die Gründerin der Elektrizitätswerken Schönau (EWS), wird mit dem höchst dotierten Umweltpreis in Europa, dem Deutschen Umweltpreis, ausgezeichnet. Dies teilten die EWS Schönau am 09.08.2013 in einer Presseerklärung mit. Aus einer Bürgerinitiative in Schönau gründete sie 1986 den ersten Ökostromanbieter Deutschlands.
Was wollen die Elektrizitätswerke Schönau (ESW)?
Das Hauptziel der Arbeit bei den Elektrizitätswerken Schönau sei es, so Ursula Sladek in der Presseerklärung, „einen Umbau der Energiewirtschaft herbeizuführen: weg von zentralistischen Strukturen und hin zu dezentralen Strukturen.” Dagegen lässt sich nichts einwenden. Die EWS arbeiten in Deutschland eng mit anderen Genossenschaften, Kommunen und Bürgerinitiativen vor Ort zusammen. Dieses Engagement wollen sie auch in Zukunft weiterführen und verstärken. Bis hierhin ist EWS ein prima Geschäftsmodell.
Die Vision einer dezentralen und umweltfreundlichen Energieversorgung geht allerdings über das eigene Geschäftsmodell hinaus; die EWS erwarten von der Politik die “konsequente Umsetzung der Energiewende”. Die “Abkehr von der einseitigen Unterstützung zentraler Konzernstrukturen” ist für Sladek und Kollegen die Grundlage für eine “verlässliche Planungs- und Investitionssicherheit für eine zukunftsfähige Energiewirtschaft”.
Das Geschäftsmodell der EWS wird um eine entscheidende Variante erweitert: Es zielt auf gesamtgesellschaftliche Veränderungen. Dafür ist dieses Geschäftsmodell jedoch untauglich. Ein lokal funktionierendes Experiment vermengt wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschung mit einem politischen Anspruch, der sich nicht allein auf Schönau, sondern auf Deutschland insgesamt bezieht. Dies hätte zur Folge, dass die auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Forschungsergebnisse der Physik sich im Zweifelsfall der Politik beugen müssten, denn andernfalls wäre “eine verlässliche Planungs- und Investitionssicherheit für eine zukunftsfähige Energiewirtschaft”, die Sladek anstrebt, gar nicht zu garantieren.
Die Fibel
Wie weit politischer Ehrgeiz vorgedrungen ist, zeigt sich beim Lesen der Fibel “100 gute Gründe gegen Atomkraft“, die von den EWS zusammengestellt wurden. Dieses Sammelsurium pseudowissenschaftlicher Argumente wird von zahlreichen scheinbar unabhängigen Umweltschutzorganisationen, Parteien und Verbänden unkritisch übernommen und mit großem PR-Aufwand und Budget ganz oder teilweise als Flyer oder Broschüren verteilt. Belege werden in fortgeschrittenem Zustand gar nicht mehr genannt, so dass allein die Propaganda gegen die Kernenergie übrig bleibt. Eine Überprüfung des Wahrheitsgehalts erneuerbarer Energien ist dagegen kaum möglich, da viel experimentiert wird und die wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Experimente oft nicht ausreichen. Bündnis90/Die Grünen haben die Argumente der EWS auf insgesamt zwanzig “Fakten” zusammengefasst und ohne Belegangaben auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Sie schämen sich nicht, diesen Abklatsch als “Fakten” zu bezeichnen und empfehlen sie “zum Weitervebreiten”.
Das populäre, außerordentlich breite Trittbrett gegen die Kernenergie wurde den Grünen und anderen Verbänden von den EWS geliefert. Unzufriedene, grundsätzliche ängstliche und daher leicht manipulierbare, naturwissenschaftlich wenig gebildetete Menschen, Politiker und Selbstdarsteller nutzen die “100 gute Gründe gegen Atomkraft” als Fundgrube für Zitate und als Katechismus. Der Verein Kritikalität hat ihnen “100 gute Argumente” entgegen gesetzt.
EWS – Ein Modell gegen “übermächtige Groß-Energieversorgungsunternehmen”?
Das EWS-Modell ist nicht unsympathisch, es funktioniert und kann auch für andere Kommunen als Modell dienen, aber es taugt nicht für alle und erst recht nicht für eine Umwälzung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse. Der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde, würdigte die Preisträgerin als “gesellschaftliches Vorbild”, weil sie bewiesen habe, “dass man sich gemeinsam auch gegen eigentlich übermächtige Groß-Energieversorgungsunternehmen durchsetzen und einen ökologischen Wandel bewirken kann”. Deren Repräsentanten ist es allerdings gleichgültig, womit sie ihr Geld verdienen, gerne auch mit Windkraftanlagen, Solarpaneelen, Kohlekraftwerken und Palmöl. In einem Interview mit der Welt sagte 2011 der damalige RWE-Chef Großmann: “Ich möchte nicht auf den Ewiggestrigen reduziert werden, der Atomkraft als Allheilmittel predigt. Atomkraft macht doch bei RWE schon heute nur rund zehn Prozent des Unternehmenswertes und 20 Prozent der Stromerzeugung aus. Wir versuchen doch mit aller Macht, das Unternehmen auf erneuerbare Energien zu trimmen.”
Wer spielt also wem etwas vor? Der CO2-Ausstoß ist nach der Energiewende so hoch wie nie zuvor, Regenwälder werden abgeholzt, Menschen verjagt, Tiere getötet, Monokulturen verbreiten sich – alles für den Erfolg und im Namen der Energiewende? Oder für einen neuen öko-industriellen Komplex mit unveränderten und ein paar neuen, genossenschaftlich organisierten Spielteilnehmern?
Der Umweltpreis
Für das Geschäftsmodell der EWS gibt es den höchstdotierten Umweltpreis Europas: 250.000 Euro. Es ist nicht weiter ärgerlich, dass sich die Profiteure der erneuerbaren Energie gegenseitig belohnen. Nicht zuletzt erhält auch der Bundespräsident Gauck die Gelegenheit, Teil dieser wunderbaren Gemeinschaft Gleichgesinnter zu werden, die ein gemeinsames Geschäftsmodell eint, wenn er den Umweltpreis am 27. Oktober übergibt. Der Bundesumweltmister Peter Altmaier ist Schirmherr der GreenTec Awards. Auch ihm ist im Rahmen von Leuten aus dem Showbusiness große Aufmerksamkeit gewiss. Ärgerlich ist, dass naturwissenschaftliches Wissen vom Showbusiness verdrängt wird. Zur Durchsetzung politischer Ziele ist eine große Zahl von Internet-Plattformen entstanden, auf denen die Unwissenheit, die sich als Sorge um das Wohlergehen der Menschheit präsentiert, auf geradezu rührende Weise gepflegt wird. Was hat der Umweltpreis mit der Umwelt zu tun? Nichts! Es geht nicht um die Umwelt, sondern um ein erfolgreiches Geschäftsmodell, das vielleicht der Umwelt nutzt, aber erstrangig um ein”außergewöhnliches Beispiel für das Gelingen der Energiewende vor Ort”, wie es der Generalsekretär der DBU formulierte.
Frau Sladek und der Präsident Obama
2011 erhielt Ursula Sladek in den USA den “Goldman Environmental Prize”. Sie wurde mit den übrigen Preisträgern in Washington von Präsident Obama im Oval Office des Weißen Hauses empfangen. Dabei übergab sie ihm stolz die englische Version der “100 guten Gründe gegen Atomkraft”.
“Unsere Initiative ‘100 gute Gründe gegen Atomkraft’ liegt inzwischen in acht Sprachen vor. Prominentester Leser der englischsprachigen Ausgabe ist wohl Barack Obama, dem ich die Info-Fibel im April 2011 persönlich überreichen durfte.”, sagt Ursula Sladek.
Die Übertreibung, Herr Obama sei Leser der Fibel, ist durchaus typisch für die Selbstüberschätzung, die sich im Umfeld der EWS aufgebaut hat. Obama wird dieses Werk vermutlich nicht gelesen und es vielleicht fachmännisch entsorgt haben. Jedenfalls schert er sich nicht um die “guten” Ratschläge aus Deutschland, wohl wissend, dass daran die Welt nicht genesen wird:
Die Zukunft der Kerntechnik
Für 2016 – kurz vor dem Ende seiner Amtszeit – kündigte Obama einen Atom-Gipfel an. “Wir werden einen internationalen Rahmen schaffen für die friedliche Nutzung der Kernkraft und um die Ambitionen Nordkoreas und Irans bezüglich der Kernkraft in Grenzen zu halten”.
Wie weit sich die deutschen Umweltschützer in ihrer Ablehnung der Kernenergie aus der seriösen internationalen Diskussion verabschiedet haben, zeigt sich beispielsweise bei einem Vergleich mit dem Standpunkt von Michael Shellenberger & Ted Nordhaus.
“In the last few years, prominent leaders from civil society have spoken out for nuclear energy to combat climate change. Barack Obama, Bill Gates, Richard Branson, Al Franken, Paul Allen, James Hansen, Lisa Murkowski, and Jeffrey Sachs (picture above, left to right) all understand nuclear energy is needed to deal with global warming. At the same time, nuclear will need to become much cheaper in order to replace fossil fuels. Breakthrough Institute has analyzed the factors for reducing costs, and made policy recommendations in a new report, “How to Make Nuclear Cheap.” Though the United States has long been the global leader, China, India and South Korea are racing forward into developing advanced nuclear. As support for advanced nuclear as a climate solution grows, green leaders will have a hard time claiming that global warming demands continued subsidies for wind and solar but not modest investments in nuclear innovation.” (http://thebreakthrough.org)