Die Meinungsfreiheit wird von den Grünen auf der Straße verteidigt, obwohl sie dafür wegen ihrer Dominanz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) genügend Möglichkeiten hätten. Es geht um mehr. Die Grünen und diejenigen, die sich den Grünen ideologisch angeschlossen haben, sehen ihre Deutungshoheit gefährdet, die sie bisher aus einer durch Pflichtbeiträge abgesicherten Position praktizieren konnten.
Gehaltserhöhung beim WDR
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) NRW berichtete am 17.12.2019 über seine erfolgreiche Verhandlung beim WDR-Tarifabschluss. Für Festangestellte und freie Mitarbeiter beläuft sich die Steigerung bis zum 31.03.2022 insgesamt auf 6,75 Prozent. Außerdem erhalten beide Gruppen Einmalzahlungen bis April 2021 von insgesamt 1900 Euro.
Die Hauptfinanzierungsquelle des WDR ist der Rundfunkbeitrag. Die Erträge aus Beiträgen betrugen 2018 laut WDR Geschäftsbericht mehr als 1,1 Milliarden Euro (81,1 Prozent der Gesamterträge).
Parteipräferenz von Politikjournalisten
Die Statistik zeigt eine Umfrage zur Parteipräferenz von Politikjournalisten in Deutschland. 26,9 Prozent der Befragten gaben an, dass sie den Grünen am nächsten stehen. 15,5 Prozent der Befragten benannten die SPD als die Partei, die ihnen am nächsten steht. Die Umfrage fand 2009 statt, sie wurde von Statista 2019 veröffentlicht. Dass sich die Aufteilung zu Ungunsten der Grünen oder der SPD in den letzten Jahren verändert hat, ist möglich, aber eher unwahrscheinlich. Die Zahlen dürften ähnlich für den WDR gelten.
Zum Thema: https://www.nzz.ch/international/das-herz-des-deutschen-journalisten-schlaegt-links-ld.1434890
Der Erfolg der Grünen im ÖRR ist gefährdet
Der Ärger über einseitige Berichterstattung insbesondere der beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wächst seit Jahren. Einen Höhepunkt erreichte er am 27.12.2019 im Zusammenhang mit dem WDR-Kinderchor, in dem im Sinne der Propaganda für den Klimaschutz Omas als “Umweltsäue” diffamiert wurden.
Angeheizt unter anderem durch den freien Mitarbeiter des WDR, Danny Holleck, bildeten sich politische Fronten heraus. Holleck twitterte am 28.12.2019:
Danny Holleck beleidigte mit seinem Tweet nicht nur die älteren Kritiker des “Oma-Liedes” als “Nazisau”, sondern alle Kritiker, die es satt haben, von irgendwelchen dummdreisten Journalisten als “Rechte” oder als “Nazis” beschimpft zu werden. Dass in dieser Atmosphäre auch das Gedankengut von Faschisten gedeiht, ist unter anderem auch dem reaktionären Journalismus vermeintlich linker Journalisten im ÖRR zuzuschreiben.
Kundgebung am 4. Januar
Die Kundgebung der Grünen richtet sich am 4. Januar gegen eine Demonstration von Kritikern des WDR, die bei dem Sender die Vielfalt von gesellschaftlich relevanten Meinungen vermissen und sich nicht beschimpfen oder ignorieren lassen wollen. Sie werden pauschal schon weit vor der Demonstration als “Rechte” diffamiert. In dem Aufruf der Grünen heißt es: “Für Samstag planen rechte Gruppierungen erneut eine Demonstration vor dem Funkhaus des @WDR in Köln. Anlass ist das im WDR gesendete satirische Lied mit der Zeile „Meine Oma ist ’ne alte #Umweltsau“.
Im Zusammenhang mit der Kundgebung soll eine Diskussion zum Umgang mit Satire und Pressefreiheit stattfinden – ohne Kritiker. “Dass rechte Gruppierungen diese Auseinandersetzung für sich instrumentalisieren, verurteilen wir allerdings aufs Schärfste”, sagen die Grünen. In einem ihrer Tweets heißt es:
“Sie fahren einen Frontalangriff gegen den öffentlich rechtlichen Rundfunk und den WDR. Dem gilt es entschieden entgegenzutreten. Unsere Solidarität gilt den bedrohten Mitarbeiter*innen des WDR, welche wir von Tom Buhrow und ArminLaschet erwartet hätten.
Über den Umgang mit demokratischen Debatten haben die Grünen ein sehr eigenes Verständnis, das Hubert Kleinert, der ehemalige Landesvorsitzende der Grünen in Hessen, in einem Artikel im Spiegel 2008 treffend beschrieb. Er warf der Partei “inquisitorische Posen über die politische Kultur” vor. “Wie in einer Gemeinschaft der Rechtgläubigen wird vormodern Abweichung moralisch stigmatisiert.” Damals ging es um “die gesinnungsmäßige Auf- und Überladung des Atomthemas”. Heute geht es um den Klimawandel.
Die Grünen verteidigen die Deutungshoheit, die sie sich in vielen Institutionen und über viele Jahre zäh erkämpft haben, auch in den Medien und besonders in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.
Die grünen Musketiere
Nach dem Eklat, der auf das Oma-Lied folgte, bezeichneten links-grüne Journalisten im Nachhinein das Lied des Kinderchors eiligst als “Satire”.
Weil der WDR-Intendant Thomas Buhrow das Oma-Lied aus der Mediathek entfernen ließ, beschuldigen ihn die aufgebrachten links-grünen Parteianhänger, vor den “Rechten” eingenickt zu sein.
Links-grüne Journalisten kämpfen jetzt einen doppelten Kampf: Beitragszahler wollen keine Rundfunkbeiträge mehr bezahlen (“Zwangsabgabe”). Dadurch wären nicht nur ihre Gehälter gefährdet, sondern auch die grüne Deutungshoheit des politischen Geschehens.
Die Partei und Fraktion von Bündnis90/Die Grünen Köln ruft, alarmiert von diesen Vorgängen, im Namen aller Journalisten dazu auf, sich an den Gegenkundgebungen am Samstag, den 04.01.2020 in Köln zu beteiligen, um sich “mit den Mitarbeiter*innen des WDR zu solidarisieren.” Aus welchem Grund sollten sich nicht-links-grüne Journalisten an einer Demonstration beteiligen, die ihnen im Grunde die eigene Meinung verwehrt?
Instrumentalisierung ist gut, wenn sie den Grünen dient. In diesem Sinne heißt die grüne Musketier-Devise: “Einer für alle, alle für einen”.
Deutscher Journalisten-Verband (djv)
Der Deutsche Journalisten-Verband e.V., Gewerkschaft, Interessenvertretung und Berufsverband für Journalistinnen und Journalisten, ruft alle Journalisten zur “Demo für Meinungsfreiheit und für Kolleg*innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks” auf.
Kein aufmerksamer Beobachter wird sich darüber wundern, dass der Deutsche Journalistenverband den bedrängten Grünen im Namen der Meinungsfreiheit zu Hilfe eilt. Gerade erst hat er Gehaltserhöhungen für seine Gewerkschaftsmitglieder durchgesetzt, für die das Geld der “Rechten” nicht schmutzig genug ist.
Starker, unabhängiger Rundfunk
Nicht der “starke, unabhängige Rundfunk” ist durch die Kritik am Oma-Lied und durch die Entfernung des Beitrags aus der Mediathek (was aus Gründen der Dokumentation nicht hätte sein müssen) gefährdet, sondern die politische Deutungshoheit einer privilegierten Schicht links-grüner Journalisten. Stark und unabhängig ist ein Rundfunk erst, wenn ihm die Informationspflicht über unterschiedliche Meinungen wichtiger ist als die eigene Deutungshoheit.
Martialischer als beim djv hört sich der Aufruf von verdi an. Die Debatte über Meinungsfreiheit wird schlicht umfunktioniert zu einem politischen Bekenntnis, zu “Klarer Kante gegen Rechts”. Als “Rechts” gilt alles, was nicht “Links” ist.
Wer gegen “Hass und Hetze” ist, aber der Diffamierung von WDR-Hörern durch einen von Erwachsenen gesteuerten Kinderchor als “Umweltsau” und der Bezeichnung “Nazisau” zustimmt, treibt Propaganda im Stile einer Zeit, von der man hoffte, sie sei überwunden.
Beitragsservice
Titelfoto: Turmfalke, “WDR”, pixabay
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