Islands schmelzende Gletscher sind kein Grund, um in Panik zu geraten, sagt Islands früherer Premierminister David Gunnlaugsson in einem Beitrag im Spectator. Trotz der Dokumentationen, in denen Reporter mit Tränen in den Augen gefährlich nahe an schmelzenden Gletschern stünden, sei es Tatsache, dass einige Gletscher schmelzen, während andere wachsen. Und das sei für die gesamte Geschichte so gewesen.
“Nein, ich bin kein “Leugner” des Klimawandels”, sagt Gunnlaugsson. Er geht davon aus, dass steigende Kohlendioxidwerte Auswirkungen auf den Planeten haben. Aber er sieht keinen Grund, die Errungenschaften der modernen Zivilisation zu opfern, um den Planeten zu retten. Island zeige, dass dies Unsinn ist. “Unser Klima ändert sich, aber die Menschen passen sich an. Anstatt Angst zu machen, sollten wir diese Situation auf wissenschaftlicher und rationaler Basis angehen.”
Island lebt mit Eis und Feuer
Die Anpassung gelingt den Isländern, seitdem ihre Vorfahren die Insel vor etwas mehr als 1.000 Jahren besiedelt haben. Island liegt in einer seismisch aktiven Zone, weshalb es zu leichteren Erdbeben, aber zu intensiveren vulkanischen Aktivitäten kommen kann. Der dramatische Ausbruch des Vulkans am Gletscher Eyjafjallajökull 2010 und dessen Aschewolken legten über Wochen den internationalen Flugverkehr lahm und machten gleichzeitig die Nordatlantikinsel weit über die Grenzen Skandinaviens hinaus bekannt. Islands Popularität hat dazu geführt, dass sich die Zahl der Touristen auf Island in nur acht Jahren fast verfünffacht hat. Die Natur macht Touristen neugierig und Isländer nicht ängstlich, sie passen sich an.
“So beunruhigend ein kalbender Gletscher auch sein mag, ein solches Phänomen ist keineswegs ungewöhnlich”, sagt Gunnlaugsson. Gletscher bewegen sich. Gletscher schütten Eis an ihren Rändern ab, während sich Eis näher an der Mitte aufbaut. “Es ist ein Spektakel, das wir in Island seit der Ankunft der ersten Siedler im 9. Jahrhundert erlebt haben.”
Islands Gletscher
Die Medien berichteten am 23.07.2019, dass Ok der erste Gletscher auf Island sei, der diesen Status verliert. In den kommenden 200 Jahren dürften ihm alle unsere Gletscher folgen, das Eis werde verschwinden, sagen einige Wissenschaftler. Sie erwarten, dass in den kommenden 200 Jahren dem Schicksal des Ok-Gletschers alle isländischen Gletscher folgen werden.
“Was ist mit dem Ok-Gletscher, um dessen Untergang im Sommer öffentlich getrauert wurde?”, fragt Gunnlaugsson. Ok sei ein relativ kleiner Berggipfelgletscher gewesen, der seit Jahrzehnten zurückgegangen war. Bereits vor einem halben Jahrhundert sei er praktisch verschwunden gewesen. Im Jahr 1901 hatte er eine Größe von 38 km²; 1978 waren es nur drei Quadratkilometer. Für einen Gletscher, der erst 700 Jahre alt war, mag das immer noch ein trauriges Schicksal sein, sagt Gunnlaugsson, wendet aber ein, dass einige der Gletscher Islands heute erheblich größer sind als vor über tausend Jahren. “Islands Gletscher erreichten um 1890 ihren Höhepunkt. Als sich die Gletscher ausbreiteten und die ehemals grünen Wiesen und Felder verwüsteten, waren die Menschen, die ihre Häuser verloren hatten, kaum traurig darüber, dass sich dieser Trend eines Tages umkehren könnte.”
Isländern gelingt die Anpassung an die Natur
Isländer machen sich selbstverständlich Gedanken über das sich ändernde Klima. Gunnlaugsson sagt, er habe in seiner Kindheit in Reykjavik oft Winter erlebt, in denen es schwierig war, sich durch den Schnee zu graben, um aus den Häusern herauszukommen. “Jetzt können wir ganze Winter durchfahren, in der Hauptstadt fällt kaum Schnee.”
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Aber Gunnlaugsson erinnert seine Leser auch daran, dass frühere Jahrzehnte viel wärmer waren als die 1970er und 1980er Jahre, in denen er aufwuchs. “Wir Isländer haben schwere Veränderungen in unserer natürlichen Umwelt erlebt. Island ist ein Land mit bemerkenswerten natürlichen Veränderungen, und wir mussten uns an diese Tatsache anpassen.” Aus dem mittelalterlichen Siedlungsbuch von Ari dem Weisen wüssten die Isländer, dass Island bei seiner ersten Besiedlung von Wäldern bedeckt war, die vom Berg bis zur Küste reichten, sagt Gunnlaugsson. “Dies war lange bevor Island als ein Land ohne Bäume bekannt wurde (was zu einem alten Witz führte: Was machst du, wenn du dich in einem isländischen Wald verirrst? Antwort: Du stehst auf).”
An anderer Stelle zeigten die isländischen Sagen, wie sich die Isländer an die sich ständig ändernden Kräfte der Natur anpassen und ihre Gesellschaften auf den wesentlichen gesunden Menschenverstand anstatt auf Aberglauben oder Angst gründeten.
Im Unterschied zu “einigen leidenschaftlichen Umweltorganisationen”, die von der “Angst vor Verdammnis oder der Notwendigkeit” sprechen, reagieren Isländer rational. Gunnlaugsson sagt: “Wir sind uns bewusst, dass der Mensch die Naturkräfte respektieren muss, aber die Geschichte hat uns auch die Kraft des menschlichen Einfallsreichtums und unsere Überlebensfähigkeit gezeigt.”
Es gibt keinen Grund für Panik
Die Natur verändere sich immer, zum Guten oder Schlechten. Uralte Überzeugungen, dass Naturkatastrophen das Ergebnis menschlicher Sünden seien, hielten der Geschichte nicht stand. “Das bedeutet nicht, dass wir die Natur nicht respektieren und versuchen sollten, unsere Umwelt zu schützen, und wir müssen mehr tun, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen”, sagt Gunnlaugsson.
In der Arktis gab es letzten Monat weniger Eisbedeckung als im Oktober, seit die Satellitenaufzeichnungen vor 41 Jahren begannen. Gunnlaugsson betont aber, dass es wichtig sei, nicht zu überreagieren oder auf Gruselgeschichten hereinzufallen. “Was auch immer manche sagen mögen, wir sollten nicht in Panik geraten, wenn Island schmilzt.”
Der Ausbruch des Eyjafjallajökull sei eine endlose Folge von Naturereignissen, die die Geschichte seines Landes geprägt haben. “Islands schmelzende Gletscher sind nicht anders.”
Jens Krüger
Titelfoto: Veronicatxoxo, pixabay