Abschied von der Versorgungssicherheit. Deutschlands Stromversorgung ist nicht mehr zu retten.

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Mit einem Paukenschlag läutete der Energiekonzern E.ON das Ende der konventionellen Energieversorgung in Deutschland ein: Das Unternehmen will sich aufspalten und seine unprofitablen Aktivitäten – gemeint ist der gesamte Bereich konventioneller Energieversorgung mit Kohle, Gas und Kernkraft – sozusagen in eine Art „Bad Bank“ auslagern. Diesen Sektor wird E.ON in Zukunft wohl nur noch abwickeln, neue Investitionen sind nicht zu erwarten. Im „guten“ Teil des Konzerns werden dagegen die Aktivitäten im Sektor der sogenannten „erneuerbaren“ Energien – also Wind- und Sonnenenergie sowie Wasserkraft – sowie Netze und Dienstleistungen zusammengefasst. Diesen Sektor betrachtet das Unternehmen als Wachstumsmarkt, auf den man sich künftig konzentrieren wird.

Diese frohe Kunde konnte ein sichtlich erfreuter ARD-„Energieexperte“ Jürgen Döschner, WDR-Fernsehjournalist und Eurosolar-Preisträger, schon im Frühstücksfernsehen am Morgen des ersten Dezembers Millionen von Fernsehzuschauern verkünden. Nach jahrzehntelangem Dauerbeschuss durch Medien, Politik und zahllose „Umwelt“-Organisationen von Greenpeace bis zum BUND hat der größte deutsche Energieversorger die weiße Flagge gehisst. Seinem Beispiel werden die anderen drei „großen“ der Branche wohl in nicht allzu ferner Zukunft ebenfalls folgen. Im Lager der grünsozialistischen Kohle- und Kernkraftgegner werden in nächster Zeit wohl die Champagnerkorken knallen. Doch das ist etwas verfrüht, denn in Wirklichkeit ist Deutschland mit diesem Ereignis dabei, sich aus dem Kreis der modernen Industrienationen zu verabschieden.

Alles andere als eine Spontanentscheidung

An dem jetzt bekannt gegebenen Entschluss sind zwei Dinge bemerkenswert: Der Zeitpunkt und die Tatsache, dass es sich nicht um eine Entscheidung des Vorstands, sondern des Aufsichtsrats handelt. Der Zeitpunkt ist deshalb von Belang, weil er genau drei Tage vor einer entscheidenden Kabinettssitzung stattfand, auf der grundsätzliche Beschlüsse zur Energie- und Klimapolitik der nächsten Jahre gefällt werden sollen. Dazu gehören insbesondere Vorgaben an die Stromkonzerne zur weitergehenden Verringerung ihres CO2-Ausstoßes. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hatte die Energiewirtschaft dazu erst vor wenigen Tagen ins Gebet genommen und gefordert, dass sie ihre CO2-Emissionen bis 2020 um rund 22 Mio. Tonnen zurückfährt. Die Tatsache, dass man bei E.ON jetzt den Kabinettsbeschluss erst gar nicht abgewartet hat zeigt, dass man nicht mehr glaubt, auf die Entscheidungen der Politik noch Einfluss nehmen zu können.

Der zweite wesentliche Aspekt des Beschlusses ist der, dass er vom Aufsichtsrat gefasst wurde. Im Unterschied zum Vorstand befasst sich der Aufsichtsrat eines Unternehmens nicht mit dem Tagesgeschäft. Seine vorrangige Aufgabe ist die Kontrolle des Vorstands. Darüber hinaus hat er auch Beratungsfunktion, d.h. er beeinflusst die langfristige strategische Ausrichtung des Unternehmens. Die jetzige Entscheidung ist daher sicher über einen längeren Zeitraum gereift und zeigt, dass sich das Unternehmen dauerhaft auf den jetzigen Kurs festgelegt hat. Man hat die Hoffnung auf eine Rückkehr der Energiepolitik zu früheren Verhältnissen offensichtlich endgültig aufgegeben.

Gründe für den Rückzug

Für jeden, der die deutsche Energiepolitik der letzten Jahrzehnte beobachtet hat, sind die Gründe für den jetzt vollzogenen Ausstieg aus der konventionellen Energieerzeugung leicht nachvollziehbar. Die Politik setzt flächendeckend auf die sogenannte „Energiewende“. Man hat dafür gesorgt, dass ungeheure Summen in den Aufbau gigantischer Kapazitäten für die Stromerzeugung aus Solar-, Windenergie- und Biogasanlagen gesteckt wurden und subventioniert diese mit 20jährigen Abnahmegarantien zu überhöhten Preisen. Inzwischen sind in Deutschland rund 82.000 MW entsprechender Erzeugungskapazität am Netz: Solar 38.750 MW, Wind 35.600 MW und Biomasse 8.100 MW. Bei entsprechender Wetterlage überschwemmen diese den Markt mit subventioniertem Strom, so dass die Börsenpreise seit Jahren kontinuierlich fallen und inzwischen die Rentabilitätsgrenze fast aller konventionellen Kraftwerkstypen unterschritten haben.

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Doch obwohl die Kraftwerksbetreiber beispielsweise in Süddeutschland mittlerweile 3.680 MW an konventioneller Kraftwerkskapazität zur Stilllegung angemeldet haben, verweigert die Politik ihnen bei rund 72 % das Abschalten, weil diese Kapazitäten dann benötigt werden, wenn Sonne und Wind mal wieder schmollen. Die Kernkraftwerke sind zum Tode verurteilt, und die Kosten für Abbau und Endlagerung werden durch ständig neue Manöver wie die Abkehr von Gorleben als Endlager und dem Neustart des ganzen Prozesses der Endlagersuche nach oben getrieben. Damit sind Stilllegungskosten für die Konzerne zu einem nicht mehr kalkulierbaren Risiko geworden. Vorschläge der Energieerzeuger zu einer Anpassung der Marktmechanismen hin zu einem Kapazitätsmechanismus, bei dem die Bereithaltung von Kraftwerksleistung für den Ausgleich zu geringer EE-Stromproduktion honoriert werden sollte, wurden von der Bundesregierung abgebügelt. Zudem haben die vier „großen“ Kraftwerksbetreiber schon vor Jahren ihre Lobbyorganisation verloren, weil im BDEW inzwischen Stadtwerke, deren Politik von grünroten kommunalen Verwaltungen diktiert wird, das Sagen haben.

Konsequenzen

Mit dem Abschied der Energiekonzerne ist Deutschlands Energiepolitik am Ende. Man hat einen Punkt überschritten, der in der Fliegersprache „Punkt ohne Wiederkehr heißt“, weil der verbliebene Kraftstoff nicht mehr reicht, um wieder an Land zu kommen.

Innerhalb weniger Jahre dürfte die konventionelle Energieerzeugung in Deutschland vollends zusammenbrechen. Nur die „großen Vier“ verfügten bisher über die Kapazitäten zur konventionellen Stromerzeugung, die das Netz stabilisieren können, wenn es zu Störungen oder zum Einbruch der EE-Erzeugung bei Dunkelheit und Windstille kommt. Und im Unterschied zu Solarkönigen und Windbaronen haben sie eine gesetzlich verankerte Versorgungspflicht. Der jetzt verkündete Rückzug bedeutet im Prinzip nichts anderes als die Verabschiedung aus dieser Verpflichtung zur Sicherung einer kontinuierlichen und bezahlbaren Stromerzeugung. Die deutsche Energiewendepolitik ist damit definitiv und unwiderruflich in der Sackgasse gelandet. Auf der einen Seite wird man den sinnlosen weiteren Ausbau der „Erneuerbaren“ nicht stoppen können, weil die entsprechenden Lobbies in allen Gruppierungen und Schichten sowie in den Medien einfach zu starke Positionen innehaben. So haben die Grünen, obwohl sie im Bundestage in der Opposition stehen, im Bundesrat zusammen mit ihren Komplizen aus der SPD eine komfortable Sperrminorität.

Auf der anderen Seite können die konventionellen Stromerzeuger nicht mehr. Sie können mit den vorhandenen Kraftwerken ihre Kosten nicht mehr hereinholen, während die Politik sich ungerührt immer noch neue Zusatzbelastungen und Folterinstrumente ausdenkt. Es wird keine neuen Investitionen in konventionelle Kraftwerke mehr geben, und man wird die Stilllegung der vorhandenen Kapazitäten forcieren, indem man sie „auf Verschleiß“ fährt. Ein kaputtgejuckeltes Kraftwerk steht eben still, da kann auch die Bundesnetzagentur soviel verbieten, wie sie will. Notfalls gehen die „Bad Kraftwerke“ dann eben pleite. Ein geordnetes Umschwenken ist nicht mehr möglich, da die Politik keinerlei Anzeichen für eine Einsicht zeigt. Alle politischen Parteien von CDU bis Linke sind gleichermaßen in die Sache verstrickt und kämen nicht mehr ohne Gesichtsverlust heraus. Dass auch die Öffentlichkeit und die Finanzwirtschaft diese Zusammenhänge nicht erkennen können oder werden zeigt sich daran, dass die E.ON-Aktie nach der Ankündigung um mehr als 4,5 % nach oben geschossen ist, und das an einem schwachen Börsentag. Gute Nacht, Deutschland…

Fred F. Mueller

Fred F. Mueller ist freier Autor und veröffentlicht seine Beiträge unter anderem in Blogs wie EIKE, Science Sceptical Blog und novo-argumente.

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