Beobachtungen aus dem Revier

Blackout – Nur eine Drohung?

Bundesumweltminister Peter Altmeier wurde vor einem Jahr gefragt, ob uns eine Blackout-Welle drohe. Altmaier antwortete: “Nein. Wir sorgen für genügend Reservekapazitäten. Deshalb bin ich sicher, dass die Netzbetreiber alles tun werden, um Stromausfälle zu vermeiden.”
Fachleute sind sich einig: Ein Blackout droht jetzt vor allem durch die nicht regulierte große Menge der eingespeisten erneuerbaren Energien.

Blackouts – Die Gefahr wird unterschätzt

Bad Nauheim, 2013

Vor einigen Wochen fiel in der Wetterauer Kurstadt Bad Nauheim der Strom aus. Ausgelöst wurde der Stromausfall durch einen Bagger, der bei Bauarbeiten ein Hauptkabel erwischte. Eigentlich kein Problem für das angeblich weltweit sicherste und stabilste Stromnetz, sollte man meinen. “Jedes Stromsystem in Deutschland verfügt über mindestens eine Ersatzleitung, die zugeschaltet werden kann“, erklärte der Leiter des Netzbetriebes bei der Oberhessischen Versorgungs-AG (Ovag) gegenüber der Taunus-Zeitung. In diesem Fall versagte aber das “kompensierende Netzsystem”, weil die Ersatzleitung, die jetzt das 1,7-fache hätte leisten müssen, wegen bis dahin unbemerkter Altschäden ausfiel. Dies führte zum Kollaps. Das Unternehmen hatte pro Jahr fünf Millionen Euro in die Erneuerung seiner Infrastruktur gesteckt, davon zwei Millionen ins Stromnetz.

Ob die großen unterirdischen Stromleitungen einer zusätzlichen Belastung wirklich standhalten können, ist fraglich. Die Haltbarkeit wird theoretisch auf etwa 50 Jahre geschätzt. Viele Leitungen datieren aus den 70er und 80er Jahren, so dass Schäden, die über Jahrzehnte unbemerkt blieben, jederzeit zum Zusammenbrechen der Stromversorgung führen können.

Klinikum Großhadern, München, 2012

Stelter

Um Stromausfälle zu verhindern, müssen Krankenhäuser eigene Kleinkraftwerke unterhalten. Am 15. November 2012 versank ein Teil Münchens wegen eines Stromausfalls im Verkehrschaos. Das Klinikum Großhadern ist auf längere Stromausfälle vorbereitet.

Vier 20-Zylinder-Motoren können bei voller Last alle wichtigen Geräte mit Strom versorgen, allerdings keine Kühlschränke, Kaffeemaschinen, Fernseher oder Aufzüge. Die Motoren  verbrennen 3.000 Liter Diesel – pro Stunde. Vier Tage ist die Versorgung der Patienten gesichert, dann muss nachgetankt werden. Länger darf der Stromausfall nicht dauern, denn die Tankstationen funktionieren ebenfalls nicht mehr.

Die Gesamtleistung des Klinikum-Kraftwerks beträgt zehn Megawatt. Sie ist groß genug, um eine 40.000-Einwohner-Kleinstadt wie Coburg, das saarländische Völklingen oder Pinneberg in Schleswig-Holstein zu versorgen, sagt der stellvertretende Leiter der Abteilung Betriebstechnik am Klinikum Großhadern.

Insgesamt dauerte der Blackout in München etwa eine Stunde. In den Medien wurde er als „größter Stromausfall seit 20 Jahren“ gewertet. Stromausfälle von sehr langer Dauer seien in Deutschland “undenkbar”, meint das Internetmagazin netdoktor.de. Das ist falsch. Es gab sie bereits.

Besteht tatsächlich die Gefahr eines Blackouts in Deutschland?

Der Leiter der Abteilung Notfallvorsorge, Kritische Infrastrukturen, Internationale Angelegenheiten beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Wolfram Geier, meint, dass die Wahrscheinlichkeit von Stromausfällen auch in Deutschland in den letzten Jahren angestiegen sei.

Die Gründe für größere oder große Blackouts seien mannigfaltig: “Erhöhte technische Komplexität, hohe Schwankungen in der Belastung der Netze, hoher Abstimmungs- und Regelungsbedarf in Verbindung mit Naturgefahren, menschlichem und/oder technischem Versagen oder böswillige Eingriffe in die Systeme durch Sabotage, Hacking etc.” Der zunehmende Energiemix aus fossilen, regenerativen und nuklearen Energieträgern kommt hinzu. Er brauche “ein optimal abgestimmtes Zusammenspiel im Gesamtsystem der Stromerzeugung und des Stromverbrauches”.

Auf die Frage, ob tatsächlich die Gefahr eines Blackouts in Deutschland bestehe, antwortete er, dass ein Blackout in einzelnen Regionen Deutschlands jederzeit auftreten könne, “so wie wir dies für Minuten und Stunden in den letzten Jahren schon öfters und für mehrere Tage im Münsterland immerhin einmal erlebt haben.”

Blackouts können sich aber auch über eine Region hinaus ausweiten, “z. B. aufgrund von kaskadierenden Effekten.”  Der Anstoß dafür könnte gegeben sein, “wenn das hiesige Übertragungsnetz aufgrund von Stromverbrauch oder Transferleistungen bereits an seiner Belastungsgrenze angekommen ist und sich parallel dazu aufgrund von technischen Störungen, schweren Naturereignissen oder einem gezielten Hacking weitere schwerwiegende Probleme ergeben, die zu einem Zusammenbruch des Übertragungsnetzes führen. Aber auch menschliches Versagen oder Kommunikations- und Abstimmungsfehler können dazu führen, dass der Strom ausfällt.”Als Beispiel nennt Wolfram Geier einen Stromausfall 2006, “bei dem neben Teilen von Deutschland auch Teile zahlreicher anderer europäischer Länder betroffen waren, weil es im Zuge einer geplanten Abschaltung einer Höchstspannungsleitung über den norddeutschen Fluss Ems zu Kettenreaktionen und Netzzusammenbrüchen kam.”

Der Überfluss an Strom durch die unbegrenzte Möglichkeit zur Einspeisung von Ökostrom in das Stromnetz könnte derzeit also einen Blackout auslösen, kämen uns nicht Nachbarländer zu Hilfe, die den von uns allen durch die Einspeisevergütung bezahlten überflüssigen Strom zu extrem günstigen Konditionen aufnehmen – solange sie dadurch nicht ihr eigenes Stromversorgungssystem gefährden.

Unter diesem Aspekt ist die Zielsetzung der Grünen, die eine Verdoppelung des Anteils der erneuerbaren Energien bis zum Jahre 2020 anstreben, um damit die Energiekonzerne unter Druck zu setzen und der ökologischen Energieindustrie einen Wetbewerbsvorteil zu verschaffen, ein Spiel mit dem Leben vieler Menschen. Wer übernimmt die Verantwortung für einen Blackout und wer die Kosten?

Das Energiekonzept der Grünen sieht neben einer Besiegelung des Endes der Atomkraft auch eine Rückführung der Stromgewinnung aus der Kohle vor. “Wir müssen dafür sorgen, dass CO2 einen vernünftigen Preis hat”, sagte Trittin. Damit würde insbesondere der Betrieb ineffizienter Altanlagen sinnlos. Den “vernünftigen Preis” bezahlen letztendlich die Verbraucher – wenn sie können.

Die Folgen eines Blackouts herunterzuspielen ist verantwortungslos.

Beim mehrtägigen Stromausfall im Münsterland 2005 sei von Panik nichts zu merken gewesen, berichteten die Medien. Nachbarschaftliche Hilfe und Zusammenwirken haben in der ländlichen Region vorgeherrscht. Dieses Verhalten lässt sich aber nicht unbedingt auf andere Regionen, erst recht nicht auf Städte übertragen.

Bei dem 20-stündigen Stromausfall Anfang Juli 2013 brach in Bad Nauheim das Chaos aus, berichtet die Taunus-Zeitung. “Firmen legten die Produktion nieder, Banken mussten schließen, Supermärkte haben ihre Kühlprodukte verschenkt. Krankenhäuser mussten sich auf Evakuierungen vorbereiten, drei Menschen blieben im Fahrstuhl stecken, die Polizei fuhr Streife, um Plünderungen zu verhindern.

Noch komplizierter dürfte die Lage in Großstädten werden. “Dies vor allem dann, wenn es durch den langeanhaltenden Stromausfall zu Versorgungsengpässen mit wichtigen Grundnahrungsmitteln kommt, ausbrechende Brände und Unfälle ihren Teil dazu beitragen, dass die Situation als unhaltbar bzw. unmittelbar lebensbedrohlich empfunden wird und Menschen in dieser Extremsituation unüberlegt handeln, ggf. sogar plündern. In solchen Fällen wäre die öffentliche Sicherheit und Ordnung massiv bedroht”, befürchtet Wolfram Geier Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Die Gesetzeslage

Das deutsche Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG) regelt die bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen ins Stromnetz und garantiert deren Erzeugern feste Einspeisevergütungen.  Das EEG wurde im Jahr 2000 beschlossen. Es ist 2004 und 2009 durch Neufassungen angepasst worden. 2011 sind umfassende Novellierungen beschlossen worden, die überwiegend 2012 in Kraft getreten sind. https://www.juris.de/purl/gesetze/_ges/EEG

Falsche Hoffnungen

Die Energiekonzerne wären keine Konzerne, wenn sie nicht ihre Möglichkeiten zur Realsierung von Gewinnen bis auf das letzte Tüpfchelchen ausrechnen würden. Sie haben mehrfach vor einem Blackout gewarnt. Nichts ist passiert – und niemand glaubt ihnen mehr.

100%ige Anhänger der erneuerbaren Energien fühlen sich dadurch ermutigt, dies als Angstmacherei der Energiekonzerne zu sehen. Jürgen Döschner, WDR, meint, dass die “Vertreter der alten Energiewelt jetzt alle Register ziehen”, gegen die “neue Energiewelt”, weil diese dezentral sei und überwiegend in der Hand von Privatleuten, Landwirten, Genossenschaften oder Stadtwerken liege.

Ein drohender Blackout wird deshalb von Döschner nicht ernst genommen. “Blackout” sei die “ultimative Allzweckwaffe, mit der schon vor Jahren versucht wurde, den Menschen Angst zu machen”, meint Döschner. Er irrt sich. Denn “im Kampf um die Neuausrichtung der Energielandschaft” mögen die Erneuerbaren zwar immer weiter aufholen, aber, wie Jeremy Rifkins sagte, die Stromproduktion sei eine Angelegenheit der Verlierer, das Management und die Netzwerkarbeit dagegen eine Angelegenheit der Sieger, womit er die Stromkonzerne meinte.

Vorsorge

Einzelne Personen, aber auch Betriebe, öffentliche Einrichtungen und Verwaltungen können für den Notfall vorsorgen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat verschiedene Ratgeber und Leitfäden für Unternehmen und Verwaltungen  und für die private Vorsorge der Bevölkerung entwickelt. Dazu gehören der sehr praktische und anschauliche Ratgeber „Für den Notfall vorgesorgt“, der wichtige Tipps zu den Themen Notvorräte, Verhalten und weitergehende Informationen enthält. Die Materialien können kostenlos über die Homepage des BKK heruntergeladen werden.

Erich Boson

Titelfoto: Scott Rubin

Verörrentlicht am 23.11.2017
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