Deutschland hat Dänemark vom ersten Strompreis-Platz verdrängt. Beeindruckender kann kein hoch entwickeltes Land seinen Reichtum demonstrieren als dadurch, dass es eine funktionierende, sichere Stromversorgung mit Kohle- und Kernenergie durch Zufallsstrom aus Wind und Sonne ersetzt und Strom zu einem Luxusgut macht. Von den mittleren Strompreis-Rängen in Europa hat sich Deutschland in wenigen Jahren unter Bundeskanzlerin Angela Merkel an die Weltspitze empor gearbeitet. Bill Gates kommentierte bereits 2011 den Ausstieg aus der Kernkraft als “Zeichen des Wohlstands”.
Zeichen einer niedergehenden Kultur
Die Zeichen, irrtümlich als Zeichen des Wohlstands gedeutet, sind eher Zeichen einer niedergehenden Kultur. Der seit Jahren massiv steigende Strompreis belastet nicht nur die Privathaushalte, sondern auch die deutschen Unternehmen erheblich. Sie gefährden ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit, warnen die Verbände im “Bündnis faire Energiewende”. Das Bündnis vertritt branchenübergreifend etwa 10.000 deutsche Unternehmen mit ca. 1 Million Mitarbeitern und etwa 200 Milliarden Euro Jahresumsatz.
Das Bündnis weist darauf hin, dass die Konkurrenten in Europa und in der Welt keine Sonderlasten wie durch die Energiewende zu tragen haben. Die Stromkosten in Ländern wie den USA oder China seien nur halb so hoch wie bei uns. “Schon heute werden Investitionsentscheidungen aufgrund der hohen Strompreise gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland getroffen. Das ist eine brandgefährliche Entwicklung. Die Bundesregierung muss das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) so ausgestalten, dass der deutsche Mittelstand nicht länger die Hauptlast tragen muss.”
Das “Bündnis faire Energiewende” aus sieben mittelständisch geprägten Industriebranchen (Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie BDG, Bundesverband Keramische Industrie e.V., FDBR e.V. – Fachverband Anlagenbau, Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e.V., Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V., wdk Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie e.V., WSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V.) schlägt vor, die Energiewende statt wie bisher über den Strompreis in Zukunft über den Bundeshaushalt zu finanzieren.
Der Versuch, die Energiewende dadurch zu retten, dass die Kosten aus einem anderen Topf finanziert werden, ist nicht sinnvoll. Die Lasten der verpfuschten Energiewende kann niemand tragen, weder die energieintensiven Industrien, noch die mittelständischen Unternehmen noch die Stromverbraucher. Es fehlt tragischerweise auch den mittelständischen Industrien der Mut, den Ausbaustopp zu fordern.
Preistreiber sind die Steuern und staatlich festgelegte Umlagen
Nirgendwo in der EU zahlen Privathaushalte und Unternehmen mehr für ihren Strom als in Deutschland. Das hat Eurostat, die Statistikbehörde der Europäischen Union, kürzlich berechnet. Demnach liegt der Durchschnittspreis für die Kilowattstunde jetzt bei 33,62 Cent. Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände hält diesen Rekord für unerträglich und fordert Neuregelungen für die Energiepolitik des Bundes.
Empört seien die Unternehmer vor allem deshalb, berichtet die FAZ, weil es nicht die Rohstoffpreise sind, welche die Energiekosten steigen lassen, sondern Steuern und staatlich festgelegte Umlagen wie jene zur Förderung der erneuerbaren Energien. Diese sogenannte EEG-Umlage habe im Jahr 2000 noch 0,2 Cent je Kilowattstunde gekostet, heute liege sie bei 6,88 Cent. Das sei mehr, als die Herstellung des Stroms kostet: Für Beschaffung und Vertrieb fallen nämlich nur 5,67 Cent je Kilowattstunde an.
“Schon heute besteht der Strompreis zu über 80 Prozent aus staatlich regulierten Preisbestandteilen”, sagt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Eric Schweitzer. Er fordert, dringend gegenzusteuern: “Die Politik muss an diesem Hebel dringend ansetzen, um Unternehmen und Verbraucher zu entlasten. Insbesondere der größte Posten auf der Stromrechnung, die EEG-Umlage, sollte zum Teil aus Steuern finanziert werden.”
Diese Neuregelung, die einige Verbände fordern, wäre lediglich eine Umverteilung des Geldes, das von der Mehrheit der Bevölkerung über Steuern abkassiert würde, ohne den geringsten Vorteil für ihren Stromverbrauch. Nicht einmal die CO2-Emissionen sinken trotz des wachsenden Anteils Erneuerbarer Energien am Strommix.
Die Regierung sieht den negativen Auswirkungen der Subventionspolitik zu Gunsten Erneuerbarer Energien tatenlos zu. Keine Warnung dringt an ihre Ohren. Die Abwanderung der Industrie scheint ihr gleichgültig zu sein. China dagegen nutzt seine Möglichkeiten und hat seit Dezember 2017 die Einspeisevergütungen bis zu 15 Prozent gekürzt. Auch die Fördermittel für die gesamte Photovoltaik-Industrie sollen gekürzt und neue größere Solarprojekte deutlich eingeschränkt werden.
Teure Stabilitätsmaßnahmen
Einer der Hauptgründe für die Steigerung der Strompreise sind Stabilitätsmaßnahmen. Netzbetreiber müssen immer häufiger in die Netzregulierung eingreifen. Die Eingriffe sind erforderlich, wenn zum Beispiel im Norden zu viel Windstrom in das Stromnetz fließt. Dies führt auch dazu, dass Windkraftanlagen kostenpflichtig abgeschaltet werden müssen, wenn zuviel Windstrom produziert wird und die Leitungen deren Strom in Hochlast-Phasen nicht mehr transportieren können. Die Kosten dafür liegen laut Jan Lengerke, Mitglied der Geschäftsleitung bei Verivox, aktuell bei rund einer Milliarde Euro im Jahr und dürften nach Branchenmeinung weiter wachsen.
Der Strompreis wird weiter steigen
In Hamburg und Berlin sind beispielsweise die Strompreise binnen zehn Jahren um gut 50 Prozent gestiegen. Sie dürften generell weiter steigen, wenn, wie von der Regierung und Bundeskanzlerin Angela Merkel gefordert, weitere Schließungen von Kohle- und Kernkraftwerken erfolgen, sagt Markus Krebber, Finanzvorstand bei RWE AG. Die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage werde bis Anfang der 2020er zunehmend geringer, was die Möglichkeit von routinemäßigen Preisspitzen eröffne. Krebber warnt, dass die Verbraucher sich wahrscheinlich auf höhere Rechnungen einstellen müssen, nachdem die Versorger die Lücke mit teureren Erneuerbaren Energien schließen.
Jede derzeit diskutierte politische Maßnahme werde die Großhandelsstrompreise antreiben, sagte Krebber in einem Interview: “Ich denke, da gibt es keinen Ausweg”. “Wir denken, dass der Markt die Situation falsch beurteilt, weil wir die physische Enge in den frühen 20ern sehen können. Wir erwarten, dass sich die Spreads wieder ausweiten.”
Erdgas-Anlagen sollen dem Willen der Regierung zufolge helfen, das Netz auszubalancieren, wenn Wind und Sonne keinen Strom liefern können. Das sei eine zu teure Unterstützung, sagt RWE. Im Moment gebe es auch wenig Anreiz, mehr Gasturbinen zu bauen, wenn auch sie nur noch wenige Betriebsjahre hätten. Laut Krebber bereitet sich RWE auf die Kombination Erneuerbare Energien und Speicherung vor.
Einen realistischen Plan zum Ablauf und zur Finanzierung der Energiewende gibt es nicht. Statt dessen liegen Phantasieprogramme vor, die die Bezeichnung “Plan” nicht verdient haben.
Marktkopplung
Ein Ziel, das die Bundesregierung unbeeindruckt von den gegebenen Realitäten in Europa verfolgt, ist ein länderübergreifendes Konstrukt. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 2015 seine Vorstellung von einem Ausweg aus dem Dilemma ständig steigender Strompreise dargelegt: Die Europäische Union habe sich zum Ziel gesetzt, einen gemeinsamen europäischen Strommarkt zu etablieren. Dazu sollen die bestehenden Spotmärkte miteinander gekoppelt werden. Die Kopplung wird laut ISI dazu führen, dass die Marktpreise für alle teilnehmenden Länder gemeinsam berechnet werden, Preisspitzen verhindern und sich die Preise annähern werden.
Damit keine “routinemäßigen Preisspitzen” entstehen können, muss laut ISI eine möglichst hohe Differenz zwischen Angebot und Nachfrage geschaffen werden. Was nichts anderes als eine Stromüberproduktion bedeutet. Ein Vorreiter dieser abstrusen Idee ist Feldheim, ein kleines Dorf Brandenburg, das ein Prozent des produzierten Stroms für seine Einwohner verwendet, zu einem immer noch hohen Preis. Mit den 99 Prozent überschüssigen Stroms lassen sich unter Ausnutzung der Subventionen sehr hohe Gewinne realisieren.
Das ISI sieht durch die Marktkopplung die Zahl der verfügbaren Kraftwerke steigen. Dadurch steige auch die Versorgungssicherheit, meint das Fraunhofer Institut. Die Generierung von Stromüberfluss aus Steuermitteln ist kein Zeichen des Wohlstands, sondern einer verfehlten grünen Energiepolitik. Sie fördert nicht die Bürgerbeteiligung, sondern ein unüberschaubares Netz weniger Profiteure der Energiewende. Anders sieht es das ISI: “Je größer das Marktgebiet ohne Netzrestriktionen ist, desto weniger Einfluss haben die einzelnen Kraftwerke und Kraftwerksbetreiber auf die Preisbildung an der Strombörse. Monopolisten oder oligarchische Erzeugungsstrukturen verlieren an Einfluss. Es entstehen Wohlfahrtsgewinne, weil bestehende Kraftwerke effizient genutzt werden.” Was Überproduktion und effiziente Nutzung miteinander zu tun haben, bleibt ein Rätsel.
Der grüne Irrsinn
Die Hoffnung von Betriebswirtschaftlern, den Strompreis niedrig halten zu können, beruht auf der Annahme, dass ein Überfluss an Strom zu Preissenkungen an der Strombörse führen werde. Dies trifft zu, ist aber irrsinnig. Denn wegen des Überangebotes an Ökostrom fällt der Strompreis immer häufiger ins Negative. Strom ist keine Ware wie die Milch, die man in Überflussgesellschaften in den Gulli schüttet. Der Strom braucht Käufer. Anfang des Jahres 2018 trat die Stromüberproduktion innerhalb von 16 Tagen fünf Mal auf. Eine Notsituation, denn Käufer an der Energiebörse EEX bekamen den Strom nicht nur gratis, sondern auch noch 1,12 Euro pro abgenommener Megawattstunde obendrauf, berichtet die Welt.
Bezahlen müssen diesen von den Grünen verbreiteten Irrsinn die Verbraucher in Form der EEG-Umlage. Unabhängig von der Nachfrage darf jeder Produzent grünen Stroms seine Kilowattstunden ins Netz einspeisen. Die Netzbetreiber sind verpflichtet, die Elektrizität zu einem festen Vergütungssatz abzunehmen.
Dieser Irrsinn liege an einem Konstruktionsfehler der Energiewende, meint die “Welt”, aber die GroKo interessiere das nicht. Das ist allerdings ein Trugschluss. Warum sollte es die GroKo nicht interessieren, wenn die Mehrheit der Wähler bereit ist, mehr Geld für angeblich saubere Energie zu bezahlen, wenn mit ihrem Geld angeblich das Klima zu schützen sei? Eine Lüge wirkt: Noch nie war es leichter, Steuern einzutreiben.
“Das eben ist der Fluch der bösen Tat,
Daß sie, fortzeugend, immer Böses muß gebären.” (Friedrich Schiller)
Trotz der Negativstrompreise gaukelt das ISI “Wohlfahrtsgewinne” vor. Es entstünden Vorteile, die allen Individuen in bestimmten Märkte oder der gesamten Wirtschaft zugute kommen. Die Wohlfahrtsgewinne werden nicht näher beschrieben.
Der Weg in die Energie-Abhängigkeit
Die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland existiert nicht nur für das ISI, sondern für alle Nutznießer und Verfechter der Erneuerbaren Energien bestenfalls als Wunschvorstellung. Der Beschluss, die Kernkraftwerke 2022 abzuschalten, steht dagegen fest. Deutschland verfügt jedoch nicht über eigene Rohstoffe, um den Verlust zu kompensieren. Aus diesem Grund wird Deutschland nach 2022 und einem folgenden Kohleausstieg komplett von einem gemeinsamen europäischen Strommarkt oder dem guten Willen einiger Nachbarländer abhängig sein, die sich schon jetzt den Strom für oder aus Deutschland (“Minusstrom”) teuer bezahlen lassen.
Effizient nutzt jedes Land seine bestehenden Kraftwerke auch ohne die Einmischung Deutschlands schon heute. Norwegen produziert seinen Strom für den Eigenverbrauch, ebenso Polen, Dänemark, Tschechien, Österreich, die Schweiz usw. Sie alle müssten nach Vorstellung des ISI über den eigentlichen Bedarf hinaus Strom im Überfluss produzieren, damit der Handel an der Strombörse funktioniert und keine “routinemäßigen Preisspitzen” entstehen. Auf diese Weise entsteht ein künstlicher Markt, den die Stromkunden durch Steuern und Abgaben finanzieren.
Aber diesen Gedanken überspringt das Fraunhofer ISI. Seine Vision beinhaltet die Hoffnung, dass durch eine europäische Kopplung des Strommarktes die Preisbildung überregional erfolgt, “das heißt, es wird gehandelt, bis sich in allen Marktregionen ein Gleichgewichtspreis einstellt oder die bestehenden Netzkapazitäten ausgelastet sind. Je größer die physischen Übertragungskapazitäten zwischen den Staaten sind und je besser diese im Handel ausgenutzt werden, desto stärker nähern sich die Preise in den Ländern aneinander an.”
Machtübertragung an Netzbetreiber und Spekulanten
Für Frankreich zum Beispiel würde die Marktkopplung eine Anpassung der Strompreise nach oben zur Folge haben. Denn Deutschland kommt als Abnehmer französischen Atomstroms aus ideologischen Gründen nicht in Frage. Die Schweiz ebenfalls nicht, denn auch die Schweiz hat aus ideologischen Gründen den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Polen wird sich weiterhin mit Kohle versorgen und in Zukunft Kernkraftwerke bauen, scheidet für eine Kopplung daher ebenfalls aus. Norwegen müsste seine Fjorde betonieren, damit es Strom aus Wasserkraft für den europäischen Markt zur Verfügung stellen könnte. Aus welchem Grund sollte sich Norwegen diesen Schaden zufügen?
In der Mitte Europas sitzt Deutschland wie Spinne Thekla im Netz und wartet auf die leckere Beute. Wenn der Beutefang misslingt, was geschehen wird, dann werden sich die Stromkosten für die deutschen Bürger und die nicht staatlich privilegierten Unternehmen einerseits und die Steuereinnahmen für den Staat andererseits eben vervielfachen. Ganz easy. So geht grüne Stromwirtschaft.
Die gesicherte Macht haben nach der Ummodellierung der Energiekonzerne in Deutschland auf jeden Fall die Netzbetreiber und Börsenspekulanten. Das ist keine bösartige Unterstellung, sondern grün-neokonservatives-neoliberales-neokapiralistisches-neokolonialistisches Programm. Zu den Verlierern werden nicht die Stromkonzerne gehören, sagt Jeremy Rifkin, Top-Berater von Politikern und wichtigen Vorstandschefs und “das grüne Gewissen des Planeten” (taz), da sie schlauerweise keinen Strom mehr produzieren, sondern das Management von Energie übernehmen. Den Stromnetzbetreibern gehört die Macht. Verlierer sind mittelfristig die Stromverbraucher und diejenigen, die den Strom produzieren, die hoffnungsvollen, dezentralen Energieproduzenten.
Faina Faruz