Der Grünen-Kommunalpolitiker David Claudio Siber wurde wegen seiner Rede gegen die staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen auf der “Berlin invites Europe” Demo am 29. August 2020 in Berlin aus der Fraktion in der Flensburger Ratsversammlung ausgeschlossen. Die Demo wurde von “querdenken711” organisiert. Siber sprach unter anderem über die Ignoranz der Grünen gegenüber Wissenschaftlern, die die Meinung des Virologen Prof. Dr. Christian Drosten nicht teilen.
Kommentar von Daniel Richter
Die Intoleranz innerhalb der Partei der Grünen ist keine Überraschung; 2008 hat sie auch Hubert Kleinert, einer der ersten Bundestagsabgeordneten der Grünen, erfahren. Der damalige Titel seines Beitrags im Spiegel lautete: “Wer querdenkt wird abgekanzelt”.
Zivilcourage
David Claudio Siber sagte in seiner Rede:”Niemals soll jemand von Bündnis90/Die Grünen sagen, wir wussten nicht genug, wir konnten es nicht richtig einschätzen, wir konnten es nicht wissen, und hinterher ist man immer schlauer. Die konnten das wissen! Ich hab’s ihnen zur Verfügung gestellt, und selbst wollten sie es nicht wissen. Niemand wollte es wissen. Punkt. Ebenfalls sind die Politiker und Politikerinnen der anderen Parteien Opfer oder unwissend. Wer nicht alles dafür getan hat, die Verhältnismäßigkeit exakt zu bestimmen, um Folgeschäden durch Maßnahmen zu minimieren, und dazu gehört auch, dass man nachliest, um sich das selbst anzueignen, jeder, der das nicht getan hat in der Politik, der ist vollkommen verantwortlich für die Folgeschäden.”
Hier die kompletten Aufzeichnungen der Freiheits-Demo in Berlin von Samuel Eckert: https://www.youtube.com/c/SamuelEckert/videos
David Siber nahm ebenso wie viele Ärzte, Juristen, Nobelpreisträger, Polizisten und Personen des öffentlichen Lebens berufliche Nachteile in Kauf. Sie alle verstoßen gegen Tabus und zeigen Zivilcourage. Das heißt, sie nehmen Nachteile in Kauf, weil sie nicht im Sinne der Obrigkeit agieren, sondern sich für eine als gerecht erachtete Sache gegen sie einsetzten. In diesem Fall auch gegen die Direktiven der eigenen Parteiführung. Ziviler Ungehorsam in der grünen Partei? Ausgeschlossen.
Distanzierung der Grünen von David Siber
“Wir Grünen in Flensburg und Schleswig-Holstein distanzieren uns klar und in aller Entschiedenheit von seinem Auftritt sowie den Inhalten seiner Rede”, heißt es in einer Mitteilung der Grünen. Siber habe sich mit seinem Auftritt eindeutig gegen die Werte der Grünen gestellt.
Die Frage, welche Werte bei grünen Politikern größer sind als die des mündigen Bürgers, der Meinungsfreiheit und des Respekts vor den Wählern, wird sich jeder selbst beantworten müssen. Mit Ausnahme der größten Oppositionspartei im Bundestag, der AfD, folgen die Parteien der Belehrung durch den Virologen Christian Drosten blind. Selbst er hatte anfangs darauf hingewiesen, dass bei den Maßnahmen die gesellschaftlichen Konsequenzen bedacht werden müssen. Statt dessen versuchen Regierung, Parteien und Medien, Kritiker der Maßnahmen zum Schweigen zu bringen. Der Vorwurf gegenüber Drosten lautet: er nutze seinen Einfluss nicht, um sich gegen die Verabsolutierung der Virologie zu wehren.
Am Sonntag, 30. August, kündigen die Flensburger Grünen an, David Claudio Siber auszuschließen. In einer Mitteilung auf Facebook distanziert sich deren Fraktionsvorsitzender Clemens Schmidt von seinem Fraktionskollegen David Claudio Siber. Er sagt:
“Siber hat sich als Redner auf einer von Radikalen organisierten Demonstration, zu der u.a. AfD, NPD und weitere verfassungsfeindliche Organisationen aufriefen und an der diese auch teilnahmen, eindeutig gegen die Werte der Grünen gestellt. Er hat sich mit seinem Auftritt in eine Reihe gestellt mit jenen, die später das Reichstagsgebäude, das Herz unserer Demokratie, zu stürmen versucht haben und sich sowohl in Reden, als auch mit ihren Parolen unmißverständlich gegen unsere Demokratie und unseren Staat gewendet haben. Wer mit diesen Antidemokratinnen auf die Straße geht, ist falsch bei uns Grünen. Wir Grüne stehen an der Seite derer, die in dieser Pandemie den Schutz und die Solidarität der Gesellschaft brauchen. Wir werden den Rechtsstaat und unsere liberale Demokratie gegen Angriffe von Rechtsradikalen und Verschwörungsfundamentalistinnen schützen und verteidigen. Die Flensburger Ratsfraktion wird unmittelbar über den Ausschluss von David Siber entscheiden.
David Claudio Siber wird aus der Fraktion in der Flensburger Ratsversammlung ausgeschlossen
Am 1. September erklären die Flensburger Grünen die Beendigung der Zusammenarbeit mit David Siber.
In einem Kommentar zu diesem Tweet erklärt Schmidt: “Herr Siber ist erst seit kurzem bürgerschaftliches Mitglied der Ratsfraktion und muss damit leben, dass seine Meinung bei der Mehrheit der Fraktionsmitglieder nicht angekommen ist. Demokratie ist eben manchmal anstrengend.” Für diesen Satz erntet Schmidt massive Kritik. Christoph W. schreibt zum Beispiel: “Ich lese hier nur Phrasen und Kampfbegriffe, um Herrn Silber zu diskreditieren, während die Grünen keinen einzigen der durch ihn aufgeworfenen Punkte inhaltlich widerlegen. Die Grünen machen sich mitschuldig am wirtschaftlichen Ruin und dem Angriff auf die Bürgerrechte in diesem Land.”
Rubikon fasst die Meinung kritischer Beobachter präzise zusammen: “Das Programm auf der Bühne hat ebenso wie die Mischung von Hunderttausenden Menschen aus Berlin und anderen bundesdeutschen Regionen sowie aus dem Ausland, die zum Teil wegen der Polizeisperren nicht zur Demo und zur Kundgebung durchkamen, gezeigt, dass es keine rechte Veranstaltung oder eine mit einer „rechten Grundstimmung“ war, wie manche Medienberichte erneut behaupteten. Immer wieder wurde gerufen „Frieden — Freiheit“ und auch die Liebe wurde immer wieder ausgerufen — ebenso wie eine Verfassunggebende Versammlung, die eine neue Verfassung auf Basis des Grundgesetzes erarbeiten will. Wenn das rechtes Gedankengut ist, dann ist nach der Gesinnung derer zu fragen, die so etwas behaupten. Diese Diffamierungen nutzen nur den Regierenden und Herrschenden sowie den Mächtigen, denen sie dienen.”
Das autoritäre Grundmuster der Grünen
Die inquisitorischen Posen der Grünen lernte Hubert Kleinert 2008 im Zusammenhang mit der Diskussion über den Zeitplan der Grünen für den Atomausstieg kennen. Die Grünen seien früher die wichtigsten Protagonisten jeder Energiedebatte gewesen, schrieb Kleinert im Spiegel. Jetzt aber hätten sie sich hinter einer Mauer von Selbstgewissheiten verschanzt. In keiner anderen Partei werde so viel diffamiert wie bei den Grünen.
Kleinert hatte versucht, eine Debatte über den Atomausstieg anzuregen. Er sagte, dass die Zahl der Fachleute, die darauf hinweisen, dass mit ehrgeizigen Klimakonzepten allein die Versorgungslücken nicht zu schließen seien, sich mehre. Die Versorgungslücken seien jedoch durch das baldige Abschalten aller Atomanlagen zu erwarten. “Zweifellos ein sachliches, kein ideologisches Problem”, sagte Kleinert. Es genüge den Grünen jedoch, ihn zu diffamieren: “Wie in einer Gemeinschaft der Rechtgläubigen wird vormodern Abweichung moralisch stigmatisiert. Und das sogar da noch, wo es gar nicht um den zentralen Glaubenssatz selbst geht, sondern nur um einzelne Auslegungsfragen.”
In fast allen Grundsatzkonflikten der Grünen seit den frühen achtziger Jahren sei es “geradezu die Regel gewesen, nicht nur über verschiedene Auffassungen zu streiten, sondern immer auch mit moralischen Kategorien der Verwerfung, nicht selten auch mit offener Diffamierung zu operieren. Immer wieder wimmelte es nur so von Verrätern … War man eben noch als “durchgeknallt” eingestuft worden, weil man die “ökologische Reform des Kapitalismus” gefordert hatte, war das dann plötzlich allgemeiner Konsens.” Es sei “immer dasselbe Grundmuster: Erst werden die Ketzer verbrannt und hinterher wird fleißig gesündigt. Erstaunlich eigentlich, wie gut die Grünen damit immer wieder durchkommen.”
Hubert Kleinert ist bis zum heutigen Tag hauptamtlich Lehrender im Fachbereich Verwaltung im Fachgebiet Sozialwissenschaften und Kommunikation an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung in Gießen.
Die Illusion über grüne Emanzipation
Ursprünglich waren die Grünen angetreten, um die Republik in einem emanzipatorischen Sinne zu verändern, hatte auch Robert Zion bis zu seinem Austritt aus der Partei 2016 geglaubt. Von diesem Anspruch sei jedoch „so gut wie nichts mehr“ übriggeblieben, sagte er. Über ein Jahrzehnt habe er mit etlichen anderen Grünen versucht, Mehrheiten für eine „progressive, emanzipatorische, sozialere und friedlichere Politik“ zu gewinnen. Inzwischen sei er überzeugt davon, dass das unmöglich geworden sei. Es gehe den Grünen nur noch darum, am Verwalten des Bestehenden beteiligt zu sein.
Laut der am 30. August 2020 veröffentlichten Umfrage von Kantar (Emnid) hätten die Grünen 18 Prozent der Stimmen erzielt, wenn am Sonntag nach der Befragung bereits Bundestagswahl in Deutschland gewesen wäre. Vielleicht haben die Wähler der Grünen noch immer das emanzipatorische Flair der Grünen vor Augen. Oder definieren sie Emanzipation neu als Distanzierung von der Kritik an der Obrigkeit, verteidigen mit der Partei gemeinsam ihre privilegierte soziale Position? Bekennen sie sich zu ihrem totalitären Denken?
Kontakt aufnehmen mit David Claudio Siber: kontakt@david-claudio-siber.de
Seine Homepage: david-claudio-siber.de/
Titelbild: Screenshot, Video 2x 10min “Berlin invites Europe” Rede von David Claudio Sieber | streamed by Samuel Eckert
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