Beobachtungen aus dem Revier

Konstituierung des neuen Thüringer Landtags durch undemokratisches Störmanöver verhindert

Die erste Sitzung des neuen Thüringer Landtags wurde von CDU- und BSW-Abgeordneten mehrfach unterbrochen. Schließlich wurde die Konstituierung auf Samstag vertagt. Die CDU erwartet vom Landesverfassungsgericht heute eine Eilentscheidung.

Tagesschau.de: “Erste Sitzung im Thüringer Landtag nach Chaos abgebrochen.”
BILD.de: “Landtags-Zoff eskaliert: So stürzt Höcke Thüringen ins Chaos.”
T-Online.de: “Gottgleicher Führer”: Politikerin reagiert heftig auf AfD-Eklat in Thüringer Landtag.”
Thüringer Allgemeine: “Grobe Verstöße gegen die Verfassung.”
Spiegel: “Thüringen: Wie die AfD mit ihrer neuen Macht spielt.”
Focus: “Das ist der AfD-Alterspräsident, der für Chaos im Thüringer Landtag sorgte.”
N-TV: “Eklat im Thüringer Landtag: “Was Sie treiben, ist Machtergreifung.”

CDU und BSW verlangten von dem Vorsitzenden eine Entscheidung und Durchsetzung einer von ihnen gewünschten Tagesordnung. Die Fraktionsführer beider Parteien sind der Meinung, dass gegen demokratische Regeln des Parlaments verstoßen wird, wenn der Alterspräsident ihrem Geschäftsordnungsantrag nicht stattgibt.

Aufgaben des Alterspräsidenten

Laut § 1 der Geschäftsordnung des Landtages Thüringen hat der Alterspräsident, der laut gültiger Geschäftsordnung des Thüringer Landtags die erste Sitzung des Landtags leitet, lediglich dafür zu sorgen, dass der Landtag sich konstituiert. Es gehört nicht zu seinen Aufgaben, über Anträge zu entscheiden. Weder habe der Alterspräsident ein Präsidium, noch – zu diesem Zeitpunkt – Schriftführer, um eine Abstimmung oder Ähnliches durchzuführen, sagt Rechtsanwalt Ralf Ludwig. Darüber hinaus verlange § 40 der Geschäftsordnung eine Feststellung der Beschlussfähigkeit auf Antrag erst dann, wenn eine Abstimmung ansteht.

Ralf Ludwig fasst die Aufgaben des Alterspräsidenten in vier Schritten zusammen (Ludwig bezeichnet sich selbst als “Querdenkeranwalt”):

  1. Das an Jahren älteste Mitglied des Landtags leitet die Sitzung. Das beginnt mit einer kurzen Ansprache.
  2. Der Alterspräsident ernennt zwei Abgeordnete zu vorläufigen Schriftführern
  3. Er lässt die Namen der Abgeordneten aufrufen und stellt die Beschlussfähigkeit fest.
  4. Er leitet die Wahl des Präsidenten des Landtages
    Dann übergibt er die Leitung an den gewählten Präsidenten.

“Die dauerhafte Unterbrechung seiner Ansprache war das undemokratische Störmanöver”

Durch lautstarke Zwischenrufe und Geschäftsordnungsanträge wurde die Ansprache des Alterspräsidenten Jürgen Treutler (AfD) mehrfach unterbrochen. Er wurde von den anderen Fraktionen daran gehindert, den Punkt 2 aufzurufen: Ernennung zweier vorläufiger Schriftfüher.

Statt dessen wurde der Alterspräsident mit Geschäftsordnungsanträgen der CDU zur Feststellung der Beschlussfähigkeit konfrontiert.

Nach Beendigung seiner Ansprache ließ Treutler eine Aussprache der Fraktionen zu. Ludwig: “Er hat dann – erneut in sehr demokratischer Weise – unterbrochen, damit die CDU den Verfassungsgerichtshof anrufen kann.”

Zweifel an dem demokratischen Verfahren des Alterspräsidenten lassen eher Rückschlüsse auf die blindwütigen Kampagnen der etablierten Parteien auf die AfD zu.

“Die dauerhafte Unterbrechung seiner Ansprache war das undemokratische Störmanöver”, sagt Ralf Ludwig.

Eine andere Auffassung vertritt der Verfassungsrechtler Michael Brenner. Auf die Frage des mdr: “Hat der Alterspräsident der AfD seine Kompetenzen heute überschritten?”, antwortet er: “Eindeutig ja. Er hat eine lediglich eine protokollarische Funktion, aber nicht die Rechte des eigentlichen Parlamentspräsidenten.”

Ist dem Alterpräsidenten tatsächlich vorzuwerfen, dass er sich nicht auf seine protokollarische Funktion beschränkt hat, wenn er nach der Tagesordnung vorgeht? Das Landesverfassungsgericht wird es klären.

Ralf Ludwig kann es sich “kaum vorstellen, dass der Verfassungsgerichtshof hier der CDU Recht gibt.”

“Sie haben ihr Theater an der falschen Stelle aufgezogen”

Der Verfassungsgerichtshof werde ebenfalls feststellen müssen, dass zunächst eine Handlungsfähigkeit durch die Ernennung der Schriftführer hergestellt werden muss. Danach findet dann – ganz ohne Antrag zur Geschäftsordnung – die namentliche Nennung der Abgeordneten und dann die Feststellung der Beschlussfähigkeit statt. “Offensichtlich hat der parlamentarische Geschäftsführer der CDU nicht verstanden, an welcher Stelle er eingreifen sollte. Er hat den falschen Zeitpunkt gewählt.”

Das wäre wohl der richtige Zeitpunkt gewesen, zu dem die CDU ihre Anträge hätte anbringen können. “Warum sie es vor Ernennung der Schriftführer gemacht hat, bleibt wohl ihr Geheimnis. Offensichtlich wollte man einen Skandal provozieren, obwohl es außer dem Verhalten der Altparteien keinen gibt.”

Darüber, dass zunächst wenigstens der Alterspräsident und zwei Schriftführer ein “Rumpfpräsidium” bilden, um überhaupt etwas protokollieren oder feststellen zu können, werde auch der Verfassungsgerichtshof nicht hinweggehen können, sagt Ludwig.

Treutler begrüßte in seiner Ansprache unter anderem auch Mitglieder des Thüringer Verfassungsgerichtshofs, darunter Klaus Dieter von der Weiden, Richter am Bundesverwaltungsgericht und seit 2022 Präsident des Thüringer Verfassungsgerichtshofes, die sich selbst ein Bild von dem “Theater” machen konnten.

Medien transprotieren völlig falsche Inhalte transportieren und sogar komplett falsche Nachrichten

Dass aber die Medien völlig falsche Inhalte transportieren und sogar komplett falsche Nachrichten bringen, empfindet nicht nur Ralf Ludwig als erschreckend. “Zumal jeder Mensch sich ja die Sitzung ansehen kann.”

https://live.thltcloud.de/Veranstaltung/Plenarsitzung_2024_1/20240926

Aber auch innerhalb des BSW gibt es bezüglich der AfD gravierende Meinungsunterschiede. In Thüringen wollen CDU und BSW die Geschäftsordnung im Landtag zuungunsten der AfD ändern, sagt der BSW-Politiker Friedrich Pürner im Gespräch mit WELT. Er hält die “Brandmauer”-Politik für eine “Ablenkung”. Sie sei entwickelt worden, um sich nicht mit dem politischen Mitbewerber auseinanderzusetzen und keine inhaltlichen Argumente zu finden. Das sei “undemokratisch, unfair und falsch.” Die AfD habe einen „Regierungsauftrag“ vom Wähler.


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