Wenn 41 Prozent der Bevölkerung sagen, es sei besser, sich zu bestimmten Dingen nicht zu äußern, sei dies ein “verheerendes Ergebnis” für eine Demokratie, sagt Roland Tichy zu den Ergebnissen einer Meinungsumfrage, die bereits zwei Jahre zurück liegt. Zwei Beispiele aus der jüngsten Zeit scheinen den Befürchtungen der Bevölkerung Recht zu geben. Wer nicht “politisch korrekt” argumentiert, lebt offenbar riskant. Ein Beispiel dafür ist die Kündigung einer freien Mitarbeiterin bei der Tageszeitung Westfalen-Blatt.
Der Stein des Anstoßes
Die Ratgeber-Schreiberin Barbara Eggert hatte vor einigen Tagen im Westfalenblatt, eine regionale Tageszeitung mit Hauptsitz in Bielefeld, einem Vater geraten, seine Kinder von der Hochzeit seines schwulen Bruders fernzuhalten. Es könnte sie “verwirren”.
Es gibt eine gekürzte und eine Originalfassung der Kolumne. Die gekürzte Fassung, die den Shitstorm nach sich zog, wurde u.a. bei Twitter verbreitet.
Barbara Eggert erklärt: “Hier geht es nicht um meine Weltanschauung oder einen gesellschaftlichen Konflikt, sondern um ein ganz privates, nicht repräsentatives Problem eines verunsicherten Vaters. Ich habe ihm geschrieben, dass seine Kinder vielleicht nicht liberal genug erzogen wurden und ihm geraten, ein offenes Gespräch mit seinem Bruder zu suchen, um seinen Standpunkt zu erklären.” Die Kolumne sei nicht als generelle Handlungsempfehlung gemeint. “Diese steht uns weder zu noch würden wir sie uns anmaßen.”
Panik beim Westfalen-Blatt?
Unter relativem Zeitdruck habe sie gemeinsam mit dem Redaktionsleiter Ulrich Windolph eine erste Stellungnahme verfasst, sagt Barbara Eggert in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Von der zweiten Stellungnahme des Blattes, in der sich Herr Windolph von ihr distanziert, habe sie dann am Mittwochabend aus den Lokalnachrichten im WDR-Fernsehen erfahren. In dieser zweiten Stellungnahme erklärte der Redaktionsleiter auch die Kündigung von Barbara Eggert:
[bg_faq_start]
Zur Kolumne »Guter Rat am Sonntag« vom 17. Mai in der Sonntagszeitung »OWL am Sonntag«:
Der Artikel der freien Autorin Barbara Eggert in der Sonntagszeitung »OWL am Sonntag« vom 17. Mai hätte so in keinem Fall erscheinen dürfen. Er war fälschlicherweise mit der Redaktionsleitung nicht abgestimmt, und die Unternehmensgruppe WESTFALEN-BLATT distanziert sich ausdrücklich von seinem Inhalt. Zugleich trägt die Redaktion die volle Verantwortung für diese sehr gravierende journalistische Fehlleistung. Wir bitten für diesen Fehler um Entschuldigung. Frau Eggert wird fortan nicht mehr für uns schreiben, wir werden ihre Kolumne beenden.
Ulrich Windolph, Redaktionsleiter WESTFALEN-BLATT[bg_faq_end]
Mediale Hasskampagne
Eine mediale Hasskampagne hat das Westfalen-Blatt veranlasst, das Arbeitsverhältnis mit Barbara Eggert zu beenden. Die Erklärung der Diplom-Soziologin reichte der Zeitung wegen der angeblich “gravierenden journalistischen Fehlleistung” nicht aus. Der Artikel der freien Autorin Barbara Eggert “hätte so in keinem Fall erscheinen dürfen”. Der Redaktionsleiter bittet für diesen Fehler um Entschuldigung. Warum? “Ich hätte mich nicht erpressen lassen und mit der Kolumne weitermachen wollen”, meint Barbara Eggert. Erpresst durch Facebook? Twitter? WDR? Herr Windolph habe ihr gesagt, dass der WDR in dem Bericht Tatsachen verdreht habe. (WDR: “Homophobe Ratschläge” aus Westfalen)
Zusammenspiel zwischen Politik und Medien
Zwischen Politik und Medien gebe es ein Zusammenspiel, sagt Roland Tichy: “Politik und Medien gehören zusammen: Die Medien organisieren den öffentlichen Raum, in dem dann letztlich die Politik um die Mehrheit kämpft”, sagt Roland Tichy: “Es ist in diesem Land neuerdings gefährlich, auch nur eine abweichende Meinung der Schwulen-Verbände zu äußern – wohlgemerkt: Der Verbände. Viele Homosexuelle sind entsetzt, was in ihrem Namen geschieht: Die eingeforderte Toleranz wird in ihr Gegenteil verkehrt. Immer an der Spitze dabei: Volker Beck, Schwulenpolitiker der Grünen, der sich sonst mit kaum einer Aktivität sonderlich hervorgetan hat. Das wirft ein Licht auf den Zustand der Meinungsfreiheit in Deutschland.”
Anmerkung:
Roland Tichy ist Journalist, Vorstandsvorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung und Mitglied im Kuratorium der Johanna-Quandt-Stiftung sowie der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung. 2007 bis September 2014 war er Chefredakteur des Magazins Wirtschaftswoche. Tichy bezeichnet sich selbst als liberal-konservativ.
Das Westfalenblatt hat gegenwärtig eine Auflage von 115.940 Exemplaren. Der Axel-Springer-Verlag erwarb 2004 einen Minderheitsanteil von 14,5 Prozent, verkaufte ihn 2009 an den Verleger Dirk Ippen. Kai Diekmann, Chefredakteur der Bild-Zeitung, begann seine Karriere beim Westfalen-Blatt. (Wikipedia)