Hessen feierte am 01. Dezember 2016 in Wiesbaden seinen 70. Geburtstag; denn am 1. Dezember 1946 ist die noch heute gültige Landesverfassung durch einen Volksentscheid in Kraft getreten. “70 Jahre Frieden, Freiheit und Wohlstand – das ist eine Erfolgsgeschichte”, so Volker Bouffier Ministerpräsident des Landes Hessen. “Wir können stolz auf unser Land sein, deshalb feiern wir auch” sagte er.
Hessen bekennt sich nicht nur zu “Frieden, Freiheit und Völkerverständigung” (Art. 69 der Landesverfassung), sondern im ersten Hauptteil der Landesverfassung, “Die Rechte des Menschen”, auch zum Denkmal- und Landschaftsschutz (Art. 62):
“Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und Kultur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden.”
Landschaftsschützer auf Abstand
Am Rande der Festlichkeiten, gegenüber dem Staatstheater, wo der Festakt 70 Jahre Hessen gefeiert wurde, auf dem Kaiser-Friedrich-Platz vor dem Nassauer Hof, trafen sich die Landschafts- und Umweltschützer, Bürgerinitiativen aus ganz Hessen, darunter auch „Rettet den Taunuskamm“, die gegen Windkraft-Projekte in ihren Gemeinden demonstrierten.
Udo Bergfeld hatte mit Unterstützung seines Organisationsteams aus der Bürgerinitiative Siedelsbrunn & Ulfenbachtal zu dieser landesweiten Kundgebung gegen die menschen- und naturverachtende Energiepolitik Hessens aufgerufen. Über 300 Windkraftgegner waren dem Aufruf gefolgt
Der Hessenschau war die Demo jedoch nur ein paar Sekunden wert, kritisierte der Teilnehmer der Kundgebung Werner Halbe. Wesentlich mehr Aufmerksamkeit habe am selben Tag ein Bericht über den Braunkohletagebau erzielt. Ein “Umweltaktivist” sei ausführlich zu Wort gekommen, um seine Vorstellungen zu begründen, obwohl seine Mitstreiter Straftaten begangen hatten. Die Demo in Hessen war zweifellos friedlich. Windkraftgegner wenden generell keine Gewalt an. Selbst auf Trillerpfeifen hatte man absichtlich verzichtet. So viel Friedfertigkeit macht die Windkraftgegner offenbar uninteressant für die Medien.
Nicht zu übersehen
Sichtbar waren die Windkraftgegner zweifellos: Rote Luftballons mit „Nein Danke“-Aufschrift über Windkraft-Silhouetten, überall Transparente, die von Windradflügeln bedrohte Tierarten zeigten, Aufschriften wie „Nein zu Windparks im Unesco-Geopark Odenwald“ und ein „EEG-Umlage“-Banner, das zeigte, wie Kanzlerin Merkel dem deutschen Michel Geld aus der Tasche zieht, um es im Gegenzug Windkraft-Investoren auf abgeholzten Waldstücken in den Allerwertesten zu blasen, waren ebenfalls nicht zu übersehen. Aus den Lautsprechern klang vieldeutig „Wind of Change“ von den Scorpions.
Die Party-Gäste im hessischen Staatstheater nahmen von der Protestveranstaltung jedoch ebenso wenig Notiz wie die Medien. Politisch betrachtet gelten sie wohl eher als Störenfriede und kommen in der Landespolitik einfach nicht vor.
Diese Hinwegsehen betrifft sogar Mitglieder des Landtages. Der FDP-Landtagsabgeordnete René Rock, der sich seit langer Zeit konsequent gegen Windkraftindustrieanlagen einsetzt, war einer der Redner auf der Protestveranstaltung. Selbst sein Beitrag war dem Hessischen Rundfunk nicht einmal eine Sekunde wert.
Das Anliegen
„Immer mehr Menschen hinterfragen diese Energiepolitik“, sagte René Rock. „Ohne Sinn und Verstand“ würden Landschaften und Natur zerstört, „vor allem, ohne, dass es etwas bringt.“ Er erkenne die Grünen nicht wieder, sagte er: FFH-Gebiete, Fledermäuse, Bussarde, Rotmilane, alles zähle nicht mehr. Stattdessen würden Betonmischer im Wald akzeptiert. Und der soziale Aspekt, die „Umverteilung von Arm nach Reich“, lag dem FDP-Politiker am Herzen: Die EEG-Umlage, die 26 Milliarden Euro aus den Taschen der Bürger nehme und an Kapitaleigner weiterreiche, gehört nach seiner Meinung abgeschafft. Für ihn steht fest: „Windkraft kennt nur wenige Gewinner.“
Beifall hat auch Landrat a.D. Matthias Wilkes (CDU) erhalten, der seinen Landkreis Bergstraße trotz schwarz-grüner Koalition „windkraftfrei“ gehalten habe, wie er stolz vermerkte. Würden alle Ausbaupläne verwirklicht, sagte Wilkes, dann würde man in zehn Jahren Hessen, das waldreichste Bundesland, nicht wiedererkennen. Windräder mit Blinklichtern würden überall Flora und Fauna verändern, die Eingriffe in die Natur mit 100 Betonmischerladungen pro Windrad wären immens. Außerdem konstatierte Wilkes ein Demokratiedefizit: Die Bürger vor Ort würden nicht gefragt, das aber wäre unabdingbar.
Worauf ist Volker Bouffier denn stolz? Welche Freiheit meint er? “Jedermann hat das Recht, seine Meinung frei und öffentlich zu äußern”, heißt es in der Landesverfassung Hessens (Art. 11). Wenn politisch unerwünschte Meinungen jedoch ignoriert werden, und das nicht nur anlässlich einer Geburtstagsfeier, die sich eine Elite gönnt, wie soll eine Meinungsbildung in der Bevölkerung denn stattfinden können, wenn weder Parteien noch Medien ein besonderes Interesse an ausgewogenen, sachlichen Informationen haben? Das Grundgesetz bestimmt: “Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit” (GG Art. 21). Den Regierenden ist offenbar nicht klar, dass sich in einer Demokratie Mitwirkung und Bevormundung gegeneitig ausschließen.
Die Staaten in der Europäischen Union haben sich 1985 in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung verpflichtet, eine kommunale Souveränität zu gewährleisten, um dadurch das Recht der Bürger auf Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten zu sichern. Der “Schutz und die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung” stelle in den verschiedenen europäischen Staaten einen wichtigen Beitrag zum Aufbau eines Europa dar, “das sich auf die Grundsätze der Demokratie und der Dezentralisierung der Macht gründet.” Die europäischen Staaten waren sich einig, dass das “Recht der Bürger auf Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten einer der demokratischen Grundsätze ist, die allen Mitgliedstaaten des Europarats gemeinsam sind” und überzeugt, “dass dieses Recht auf kommunaler Ebene am unmittelbarsten ausgeübt werden kann.” (“Der Wind, der Bund, das Land und die Kommunen“)
In der Hessischen Landesverfassung ist verankert, dass die Staatsgewalt unveräußerlich beim Volke liegt (Art. 70). Unmittelbare und mittelbare Demokratie werden gleichrangig benannt: “Das Volk handelt nach den Bestimmungen dieser Verfassung unmittelbar durch Volksabstimmung (Volkswahl, Volksbegehren und Volksentscheid), mittelbar durch die Beschlüsse der verfassungsmäßig bestellten Organe.” (Art. 71) Die Privilegierung eines Industriezweiges durch die Bundesregierung hat diese Möglichkeit für Windkraftgegner weitestgehend erschwert, wenn nicht ausgehebelt.
Wer von den Medien erwartet, dass sie die Bürger bei der Wahrnehmung ihres Rechts auf Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten unterstützt, sieht sich in der Regel enttäuscht. Zwar heißt es im Pressekodex der Journalisten: “Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse” (Ziffer 1), aber in der Realität sieht es meistens anders aus.
„Windräder gehören nicht in den Wald“ – gehören Windkraftindustrieanlagen überhaupt irgendwo hin?
„Windräder gehören nicht in den Wald“, forderte die Demonstrantin Angelika Grimm-Eckardt, sie solle mit Augenmaß gestaltet werden. Wie soll aber eine „vernünftige“ Energiewende ohne Kenntnisse der Physik mit Augenmaß gestaltet werden können? Die Aktivisten gegen Braunkohle machen es sich einfacher. Sie sagen klipp und klar: “Weg mit der Kohle!”, so einfach, dass sogar “Qualitätsmedien”, die auf einen Anti-Kohle-Kurs eingeschwenkt sind, ihnen ohne Verlust der Selbstachtung folgen. Das Thema gesundheitsgefährdender Infraschall ist dagegen komplizierter aufzubereiten. Es ist nicht nur ein „großes Thema“, wie der Initiator Schmied betonte, sondern auch eine echte Herausforderung an das Wissen von Journalisten. Sie verfügen aufgrund ihrer Ausbildung zwar über Werkzeuge, unterschiedliches Wissen darstellen zu können, aber, vielleicht auch begünstigt durch wachsenden Zeitdruck in den Redaktionen, ist ihre Blickrichtung oft ideologisch voreingenommen und festgelegt.
Klimaschutz sei als Argument für Windkraftanlagen „abgedroschen“, sagte Wolfram Schmied. Der Strom aus Windkraft sei nicht speicherbar, und die Stromausbeute der rund 27.000 Windräder lieferten einen kaum nennenswerten Anteil für eine zuverlässige Stromversorgung. Dafür würden den Bürgern, und zwar vor allem den „kleinen“ Privatleuten und Familien, Milliarden Subventionsgelder aus der Tasche gezogen. In den Medien wird dieser Sachverhalt nicht bestritten, aber kaum diskutiert.
Hessische Politiker wie zum Beispiel Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/Die Grünen, Stellvertreter des Ministerpräsidenten Volker Bouffier und Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung im Kabinett Bouffier II) oder die Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid (Bündnis 90/Die Grünen, Regierungspräsidentin des Regierungsbezirks Darmstadt) stünden für eine Energiepolitik, die ineffizient sei, sagte Peter Geisinger, Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Vernunftkraft Odenwald e.V. Er zitierte aus dem Jahresgutachten 2016 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Die fünf Wirtschaftsweisen“): Die Umsetzung der Energiewende war bislang nahezu gleichbedeutend mit einer Förderung von erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung durch das EEG. Die mit dieser Förderung verbundenen Kosten seien förmlich explodiert, ohne dass der Stromsektor einen großen Beitrag zur Einsparung von Treibhausgasemissionen geleistet hätte.
Was Schüler noch wissen: Kein Wind, kein Strom
Uneffizient, gesundheitsschädlich, teuer und abhängig vom Wetter, wie vor Beginn des Industriezeitalters, sei die Windenergie, sagen die Kritiker der Energiewende. Das wollen Politiker und Medien nicht hören. Sie hoffen, dass irgendjemand für ihre politischen Ziele die Lösung findet, Strom zu speichern, egal, was es kostet und ob das Ziel jemals erreicht werden kann.
Derweil werden in Deutschland die modernsten Kraftwerke der Welt abgeschaltet, sagte Dr. Ing. Detlef Ahlborn, Vorstand der Bundesinitiative Vernunftkraft in seiner Rede. Hätte man doch vor 25 Jahren diese Milliarden, die Heute sinnlos versenkt werden, in die naturwissenschaftliche Bildung gesteckt, dann könnten unsere Provinzpolitiker wenigsten verstehen, dass Windräder ohne Wind keinen Strom liefern, sagte er. Diese Energiewende sei das Werk von technisch und physikalisch ungebildeten Wirrköpfen, hier in Hessen vorne weg Tarek Al -Wazir, der mit dafür verantwortlich sei, dass unsere Heimat auf dem Altar ihrer radikalen Ideologie geopfert werde: “Es sind genau diese Politiker die sich hier für die Windlobby förmlich prostituieren”, Grüne, die Physik in der Schule immer abgewählt hätten. “Das sind Leute, die beim Marsch durch die Institutionen gelernt haben, alles zu bestreiten, nur nicht ihren eigenen Lebensunterhalt. Wir haben es hier mit halbgebildeten Weltverbessern zu tun, die bei 10 Kilowatt bis vor kurzem noch einen Eimer voll Schlick vor Augen hatten”, sagte der Ingenieur Detlef Ahlborn.
Das Ende der Kundgebung
Als die geladenen Festtags-Gäste das hessische Staatstheater wieder verließen, ließen die Windkraftgegner
unter den Klängen des Popsongs „99 Luftballons“ Hunderte roter Luftballons in den Wiesbadener Himmel steigen.
Hessenschau, 1. Dezember 2016: “Die Einen feierten das Hessenjubiläum in Wiesbaden, die Anderen demonstrierten gegen Windkraft”
Ein Dankeschön an die Bürgerinitiativen, Helfer und Unterstützer!
Udo Bergfeld, Mitstreiter der Bürgerinitiative Gegenwind, Siedelsbrunn und Ulfenbachtal, verdanken wir die wichtigen Informationen über den Ablauf der Kundgebung. Sein Dank gilt dem Organisationsteam: Daniela Kohl, Eva-Maria Vercrüsse, Dr. Angelika Grimm-Eckardt, Silvia Preisigke, Kathrin Meeter, Wolfram Schmied, Matthias Vercrüsse, Jürgen Kohl, Pascal Preisigke, den Rednern: MatthiasWilkes, Renè Rock, Peter Geisinger, Dr. Detlef Ahlborn und Wolfram Schmied, an die Redaktion von Ruhrkultour ( 🙂 ), Windwahn- die Seite für den bildungshungrigen Bürger-hier, Frau Jutta Reichardt, Vernunftkraft Odenwald e.V., Vernunftkraft Hessen,der Naturschutzinitiative e.V . sowie allen Bürgerinitiativen, die für die gemeinsame Sache geworben haben, und nicht zuletzt dem 1. Revier der Wiesbadener Polizei; hier u. a. bei der „Vorbereitungsgruppe 70 Jahre Hessen“ Frau Natalie Mehrfert, Kriminaloberkommissarin, dem Ordnungsamt Wiesbaden / Herrn Bastian und Herrn Erkel und Herrn Michael Loebert / USARMY Wiesbaden für die Freigabe zum Aufsteigenlassen der Luftballons.
Fotos: Stephan Hördt