Die EU braucht dringend Gas als Ersatz für die abrupt eingestellten Importe aus Russland, insbesondere nach der von den USA angekündigten Sprengung (Biden) der Gaspipeline Nordstream 2. Russland könnte durch den nicht zerstörten Strang weiterhin Gas nach Deutschland liefern, aber die EU und die USA lehnen Gaslieferungen aus Russland ab, vorgeblich wegen des Vordringens Russlands in die Ostukraine. Die USA bieten sich selbst als Lieferant von LNG-Gas an. Ein kleiner Teil der Bedarfslücke kann kurz- bis mittelfristig auch aus dem Gas im östlichen Mittelmeer gedeckt werden, Ägypten und Israel sollen ihn ersetzen. Es bahnen sich dadurch jedoch neue Konflikte im Nahen Osten an, die weitaus größere Gefahren für den Frieden beinhalten als die Besetzung der Ostukraine durch Russland.
Israel hat das Gas, Ägypten die LNG-Anlagen
Zurzeit gibt es keine Pipeline zwischen Israel und Europa. Aus diesem Grund muss das israelische Gas in LNG-Anlagen verflüssigt werden, damit es transportfähig ist.
Als einziges Land im Nahen Osten verfügt Ägypten über LNG-Anlagen. Sie könnten ihre Auslastung verdoppeln. Laut GTAI beabsichtigt Ägypten, sich als regionaler Knotenpunkt für Erdgas zu etablieren.
Die EU, Ägypten und Israel unterzeichneten laut einer Pressemitteilung der EU vom 15. Juni 2022 eine Absichtserklärung, wonach israelisches Erdgas in Ägypten verflüssigt und dann nach Europa verschifft werden soll. Aus der Sicht der Europäischen Union hätte dies den Vorteil, dass LNG-Gas kurzfristig für die EU verfügbar wäre.
Ägypten kommt selbst als Gaslieferant nicht in Frage, denn die eigenen Erdgasreserven gehen zur Neige. Um in die Nähe relevanter Mengen zu gelangen, kommt es laut GTAI deshalb entscheidend auf die israelischen Gaslieferungen an.
Israel will seine Erdgasförderung erhöhen, teilt die Außenwirtschaftsagentur mit. Israel und Ägypten könnten laut ihren Berechnungen 10 Prozent der russischen Gaslieferungen ersetzen.
Es sei nur nebenbei erwähnt, dass der “Klimaschutz” bei diesen Plänen keine Rolle spielt. Um Exportkapazitäten freizumachen, werden in Ägypten mittlerweile einige Stromkraftwerke mit Öl statt Erdgas befeuert. Die Weltpreise für LNG haben laut GTAI mittlerweile die Ölpreise überholt.
“Aber, wo bekommt Israel sein Gas her?”
Vier israelische Gasfelder sind derzeit in Betrieb. Sie wurden 1999 (2,3 Millarden m³), 2000 (28 Millarden m³), 2009 (282 Millarden m³) und 2010 (621 Millarden m³) entdeckt.
Bereits seit Anfang des Jahres 2020 leitet Israel über eine Pipeline Erdgas an die ägyptische Nordküste, wo es verflüssigt und in die Weltmärkte verschifft wird. Das Gas gelangt durch zwei Pipelines nach Ägypten: die East Mediterranean Gas Pipeline, die entlang des Gazastreifens außerhalb ihres Hoheitsgebietes führt, und seit Februar 2022 auch über Jordanien durch die Arab-Pipeline.
Die Mengen, die aus den beiden größten israelischen Gasfeldern, Leviathan und Tamar, stammen, sind jedoch zu gering, um die Nachfrage der EU zu decken. Vertragliche Lieferverpflichtungen der Anlagenbetreiber aus dem Jahr 2018, die den ägyptischen Verflüssigungsanlagen im Zeitraum von 2020 bis 2034 die Lieferung von insgesamt 85,3 Milliarden Kubikmetern (billion cubicmeter – bcm) Erdgas zusagten, wurden nicht eingehalten. Das erklärte Ziel wurde 2023 nahezu verdoppelt.
Um seine Erdgasproduktion zu erhöhen, nimmt Israel jetzt offenbar die Gasvorkommen Gazas ins Visier.
Das Gas Palästinas
Ein großes Erdgasfeld, das 2000 im Mittelmeer in der Nähe der East Mediterranean Gas Pipeline zwischen Israel und Ägypten gefunden wurde, gehört zum Gazastreifen. Das Erdgasvorkommen Palästinas umfasst zwei Erdgasfelder, Marine 1 und Marine 2. Es umfasst insgesamt rund 40 Milliarden Kubikmeter Erdgas. The Ecologist schätzte 2014 den Wert auf 4 Milliarden US-Dollar.
Dieser Preis ist mittlerweile drastisch gestiegen. Ernst Wolf schätzt die möglichen Einnahmen für die Palästinenser auf einen zweistelligen Milliardenbetrag.
Die Gasfelder Palästinas stehen Israel aus völkerrechtlichen Gründen nicht für die Ausbeutung zur Verfügung.
Keine Zusammenarbeit Israels mit Gaza
Das Thema Gas sei “sehr, sehr wichtig für die regionale Zusammenarbeit”, sagt Oded Eran vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv. Aber Israel schließt eine Zusammenarbeit mit Gaza unter den bestehenden Bedingungen nach wie vor aus.
Der israelische Verteidigungsminister und ehemalige Stabschef der israelischen Verteidigungskräfte (IDF), Moshe Ya’alon, erteilte bereits 2007 Hoffnungen, dass das “Gaza-Gas ein wichtiger Treiber eines wirtschaftlich lebensfähigeren palästinensischen Staates sein kann” eine deutliche Absage.
Er befürchtete, dass der Erlös dazu dienen könnte, Terroranschläge gegen Israel zu finanzieren. Ya’alon fügte hinzu: “Es ist klar, dass ohne eine allgemeine militärische Operation zur Zerschlagung der Hamas-Kontrolle von Gaza keine Bohrarbeiten ohne Zustimmung der radikal-islamischen Bewegung stattfinden können.”
In diesem Sinne äußerte sich auch Ron Adam vom israelischen Außenministerium, berichtete 2015 ZEITonline. “Gazas Gasfelder sollten genutzt werden. Das wäre gut für die palästinensische Wirtschaft. Und was der palästinensischen Entwicklung hilft, ist auch gut für Israel. Wirtschaftlicher Wohlstand wird uns allen Frieden bringen. Wir verhindern die Gasförderung nicht, solange die Einnahmen nicht zur Hamas und damit in die Kriegskasse fließen.”
Ziel: Zerschlagung der Hamas durch die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte
Die einzige Option sei daher eine weitere “militärische Operation zur Zerschlagung der Hamas”, schrieb 2014 der Journalist Nafeez Ahmed und Autor von 🛒A User’s Guide to the Crisis of Civilization: And How to Save It.
“Leider bedeutet die Zerschlagung der Hamas für die IDF die Zerstörung der vermeintlichen zivilen Unterstützungsbasis der Gruppe, weshalb die Opfer unter der palästinensischen Zivilbevölkerung die Opfer unter den Israelis bei weitem überwiegen. Beides ist natürlich verwerflich, aber Israels Fähigkeit, Zerstörung anzurichten, ist einfach viel größer.”
Die Zerschlagung der zivilen Unterstützungsbasis bedeutet jedoch höchstwahrscheinlich nichts anderes als die Vertreibung, Unterwerfung oder gar die Auslöschung des palästinensischen Volkes im Gazastreifen durch Israel und seine Verbündeten, falls eine Trennung zwischen Hamas und der Zivilbevölkerung nicht möglich ist.
Im Juni 2023 schien sich eine Lösung des Dilemmas anzubieten. Der Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mohammed Schtaje (Fatah), kündigte an, ein Team zu bilden, um mit Ägypten zu einer Einigung über die Nutzung der Rohstoffe zu kommen.
Die ZEIT berichtete am 18. Juni 2023, dass Israel gemeinsam mit Ägypten und der palästinensischen Autonomiebehörde Gasvorkommen vor der Küste des Gazastreifens erschließen wolle. Das habe das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mitgeteilt. Ziel seien die Entwicklung der palästinensischen Wirtschaft und eine Stabilisierung der Sicherheit in der Region. Auch das Handelsblatt informierte, Israel beabsichtige, die Palästinenser und Ägypten für sein Vorhaben zu gewinnen, die Gasvorkommen vor der Küste des Gazastreifens zu erschließen. Und boerse.de informierte: “Israel will mit Palästinensern Gasvorkommen vor Gaza erschließen.”
Die Hamas, ein Zweig der islamistischen Muslimbruderschaft, besteht aus einer politischen Partei, den paramilitärischen Qassam-Brigaden und einem Hilfswerk. Bei den letzten Wahlen 2006 in den palästinensischen Autonomiegebieten errang sie die Mehrheit der Stimmen im Gazastreifen.
Hamas hatte die PA aber bereits im Oktober 2022 davor gewarnt, sich mit den Erdgasfeldern vor der Küste des Gazastreifens zu befassen. Ein Hamas-Vertreter sagte, die Palästinensische Autonomiebehörde sei nicht qualifiziert, um die Befugnis über das Gas zu erhalten, „da sie in Fälle von Korruption, Geldverschwendung und Fehlverhalten verwickelt” sei. Darüber berichtete “Israelnetz”, die Christliche Medieninitiative pro, am 21. Oktober 2022.
Das positive Bild, das die westlichen Medien im Juni 2023 verbreiteten, löste sich in Luft auf, nachdem Mitglieder der Hamas am 7. Oktober Israel überfielen und Hunderte Zivilisten ermordeten. Die israelische Armee forderte am 13. Oktober die Bevölkerung des nördlichen Gazastreifens dazu auf, das Gebiet binnen 24 Stunden zu räumen und sich auf den Weg in den Süden des Gazastreifens zu begeben. Nach UN-Angaben sind 1,1 Millionen Menschen betroffen, es drohten “verheerende humanitäre Konsequenzen”.
Gegen eine Zusammenarbeit mit Gaza spricht die Erfahrung, sagte Harry Tzimitras vom Osloer Institut für Friedensforschung Prio 2019: “Es gibt nicht einen einzigen Fall, in dem Energie den Beziehungen (zwischen Ländern) geholfen hat, anstatt sie zu erschweren”. Gas würde wie Öl zum Politikum. Die Logik dahinter sei absolut dieselbe.
Palästina
Der Staat Palästina besteht aus zwei Teilen, dem größeren Westjordanland im Osten Israels (5.655 km²) und dem sogenannten Gazastreifen am Mittelmeer (360 km²).
Der Gazastreifen erstreckt sich auf eine Länge von nur 40 Kilometern Länge und ist sechs bis zwölf Kilometer breit. Das Landstück am Mittelmeer liegt zwischen Israel und der ägyptischen Grenze. Auf dieser Fläche, die etwas größer ist als München, leben rund 2 Millionen Menschen, etwa 40 Prozent der Palästinenser.
Der Gazastreifen besteht hauptsächlich aus Sand und Dünen. Lediglich 14 % der Fläche sind für die Landwirtschaft nutzbar.
Der Schatz Palästinas/Gazas ist das Gasvorkommen im Mittelmeer.
Die Geburtenrate und das Bevölkerungswachstum gehören zu den höchsten weltweit. Etwa die Hälfte der Bevölkerung ist unter 19 Jahre alt.
Gaza oder Gazastreifen bezeichnet das Gebiet zwischen Israel und Ägypten und ist außerdem die Bezeichnung für die größte Stadt im Gazastreifen.
Faina Faruz
Titelbild: catmoz, pixabay