Beobachtungen aus dem Revier

Nachlese zum Stadtgespräch des WDR zur Windenergie in der Schützenhalle Schmallenberg-Bödefeld am 14.01.2015

Foto: Arend, Willingen

Im Sauerland hat der Tourismus großen Stellenwert. Es ist deshalb auch nicht überraschend, dass 700 Bürger an dem Stadtgespräch des WDR zur Windenergie in der Schützenhalle Schmallenberg-Bödefeld am 14.01.2015 teilnahmen.

Den sauerländer Kommunen sind durch den Regierungsbezirk Arnsberg Vorrangflächen aufgezwungen worden, ohne dass die Vorarbeiten und Vorschläge der Kommunen berücksichtigt wurden. Die Kommunen fühlen sich übergangen und befürchten, den Bürgern das Thema nicht mehr glaubwürdig vermitteln zu können, wie Schmallenbergs Bürgermeister Bernhard Halbe sagte. An dem Gespräch nahmen außerdem teil: Johannes Remmel, Umweltminister NRW, Jan Dobertin, Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien, Josef Tumbrinck, NABU NRW, und Michael Guse, Bürgerinitiative Gegenwind in Siegen.

70 Prozent der Bürger hatten sich auf eine eingangs gestellte Frage gegen die Energiewende geäußert.
Windkraftanlagen gehörten aus ihrer Sicht nicht auf die Höhen der Mittelgebirge. Sie hätten außerdem Angst vor dem Lärm, der sich häufe, und vor dem Schattenwurf der Anlagen.

Der Umweltminister

Auf die Frage, wie ernst er diese Befürchtungen nehme, antwortete der Umweltminister, er nehme sie sehr ernst, deshalb fänden überall Planungsprozesse statt, “um die Ängst mit den Planungen abzustimmen.” “Sind Windräder auch gesundheitsgefährdend”? wurde er gefragt. Er würde das etwas anders sagen, antwortete Herr Remmel. Eine Windkraftanlage sei eine Anlage, die natürliche Auswirkungen habe, und die müsse man je nach Standort überprüfen.
Der Umweltminister griff die Bürger scharf an: 70 % der Teilnehmer hatten sich bei einer eingangs gestellten Frage des WDR gegen die Energiewende ausgesprochen. Remmel: “70 Prozent sind nicht für die Energiewende, dann nehme ich mal an, sie sind auch nicht für den Klimaschutz. 70 % sind für Atomenergie und Kohlekraft. Sie sind damit einverstanden, dass die Kernkraftwerke weiter laufen.”
Dazu schrieb der WDR: “Der Umweltminister zog sich den Zorn vieler Zuhörer zu, als er ihnen unterstellte, für Atomkraft zu sein, weil sie gegen die Windenergie Stellung beziehen. “Polemik, Polemik” tönte es aus der voll besetzten Schützenhalle und viele Gäste griffen zu den zuvor verteilten Mini-Vufuzelas”. Remmel widersprach der Moderatorin, die eine faire Diskussion anmahnte und die Bürger reden lassen wollte: Man müsse am Anfang einer solchen Diskussion die “Geschäftsgrundlagen” klären. Die Mehrheit, 80 Prozent, wollten die Energiewende und den Klimaschutz. Das heißt, es müsse zu 80 bis 90 Prozent Erneuerbare Energien geben, um diese Ziele zu erreichen. “Das ist die Geschäftsgrundlage.”

Sauerlandtourismus

“Der Chef-Touristiker im Sauerland, Thomas Weber vom Sauerlandtourismus, steht zwiegespalten zum Thema Windkraft und Energiewende. Auf der einen Seite stehe die Abhängigkeit von Energieimporten beispielsweise aus Russland. Dann aber auch: “Da blutet mir das Herz, wenn ich sehe wie eine der schönsten Landschaften Deutschlands berührt wird, und zwar so, dass wir uns wahrscheinlich nachher alle die Augen reiben”, berichtet der WDR.

Landesverband Erneuerbare Energien

Der Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien Jan Dobertin fegte Befürchtungen wegen des Tourismus vom Tisch. WDR: “Er geht nicht davon aus, dass auch nur ein Urlauber nicht wiederkomme, wenn Windräder gebaut werden. Dies hätten Umfragen an der Küste gezeigt. Warum solle das nicht auch für das Sauerland gelten?”
Eine Antwort auf die Frage scheint niemand zu erwarten.
Windkraftanlagen würden geprüft, wie andere Industrieanlagen auch. Unter starkem Protest des Publikums erklärte Dobertin, es gebe es keine wissenschaftlichen Belege, dass von Infraschall eine Gesundheitsgefahr ausgehe.

Bürgerinitiative Bödefeld

Michael Schift, Bürgerinitiative Bödefeld, erklärte, es sei zunächst um den Infraschall gegangen. “Wir leben von der Natur. Unsere Kernkompetenz ist der Tourismus.” Jetzt wolle man Industrieanlagen in die Natur stellen. Je weiter man komme, mache man sich Gedanken über den Sinn, ob Windkraftanlagen gegen Atomkraft und gegen Stromerzeugung aus Kohle helfen können, im Grunde seien sie aber keine Alternative. Und an Herrn Remmel gewandt: “Damit ist nicht automatisch jemand für Atomkraft, wenn er gegen die Windenergie ist.”

Bürgerinitiative Gegenwind

Michael Guse von der Bürgerinitiative Gegenwind in Siegen berichtet aus seinen Erfahrungen: Die schon existierenden Windkraft-Flächen seien zwar von der Bezirksregierung zur Kenntnis genommen worden. “Aber es wurde gesagt, dass man die ja dann noch dazu rechnen könnte.”
Herr Guse erhielt starken Beifall für seinen Hinweis, dass gesundheitliche Schädigungen durch Windkraftanlagen zweifelsfrei seien, ebenso wie Lärmbelästigungen. Würden die Bürger ernst genommen, dann würde die Abstandsregelung in NRW so wie in Bayern festgelegt, und damit wäre viel gewonnen. Herr Remmel intervenierte vehement: “Das ist ein Totschlagargument. Dann findet Windkraft in NRW nicht statt.”

Bürger

Ein Bürger berichtete über eigene Erfahrungen mit Windkraftanlagen, die 900 Meter entfernt von seiner Wohnung stehen: Wer heute Windräder näher als 400 Meter an Wohnbebauungen baue, begehe fahrlässige Körperverletzung. Wer wie Herr Remmel polemisch argumentiere, zeige “politische Handlungsfähigkeit und sehr viel Inkompetenz in Sachen Energiefragen.”

NABU NRW

Der Vorsitzende der Naturschutz-Organisation NABU, Josef Tumbrinck, kam Johannes Remmel zu Hilfe: Er betonte, bei der Energiewende gehe es um Klimaschutz und damit die Zukunft der Erde. Deshalb sei die Energiewende notwendig.

Er sagte außerdem, die Energiewende müsse man “gut machen, gut diskutieren”, “die Menschen mitnehmen” und “die Menschen” vor den Auswirkungen schützen, “und wir müssen auch unsere Natur in den Blick nehmen.” Er spielte auf das seiner Meinung nach hohe Durchschnittsalter der Teilnehmer an, ohne zu klären, was dies mit seinem Appell, den Energieverbrauch zu senken, weil wir die Welt unseren Kindern in einem guten Zustand übergeben sollten, zu tun hat. Er kritisierte: “Die Abwägungsfrage geht hier in dieser Region verloren.”

Ein kleiner Rückblick auf die Argumentation des NABU NRW in Aachen, Februar 2014:
Der NABU NRW engagiert sich in Einzelfällen gegen Windkraftprojekte, beispielsweise in Aachen, so dass eine geplante Abholzaktion zugunsten eines Windparks im Februar 2014 vorläufig zurück gestellt wurde. Er hatte mit Klage gedroht, weil die notwendigen Genehmigungen dafür nicht vorlagen. In diesem Zusammenhang gab der NABU NRW eine allgemeinpolitische Erklärung zu Windkraftanlagen ab: „Das Signal wäre überregional verheerend gewesen und würde die notwendige Akzeptanz für die Energiewende und den damit auch aus Sicht des Nabu erforderlichen Ausbau von Windkraftanlagen an Land verschlechtern“, betonte Josef Tumbrinck, Vorsitzender des Nabu NRW. Er griff bei einer Frage zum Verwaltungsablauf korrigierend ein, um das gesamte Ausbauziel durch Akzeptanzverlust in der Bevölkerung nicht zu gefährden.

Fazit:

Die Veranstaltung in Schmallenberg im WDR 5 zeigt die Entschlossenheit der Bürger, sich nicht mit dem politischen Diktat abzufinden. Sie ist auch ein Lehrstück, wie ein politisch geschulter Minister mit Schützenhilfe der Windindustrie und einer Naturschutzorganisation versucht, einer kritischen Versammlung mit 700 Teilnehmern einerseits durch aggressives Auftreten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Andererseits signalisiert er durch eine beschwichtigende, unbedeutende Geste (Kritik gegenüber der Bezirksregierung) Gesprächsbereitschaft, um nicht die Kontrolle über die zornigen Zuhörer.zu verlieren. Es lohnt sich, den Einstieg des Umweltministers in die Debatte anzuhören. Die Moderatorin Judith Schulte-Loh hat den rhetorisch-demagogischen Versuch erkannt, aber er hat, zumindest an dem Abend, seine Wirkung nicht verfehlt.
Der NABU NRW sieht sich offenbar in der Funktion eines Mediators bei der Durchsetzung politischer Interessen zum Bau von Windkraftanlagen.

F.F.

 

 


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