China vollzieht im Schatten der globalen Aufmerksamkeitsökonomie einen tiefgreifenden Strategiewechsel – leise, effizient und mit weitreichenden Folgen: Die gezielte Entkopplung von westlicher Hochtechnologie ist nicht mehr nur ein politisches Ziel, sondern faktisch Realität. Mit dem Aufbau einer eigenständigen Chip-Lieferkette, dem Ausbau des digitalen Yuan und der technologischen Rückeroberung zentraler Wertschöpfungsketten setzt Peking neue Maßstäbe im globalen Handelskrieg.
Was im Westen als „Abkopplung“ kritisiert wird, ist aus chinesischer Sicht längst eine Befreiung aus systemischer Abhängigkeit – eine Antwort auf Sanktionen, Exportbeschränkungen und jahrzehntelange westliche Überlegenheit.
Trumps Eskalation: Vertraute Töne, neue Wirkung
Die Reaktion der USA unter Donald Trump folgt dem bekannten Muster: Protektionismus, Strafzölle, Rhetorik der nationalen Stärke. Doch was einst als Druckmittel funktionierte, verpufft zunehmend im Leeren. Trumps Vorschlag, Zölle von 50 Prozent auf chinesische Waren zu erheben, könnte zum Bumerang werden: Nicht nur China hat seine wirtschaftlichen Achillesfersen analysiert – es hat sie systematisch geschützt. Ein Gegenschlag, etwa durch das Abstoßen von US-Staatsanleihen oder Hightech-Aktien, wäre ein wirtschaftlicher Tsunami mit globalen Folgen.
Chinas Langatmigkeit trifft auf westliche Selbstgewissheit
Was der Westen gerne übersieht: Chinas politische Strategien sind auf Jahrzehnte angelegt. Kurzfristige Marktreaktionen sind einkalkuliert. Die Partei hat aus dem Umgang mit ASML, TSMC, Huawei und Nvidia gelernt – und zwar schneller, als viele Analysten in Brüssel oder Washington zugeben. Dass China nun offen auf eigene Produktionslinien setzt, ist kein Notfallplan, sondern ein selbstbewusster Technologiesprung mit geopolitischem Gewicht.
Der digitale Yuan: leise Revolution im Währungssystem
Parallel zur physischen Entkopplung läuft die digitale: Mit der grenzüberschreitenden Einführung des digitalen Yuan in Asien und Nahost wird das westlich dominierte SWIFT-System erstmals spürbar umgangen. Für die USA ein strategischer Albtraum: Eine Weltwirtschaft, die sich nicht mehr dem Dollar unterordnet – sondern neuen, multipolaren Regeln folgt.
Europa am Rand des Spiels?
Während Washington und Peking das geopolitische Schachbrett dominieren, wirkt Europa zunehmend wie ein ratloser Zuschauer. Der technologische Vorsprung durch Unternehmen wie ASML könnte rasch schrumpfen – nicht durch Spionage, sondern durch Überflüssigkeit. Eine gezielte Abschottung Chinas von westlicher Spitzentechnologie wird deren globale Relevanz massiv einschränken – nicht, weil die Produkte schlechter würden, sondern weil Märkte verschwinden.
Fazit: Entkoppelung ist kein Rückzug – sie ist eine neue Ordnung
China demonstriert, dass wirtschaftliche Unabhängigkeit nicht in Deklarationen besteht, sondern in handlungsfähigen Alternativen. Während der Westen seine moralische Überlegenheit beschwört und auf Sanktionen setzt, baut China ein neues System – schrittweise, pragmatisch, und mit bemerkenswerter strategischer Klarheit.
Wer glaubt, dieser Handelskrieg ließe sich mit Zöllen gewinnen, hat die Tiefe des Konflikts nicht verstanden.
Es geht nicht mehr um Handelsbilanzen.
Es geht um die Regeln der Weltordnung von morgen.
Fred F. Mueller hat diesen Beitrag angeregt, basierend auf dem Text „China im Handelskrieg“ (TTA Post, 12.04.2025)