Europäische Charta der kommunalen Souveränität zur Dezentralisierung der Macht

Die Staaten in der Europäischen Union haben sich 1985 in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung verpflichtet, eine kommunale Souveränität zu gewährleisten. Dadurch sollte das Recht der Bürger auf Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten gewährleistet werden.

Kolumne
Faina Faruz

Die Charta verpflichtet die Vertragsstaaten zur Anwendung von Grundregeln, die die politische, verwaltungsmäßige und finanzielle Selbständigkeit der Gemeinden gewährleisten.

Der Deutsche Bundestag hat am 10. Dezember 1986 den Gesetzentwurf zu der Europäischen Charta vom 15. Oktober 1985 der kommunalen Selbstverwaltung angenommen. Die Charta ist am 1. September 1988 in Kraft getreten. 47 europäische Staaten haben die Charta ratifizert, darunter auch die Russische Föderation.

Ziel der Charta: Dezentralisierung der Macht

Die Charta der kommunalen Selbstverwaltung bestimmt das Recht der kommunale Gebietskörperschaften (Gemeinden, Städte) als “eine der wesentlichen Grundlagen jeder demokratischen Staatsform”. Der “Schutz und die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung” stellt in den verschiedenen europäischen Staaten einen wichtigen Beitrag zum Aufbau eines Europa dar, “das sich auf die Grundsätze der Demokratie und der Dezentralisierung der Macht gründet”, heißt es in der Charta.

Die europäischen Staaten waren sich einig, dass das “Recht der Bürger auf Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten einer der demokratischen Grundsätze ist, die allen Mitgliedstaaten des Europarats gemeinsam sind” und überzeugt, “dass dieses Recht auf kommunaler Ebene am unmittelbarsten ausgeübt werden kann.”

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden in Art. 28 Abs. 2 GG geregelt. Der für die Kommunen zentrale Satz (Abs. 2 Satz 1) lautet:

"Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln."

Dieser Satz formuliert das kommunale Selbstverwaltungsrecht und schränkt es zugleich in mehrerlei Hinsicht ein, wie das /kommunalwiki.boell.de bemerkt.

Die Einschränkung darf im Sinne der Charta nicht dazu führen, dass die Grundsätze der Demokratie und der Dezentralisierung der Macht beiseite geschoben und die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden auf ein Anhörungsrecht beschränkt wird.

Laut einem Sachstandsbericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 5. Februar 2021 zur Änderung der Grenzen kommunaler Gebietskörperschaften ist die Mitwirkung jedoch auf eine Anhörung begrenzt. Dies sei die Rechtsgrundlagen für das Beteiligungsverfahren und das Anhörungsrecht der Bevölkerung, die in den Länderverfassungen und Gemeindeordnungen der Länder geregelt sei, erklärt der Wissenschaftliche Dienst.

Ist die Einschränkung der Mitwirkung auf ein Anhörungsrecht mit dem Ziel der Dezentralisierung der Macht vereinbar? Nein, denn sie verhindert nicht die Zentralisierung der Macht und steht somit der Demokratie entgegen.

Mit den Worten “im Rahmen der Gesetze” wird klargestellt, dass Bundes- und Landesgesetze sowie unmittelbar geltende EU-Richtlinien der kommunalen Selbstverwaltung Grenzen setzen. Kommunal können nur solche Angelegenheiten geregelt werden, die noch nicht durch ein Gesetz geregelt sind oder bei denen die Gesetze Spielräume für die lokale Ausgestaltung lassen.

Dass den Gemeinden in wesentlichen Fragen bei der Gestaltung ihres Lebensumfeldes die Entscheidungen durch Gesetze aus der Hand genommen werden, zeigen die Migrations – und Energiepolitik der Bundesregierung. Gegen die Zentralisierung der Macht wehren sich Bürgerinitiativen, Stadträte und Bürgermeister, teilweise auch mit Erfolg.

Wir sind Zeitzeugen, wie eine machtbewusste “Elite” die Demokratie per Gesetz aushebelt und den demokratischen Rechtsstaat in einen totalitären Gesetzesstaat verwandelt.

https://rm.coe.int/168007a0f6

https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list?module=treaty-detail&treatynum=122

SEV-122-Europaeische-Charta-der-kommunalen-Selbstverwaltung-CETS_122.docx

Titelbild: geralt, pixabay


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