Angeblich haben die Deutschen so viel Angst vor einem Atomunfall, dass die Politik recht daran tat, aus der Atomenergie komplett auszusteigen. Man könne die Gefahr nicht sehen, riechen oder schmecken, sie sei einfach da, lautet das Argument der Kernkraftgegner. Atomkraft sei viel zu gefährlich.
Der Sicherheitsexperte des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Wolfram Geier, stellte in einem gestern veröffentlichten Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung OZ fest: “Wir haben in der Masse der Bevölkerung in Deutschland so gut wie kein Risikobewusstsein”. Damit meinte Wolfram Geier allerdings eine andere, ebenfalls nicht zu sehende, riechende oder schmeckende Gefahr, die eines Blackouts. Die Sorglosigkeit hält er für nicht gerechtfertigt:
Wo Kerzen nicht mehr helfen
“Wovor wir richtig Angst haben sollten, ist ein großflächiger Stromausfall über einen längeren Zeitraum” sagte Wolfram Geier. Ein gravierender Blackout “würde unser gesamtes Leben empfindlich treffen”. Das gehe los bei Telefon und Kommunikation über die Versorgung mit Bargeld bis hin zu Lieferketten für die Lebensmittelversorgung, die just-in-time getaktet sind: “Ein langanhaltender, flächendeckender Stromausfall wäre der GAU.”
Die Gefahr eines Blackouts wächst nach Einschätzung von Fachleuten mit der Ausweitung der erneuerbaren Energien. Der Tipp des Sicherheitsexperte des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wird den Folgen sicher nicht gerecht, wenn er rät:
“Sorgen Sie vor, frühzeitig und langfristig. Halten Sie Kerzen, ein batteriebetriebenes Radio und einen Notvorrat an Trinkwasser und Lebensmitteln bereit, der mindestens eine Woche hält.”
Besonders anfällig sei der Gesundheitsbereich, sagt Geier. “Damit sind nicht in erster Linie Kliniken gemeint, denn die können sich zumindest eine Zeitlang selbst mit Strom versorgen”, so Geier. Viel sensibler sei etwa der mobile Pflegebereich. “Pflegedienste sind nicht mehr erreichbar, elektrische Geräte, die die Patienten zuhause versorgen, fallen aus.”
Büro für Technikfolgen-Abschätzung: “Was bei einem Blackout geschieht”
Die Folgen eines langandauernden und großräumigen Stromausfalls wurden vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, 2011, untersucht: “Was bei einem Blackout geschieht”. Das Fazit lautet:
“Die Folgenanalysen haben gezeigt, dass bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen ist. Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet, der grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht für Leib und Leben seiner Bürger kann der Staat nicht mehr gerecht werden. Damit verlöre er auch eine seiner wichtigsten Ressourcen – das Vertrauen seiner Bürger.
Die Wahrscheinlichkeit eines langandauernden und das Gebiet mehrerer Bundesländer betreffenden Stromausfalls mag gering sein. Träte dieser Fall aber ein, kämen die dadurch ausgelösten Folgen einer nationalen Katastrophe gleich. Diese wäre selbst durch eine Mobilisierung aller internen und externen Kräfte und Ressourcen nicht »beherrschbar«, allenfalls zu mildern. In historischer Perspektive mag zutreffen, dass sich das deutsche Hilfeleistungssystem auf Katastrophen gut vorbereitet hat, und es »nichts« gab, was »nicht bewältigt wurde« (Unger 2008, S. 100). Ob dies auch für die »Verbundkatastrophe« eines Stromausfalls zutreffen wird, muss bezweifelt werden.”