Beobachtungen aus dem Revier

Surfen auf der Antiatomwelle

Die Antiatomwelle pflanzt sich fort

Profitieren nur die Energiekonzerne von den längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke, wie von den Grünen behauptet wird? Das ist falsch, auch Bündnis 90/Die Grünen und die SPD profitieren davon. Mit der Kernenergie haben vor allem Bündnis90/Die Grünen offiziell gründlich abgerechnet. Die kommt ihnen nicht ins Haus. Und somit surfen sie weiter auf der Antiatomwelle.

Damit die Mitglieder die Argumente gegen die Kernenergie immer parat haben, sammelten die Grünen “20 Fakten zum Weiterverbreiten“. Tatsächlich sind die “20 Fakten” der Grünen eine Zusammenfassung der “100 gute Gründe gegen Atomkraft” der Elektrizitätswerke Schönau (EWS). Die Broschüre der EWS wurde auf dem Stuttgarter Bürgerfest zum Tag der deutschen Einheit 2013 verteilt. Die Kernkraftgegner sind gut vernetzt und sich völlig einig,”Atomkraft ist weder effizient noch nachhaltig oder gar sicher”. Die angeblich guten Gründe wurden längst von Kernphysikern des Verein Kritikalität in einer Replik “100 gute Antworten” widerlegt. Aber wissenschaftliche Auseinanderstzungen finden in grüner Politik nicht statt. In den “20 Fakten” wird weiterhin behauptet:

“Alle drei Tage kommt es zu einem sicherheitsrelevanten Ereignis in einem deutschen Atomkraftwerk”.”Atomkraftwerke sind nicht gegen Flugzeugabstürze geschützt”, “Ein Super-GAU in einem hiesigen Atomkraftwerk hätte noch schlimmere Folgen als Tschernobyl”, “Kinder haben ein erhöhtes Krebsrisiko, wenn in ihrer Nähe ein Atomkraftwerk steht”, “Eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken verhindert Investitionen und Forschung bei den Erneuerbaren Energien”,  “Von den längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke profitieren nur die Energiekonzerne”.

Profitieren wirklich nur die Energiekonzerne von den Kernkraftwerken? Das ist falsch, auch die Grünen profitieren davon. Sie erweisen sich als echte “Pharisäer”. (Als “Pharisäer” wird im Norddeutschen ein Kaffegetränk mit Rum und Schlagsahne bezeichnet, womit der Überlieferung nach der anwesende asketische Pastor Georg Bleyer über den Alkoholkonsum getäuscht werden sollte.)

Grüne nutzen die Kernenergie. Vorläufig noch aus Kernkraftwerken in Deutschland, zukünftig aus denen der Nachbarländer. Das grüne Pharisäertum wird unter anderem an folgenden Beispielen deutlich:

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Beispiel Baden Württemberg

Das von Grünen regierte Bundesland Baden-Württemberg ist Eigner des drittgrößten Energieunternehmens in Deutschland, der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW), wozu  auch die EnBW Kernkraft GmbH (EnKK) gehört.

Aus der Sicht von EnBW gibt es keinen triftigen Grund, aus der Kernenergie auszusteigen:

“Kernkraft steht für eine zuverlässige und klimafreundliche Stromerzeugung. Denn Kernkraftwerke haben praktisch keinen CO₂-Ausstoß und können Strom rund um die Uhr produzieren.”

Zwei Blöcke befinden sich noch im Leistungsbetrieb: Die Blöcke Philippsburg 2 und Neckarwestheim II mit einer elektrischen Leistung von insgesamt 2.868 Megawatt. Beide Produktionsanlagen gewährleisten nach eigenem Bekunden “eine zuverlässige, wirtschaftliche und klimafreundliche Stromversorgung in Baden-Württemberg”. Sie erzeugten nach eigenen Angaben im Jahr 2012 knapp 22 Milliarden Kilowattstunden Strom

  • Das entspricht rund einem Drittel des gesamten Stromverbrauchs in Baden-Württemberg und deckt rechnerisch mehr als den gesamten Strombedarf der rund 5 Millionen baden-württembergischen Privathaushalte.
  • Im Jahr 2012 haben beide Anlagen der Umwelt über 21 Millionen Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids CO2 erspart. Dieser Wert basiert auf den spezifischen Emissionen des heutigen deutschen Stein- und Braunkohlekraftwerkspark. Zum Vergleich: Der gesamte CO2-Ausstoß in Baden-Württemberg liegt laut Statistischem Landesamt bei 68 Millionen Tonnen (2009).

In Neckarwestheim und Philippsburg produziert die EnBW Kernkraft GmbH (EnKK) mit jeweils einem Kernkraftwerk Strom. Die Anlagen Neckarwestheim I und Philippsburg 1 haben auf Veranlassung der Bundesregierung im März 2011 die Stromproduktion eingestellt und befinden sich im Nachbetrieb. Die Stilllegung der Anlagen wird vorbereitet. Das Kernkraftwerk Obrigheim wird bereits seit Herbst 2008 abgebaut. EnKK beschäftigt rund 1.900 Mitarbeiter.

Es besteht kein Zweifel bei der grünen Landesregierung, dass für die Betreiberin der Produktionsanlagen bei Betrieb, Nachbetrieb, Stilllegung und Abbau der Kernkraftwerke in Neckarwestheim, Philippsburg und Obrigheim die “Sicherheit stets oberste Priorität” hat.

EnKK betont, dass sie ausnahmslos die in Deutschland geltenden sicherheitstechnischen Anforderungen erfülle und ihr Sicherheitsniveau sich auf dem von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) geforderten Standard für neue Anlagen bewege. “Im Rahmen eines intensiven Bewertungsprogramms der IAEA – den sogenannten OSART-Missionen – erzielten die Standorte Neckarwestheim und Philippsburg gemessen an internationalen Standards sehr gute Ergebnisse.”

Die beiden im Leistungsbetrieb befindlichen Blöcke Philippsburg 2 und Neckarwestheim II sind Druckwasserreaktoren.

EnKK: “Auf den ersten Blick ist ein Kernkraftwerk einem konventionellen Kohlekraftwerk sehr ähnlich. Beide Anlagen wandeln die im Brennstoff gespeicherte Energie in Wärme um. Dabei wird Wasser erhitzt und verdampft. Der Dampf versetzt eine Turbine in Drehung. Ein Generator wandelt diese Drehbewegung in elektrischen Strom um.
Der wesentliche Unterschied zwischen einem Kohlekraftwerk und einem Kernkraftwerk liegt in Art und Einsatz es verwendeten Brennstoffs. Während in einem Kohlekraftwerk die Kohle in einem Kessel verbrannt wird, wird in einem Kernkraftwerk die im Uran gespeicherte Energie mittels der sogenannten Kernspaltung und einer kontrollierten Kettenreaktion gewonnen. Damit können enorme Energien direkt aus den Atomkernen erzielt werden. Aus einem einzigen Kilogramm Natururan kann etwa 100.000 Mal mehr Strom gewonnen werden als aus einem Kilogramm Braunkohle, nämlich ca. 100.000 Kilowattstunden. Damit lässt sich der gesamte jährliche Strombedarf von rund 30 durchschnittlichen Privathaushalten in Deutschland decken.”

 

Beispiel München

Die Stadt München ist alleiniger Gesellschafter der Stadtwerke München. Die Stadtwerke sind mit 25 Prozent an dem Kernkraftwerk Isar II nahe Landshut beteiligt, das seit 22 Jahren in Betrieb ist und zu den produktivsten weltweit zählt. Experten gehen von einem Gewinn für die Stadt in dreistelliger Millionenhöhe aus.

Seit 20 Jahren regieren SPD und Bündnis90/Die Grünen zusammen in München. Nach außen werben die Parteien für den “Atomausstieg” und wollen offiziell schon lange den Anteil an Isar II verkaufen, aber sie tun sich schwer damit. Ihnen würden die prächtigen Gewinne für die Stadtkasse entgehen. Das ehrgeizige Ziel Münchens sieht vor, bis 2015 alle Münchner Privathaushalte mit eigenem Öko-Strom zu versorgen, bis 2025 die ganze Stadt. Finanzieren müssen sie die  teuren Investitionen zu einem großen Teil aus den Gewinnen des abgeschriebenen Atomkraftwerks Isar II.

Erst vor wenigen Tagen protestierten 100.000 Menschen in Berlin gegen die Verländerung der AKW-Laufzeiten, berichtet der Stern, unterstützt von SPD und Grünen: “Und die Stadtwerke München reihen sich auch noch kess in in die Reihe der Kritiker ein.”

 

Titelfoto: Oliver Hallmann

 

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