Beobachtungen aus dem Revier
SH

Wie man mit Hilfe eines einzigen Verbs die Welt belügt

Der NRD berichtete am 11.05.2017 unter “Rückblick: 30 Jahre Windkraft in SH” im Schleswig-Holstein Magazin:

“Mittlerweile kann Schleswig-Holstein seinen Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien beziehen.”

“Bezieht” ist ein normales Verb. “Kann” ist ein Modalverb. Es modifiziert die Bedeutung des anderen Verbs im Satz: “… kann … beziehen.”

Was heißt das in diesem Fall für den oben zitierten Satz des NDR? Er ist mehrdeutig:

  • SH bezieht seinen Strom tatsächlich zu 100 Prozent aus EE (Diese Behauptung wäre allerdings widerlegbar).
  • SH hat unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, seinen Strom zu 100 Prozent aus EE zu beziehen.
  • Vielleicht kommt es unter Umständen in Betracht, dass SH seinen Strom zu 100 Prozent aus EE bezieht.
  • Von Zeit zu Zeit ist SH in der Lage, seinen Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu beziehen.

Die Mehrheit der Bevölkerung versteht den Satz falsch, weil sie ebenso wie die Mehrheit der Journalisten nicht zwischen Leistung (Nennleistung, installierte Leistung) und Arbeit (tatsächliche Leistung über der Zeit) unterscheiden. Ob sie es nicht können oder nicht wollen, sei dahingestellt.

Aus einem guten Grund vermeiden Politiker und Journalisten die Formulierung: “Mittlerweile bezieht Schleswig-Holstein seinen Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien.” Die Lüge wäre schnell nachzuweisen.

Totschweigen und Skandalisieren

Richtig müsste der Satz lauten:

“Schleswig-Holstein kann seinen Strom nur in Abhängigkeit von den Windverhältnissen aus Erneuerbaren Energien beziehen.”

Im Norden weht der Wind häufiger und kräftiger als im Süden, aber dennoch kommen die gewaltigen Windkraftanlagen nach Angaben des Bundesverband Windenergie (BWE) in Schleswig-Holstein nur auf 2.605 Volllaststunden (30 Prozent) im Jahr. Windstandorte mit 1.600 äquivalenten Volllaststunden gelten bereits als gut. Der Wind weht jedoch unregelmäßig und nicht an 8.760 Stunden im Jahr. Aus diesem Grund sind sämtliche Angaben über die errechnete oder tatsächliche Jahresleistung für den Stromverbraucher unbedeutend, denn der von Windkraftanlagen nutzbare Wind kann sie nicht kontinuierlich und zuverlässig mit Strom versorgen. Er kann es nicht, denn es ist aus physikalischen Gründen unmöglich.

Die Wahrheit ist einfach: Obwohl SH zu bestimmten Stunden dreimal mehr Strom aus Erneuerbaren Energien produziert als es selbst verbraucht, kann Schleswig-Holstein niemals zu 100 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energien beziehen, weil die Stromproduktion grundsätzlich davon abhängt, ob genügend Wind weht. Die gesicherte Leistung ist Null Prozent. Kein Wind, kein Strom.

 

Foto: fsHH, pixabay

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