Wie lässt sich ein Atommüll-Endlager vermeiden?

Der Bundestag hat am Freitag, 14. Februar 2020, erstmals einen Antrag mit dem Titel „Atommüll-Endlager vermeiden – Hochradioaktive Reststoffe verwerten“ (19/17127) debattiert. Der Antrag wurde von der AfD eingereicht. Er dient dem Ziel, die festgefahrene Suche nach einem Endlager zu beenden. Der Antrag stützt sich auf modernste Forschungsergbnisse aus dem Bereich der Kernenergie.

„Atommüll-Endlager vermeiden – Hochradioaktive Reststoffe verwerten“

Der Antrag „Atommüll-Endlager vermeiden – Hochradioaktive Reststoffe verwerten“ soll die Bundesregierung dazu bewegen, die Partitionierung und Transmutation (PuT) als gleichermaßen geeignete und wirksame alternative, mindestens ergänzende Strategie zur direkten Endlagerung für die Entsorgung hochaktiver Reststoffe einzustufen und anzuerkennen.

Der Bundestag fasst im Protokoll die Begründung des Antrags der AfD wie folgt zusammen:

PuT ist eine weltweit anerkannte und verfolgte Strategie zum Umgang mit nuklearen Abfällen. Mit PuT könnten die für ein Endlager benötigten Kapazitäten substanziell, prinzipiell sogar auf einen vernachlässigbaren Umfang reduziert werden, schreibt die Fraktion.

Die Regierung solle daher die Forschung auf diesem Gebiet national unterstützen und sich international dafür engagieren, nicht nur mit Blick auf die nukleare Sicherheit.

Kernenergie

Die Nutzung der in Frage stehenden Reststoffe solle in möglichst vielseitiger Weise, auch in nukleartechnischen Anlagen für PuT, erlaubt werden. Die Genehmigung und der Betrieb von dafür geeigneten Reaktoren sowie Trennanlagen müssten unterstützt werden. Auch solle die Regierung Änderungen des Atomgesetzes vorschlagen und dabei darauf hinwirken, dass die friedliche Nutzung der Kernenergie zur Entsorgung nuklearer Rückstände ermöglicht wird.

Der Antrag wurde von Dr. Rainer Kraft (AfD) vorgestellt:

Antrag „Atommüll-Endlager vermeiden – Hochradioaktive Reststoffe verwerten“

Debatte (Video, 35 Min.)

Plenarprotokoll

Studie “Partitionierung radioaktiver Abfallstoffe durch Rektifikation” (NuDest-Studie)

Fraktionen hängen veralteten Vorstellungen nach

Im zugrundeliegenden Antrag des AfD-Abgeordneten Dr. Rainer Kraft (AfD) wird vor allem auf die vom Institut für Festkörper-Kernphysik in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München durchgeführte „NuDest“-Studie verwiesen, in der neue Methoden zu Partitionierung und Transmutation (PuT) vorgestellt werden, die ein geologisches Endlager überflüssig machen.

In der Debatte zu dem Antrag ignorierten die Redner der anderen Fraktionen jedoch die Inhalte der Studie vollständig. Teilweise wurde die Antiatom-Litanei aus den  80er Jahren heruntergebetet mit Behauptungen, die schon damals nicht richtig waren.

So wurde unter anderem behauptet,

  • Partitionierung und Transmutation (PuT) würde die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen fördern (Plutonium-Proliferation),
  • die verglasten Abfälle könne man nicht mehr bearbeiten,
  • ein Endlager sei ohnehin weiterhin notwendig und
  • PuT sei viel zu teuer und nicht umsetzbar.

Dabei gingen die Gegenredner ganz offensichtlich von veralteten Ideen wie dem Rubbiatron sowie den teuren natriumgekühlten Reaktoren aus. Mit dem Inhalt des Antrags hat sich offensichtlich niemand der Gegenredner auseinandergesetzt.

Neue Methoden erübrigen geologisches Endlager

Weil offenbar keine Bereitschaft der Fraktionen, Ergebnisse der modernen Kernforschung zur Partitionierung und Transmutation (PuT) zur Kennntnis zu nehmen, besteht, hat das Institut für Festkörper-Kernphysik (IFK) eine Stellungnahme (PDF) verfasst und gebeten, sie zu verbreiten. Dieser Bitte kommt Ruhrkultour gerne nach.

Die Stellungnahme des IFK im Einzelnen:

<strong>Plutonium aus kommerziellen Kernreaktoren ist grundsätzlich nicht waffentauglich</strong>

Behauptung 1: »Partitionierung und Transmutation (PuT) birgt ein hohes Proliferationsrisiko, speziell für Plutonium«

Diese Behauptung ist falsch, denn Plutonium aus kommerziellen Kernreaktoren ist grundsätzlich nicht waffentauglich. Daran ändert auch eine nachfolgende elementenreine Partitionierung und/oder Transmutation nichts. Um waffenfähiges Plutonium zu extrahieren, müssen Reaktoren auf einen Austausch der Brennelemente während des Leistungsbetriebs spezialisiert sein, ansonsten wird das Plutonium durch ungewollte Isotope kontaminiert, die sich mit normalen Mitteln nicht mehr abtrennen lassen. Diese Isotope sorgen dafür, dass eine geordnete Zündung nicht mehr möglich ist und bestenfalls eine Deflagration, eher eine Verpuffung stattfindet würde. Die gleiche Sprengkraft könnte man mit konventionellen Sprengkörpern besser und billiger erreichen.

Es besteht bei Reaktorplutonium also schlimmstenfalls die Gefahr einer “schmutzigen” Bombe, doch dies würde mit dem nuklearen Abfall, wie er in der heutigen Form vorliegt, wegen der darin enthaltenen hochradioaktiven Spaltprodukte sogar besser funktionieren. PuT verschlechtert die Situation also nicht. Im Gegenteil, ohne PuT würde die Gefahr einer “schmutzigen” Bombe über geologische Zeiträume bestehen bleiben. Durch PuT wird diese Gefahr verringert, nicht vergrößert.

Es wird offenbar davon ausgegangen, dass ausschließlich klassische natriumgekühlte Brut-Reaktoren (SFRs) in Verbindung mit der in den 1940er Jahren tatsächlich für die Plutonium-Extraktion entwickelten PUREX-Aufarbeitung für PuT zur Verfügung stünden, und dass SFRs notwendigerweise immer waffenfähiges Plutonium erbrüten. Diese Behauptung ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Zum einen kann Plutonium aus allen mit Uran befüllten Reaktortypen extrahiert werden und zum anderen brüten alle solche Reaktoren signifankte Mengen Plutonium. Die entscheidende Frage ist, ob dieses waffentauglich ist, was spezielle Reaktorkonstruktionen erforderlich macht (s.o.).

Die einzigen noch im Ausland im Betrieb befindlichen Kraftwerksreaktoren, die sich dazu mißbrauchen ließen, sind CANDU und RBMK. Überdies wird in keiner der Gegenreden auf die in der NuDest-Studie genannten Flüssigbrennstoffreaktoren eingegangen, die aber eine zentrale Bedeutung für die vorgeschlagene PuT-Methode haben. Diese können erheblich einfacher so gestaltet werden, dass keinerlei spaltbares Material nach außen gegeben wird, so dass auch hier ein Vorteil gegenüber heutigen Leichtwasserreaktoren besteht.

Der eigentliche Hauptaspekt ist jedoch, dass nur das in den Brennelementen vorhandene Reaktorplutonium als Gegenstand der Diskussion zu betrachten ist, welches nicht-waffenfähiges Material und ungeeignet ist, denn nur die Handhabung und Verwertung der aktuellen hochaktiven Reststoffe wird in der NuDest-Studie thematisiert.

Verglaste Abfälle lassen sich verarbeiten

Behauptung 2: »30 Prozent der Abfälle sind bereits verglast – diese kann man nicht mehr bearbeiten«

Auch diese Behauptung ist falsch. In der NuDest-Studie ist klar dargelegt, dass die bereits verglasten Abfälle sich nicht nur verarbeiten lassen, sondern der Mehraufwand durch die Natur des vorgeschlagenen Verfahrens (Mahlanlage plus Plasmabrenner für Oxidkeramiken mit anschließender Destillation) relativ gering ist. Wäre es unmöglich, Glas atomar zu zerlegen, könnte auch kein Silizium und dann keine Solarzellen hergestellt werden.

Somit können auch hier die vorhandenen langlebigen Stoffe extrahiert und maßgeschneidert der Verwertung (Transmutator) oder der vereinfachten Endlagerung zugeführt werden. In der Argumentation der Redner wird offenbar wiederum an das aus den 1940er Jahren stammende PUREX-Verfahren gedacht, das in der Tat dafür ungeeignet wäre. Das ist um so irritierender, als dies eine der Kernaussagen der NuDest-Studie ist, die somit komplett ignoriert wurde.

In der Plenardebatte gab es außerdem ein Durcheinander bei der Abschätzung der Inventare. Wie Andreas Steier (CDU/CSU) noch etwa richtig anmerkt, werden am Ende etwa ein Drittel der gesamten hochaktiven Reststoffe der Aufarbeitung zugeführt sein, wobei von diesem Drittel fast alles Uran und Plutonium (96%) abgetrennt wurde und sich nicht mehr in der hiesigen Reststoffmenge befindet.

Die restlichen Prozent kamen als Glaskokillen zurück, machen aber bezogen auf hier verbliebene Masse des Abfallinventars nur etwas mehr 10 Prozent aus, wie Dr. Rainer Kraft (AfD) korrekt anmerkte, dies hauptsächlich wegen der großen Masse an Glas. “30 Prozent” ist demnach nicht korrekt, da es in der Debatte nur um das hier endzulagernde Inventar ging. Überdies hat Andreas Steier noch sämtlichen mittel- bis schwachaktiven Abfall als Bezugsgröße eingerechnet, offenbar um die zu partitionierende Menge als gering und somit PuT als unsinnig darstellen. Auch dies ist nicht korrekt, denn schwach- und mittelaktive Abfälle stellen ohnehin kein besonderes Entsorgungsproblem dar. Das geologische Entsorgungsproblem dreht sich nur um den “High level waste” (HLW).

Die endzulagernde Menge lässt sich auf beliebig kleine Mengen reduzieren

Behauptung 3: »Ein geologisches Endlager wird auch mit PuT immer noch notwendig sein«

Auch diese Behauptung ist falsch, und legt wiederum nahe, dass die NuDest-Studie von den entsprechenden Rednern komplett ignoriert wurde, denn genau diese Thematik wird dort vorgerechnet, mit folgendem Ergebnis: Mit Partitionierung allein (und zwar – nochmals – nicht mit der 1940er-Jahre-PUREX-Technik, sondern mit dem in der NuDest-Studie vorgeschlagenen Verfahren der fraktionierten Destillation/Rektifikation) lässt sich bei Endlagerverschluss 2070 die einzulagernde Aktivität ohne Zusatzkosten auf ein Zehntel reduzieren. Bei zusätzlichem Einsatz von Transmutation (und zwar – nochmals – nicht mit Festbrennstoffreaktoren wie SFRs, sondern Flüssigbrennstoffreaktoren) reduziert sich die endzulagernde Menge auf ca. eine Tonne (ungefähr Volumen eines Bierkastens), die mit Hilfe von starken elektrisch betriebenen Neutronenquellen oder Ionenbeschleunigern (z.B. dem IFMIF[1], wie es gerade am KIT in Karlsruhe entwickelt wird oder der nELBE / dem ZRT-Protonenbeschleuniger, beide HZDR[2]) auf beliebig kleine Mengen reduziert werden kann[3].

Überdies ist diese überraschend häufig anzutreffende Argumentation, selbst wenn sie denn stimmen sollte, befremdlich. Nach dieser Logik (Kontinuums-Trugschluss) wäre jede hilfreiche Maßnahme von vornherein sinnlos, und selbst ein verkleinertes Endlager wäre abzulehnen. Sollte man dann auch auf jede Sicherheitsmaßnahme im Straßenverkehr verzichten, weil es auch dann immer noch Unfälle mit Todesfolge geben wird? Oder auf ein Gesundheitssystem, weil am Ende ja doch alle sterben?


[1] http://www.inr.kit.edu/72.php
[2] https://www.hzdr.de/db/Cms?pOid=12048&pNid=35
[3] Wegen des langen Zeithorizontes, bis solche Technologien zur Transmutation der Restmenge an Aktinoiden benötigt würden, werden diese Anlagen hier primär als Refenzen für vorhandenes Know-How erwähnt.

Flüssigbrennstoffreaktoren sind die mit Abstand effizientesten und kostengünstigsten Reaktoren

Behauptung 4: »PuT ist viel zu teuer und daher nicht vernünftig umsetzbar«

Auch diese Behauptung basiert wieder auf technologischem Wissensstand der 80er Jahre, und auch hier wird wieder implizit von der für Partitionierung völlig ungeeigneten PUREX-Methode ausgegangen. Mehr noch, Andreas Steier (CDU/CSU) ergänzt dies in seiner Rede durch Experimente am CERN, die in den 90er Jahren durchgeführt wurden. Gemeint war offenbar das TARC-Experiment, bei dem durch eine Spallations-Neutronenquelle das Spaltprodukt Technetium-99 transmutiert wurde.

Dieses Experiment war jedoch eher eine Demonstration der Machbarkeit von sogenannten “beschleunigergetriebenen unterkritischen Systemen” (ADS), ein Vorschlag des Physikers und Nobelpreisträgers Carlo Rubbia. Dass derartige Systeme, wie das belgische Projekt MYRRHA, zwar technisch möglich, aber auch extrem teuer sind, wurde in der NuDest-Studie klar dargelegt. Kombiniert man ADS auch noch mit PUREX (bzw. allgemein nasschemischen flüssig-flüssig Trennverfahren), so ist dies in der Tat nicht wirtschaftlich umsetzbar und es gibt “kein serielles Verfahren”, wie Andreas Steier richtig bemerkt. Seine Aussage geht jedoch am Thema vorbei, denn Ziel der NuDest-Studie ist ja gerade, auf die alternativen Methoden hinzuweisen: Fraktionierte Destillation/Rektifikation statt PUREX-Aufarbeitung kombiniert mit Flüssigbrennstoffreaktoren statt ADS-Systemen oder natriumgekühlten Reaktoren.

Flüssigbrennstoffreaktoren an sich sind die mit Abstand effizientesten und kostengünstigsten Reaktoren. Die Handhabung als Flüssigbrennstoff kann, verglichen mit den Entsorgungsrückstellungen von 25-35 Mrd. Euro, kostenneutral oder sogar gewinnbringend erfolgen. Dies steht alles in der im Antrag zitierten NuDest-Studie.

Hubertus Zdebel (LINKE) erwähnt als “Beleg” für die hohen Kosten der Kernenergie basierend auf bisheriger LWR-Technologie eine im Sommer 2019 erschienene Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW[4]. Der DIW-Studie ist jedoch deutlich nachgewiesen worden, dass sie nicht nach wissenschaftlichen Standards erstellt wurde[5].


[4] https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-30-1
[5] https://www.kernd.de/kernd-wAssets/docs/fachzeitschrift-atw/artikel/atw_2019-10_wendland_peters.pdf

Am 14. Februar 2020 gab es im Deutschen Bundestag eine halbstündige Debatte zum Thema „Verwertung hochradioaktiver Reststoffe“.

Eine Stellungnahme des Instituts für Festkörper-Kernphysik ist als PDF hier zu finden. Wir bitten um Weiterverbreitung, gerne auch als E-Mail an den Umweltausschuss des Deutschen Bundestages:

Im Anschluss an die Debatte soll der Antrag zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit überwiesen werden.

Wenn Sie dem Umweltausschuss des Bundestages eine e-Mail schreiben wollen, dann bitte an diese Adresse: umweltausschuss@bundestag.de


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