NewsGuard ist eine “dubiose US-Firma”, die den Medienwächter spielt, schrieb Heise 2019. “Im Kampf gegen „Fake News“ will NewsGuard entscheiden, was Leser glauben dürfen. Doch die bisherigen Bewertungen wecken Zweifel an der Neutralität.” Der Bayerische Rundfunk (BR) teilt die Zweifel an der Unabhängigkeit des Medienwächters nicht. Warum sollte er auch? Denn das “orwellsche Browser-Plugin” NewsGuard bestätigt der Internetseite des Bayerischen Rundfunks Glaubwürdigkeit, worüber der öffentlich-rechtliche Sender stolz berichtet.
Wie steht es aber mit der Glaubwürdigkeit des BR? Zweifel sind angebracht. Zum Beispiel veröffentlichte der BR 2020, zwei Tage vor einem höchstrichterlichen Urteil in Portugal, einen Artikel, in dem er behauptete, das Berufungsgerichts in Lissabon hätte nach Ansicht der Obersten Justizbehörde des Landes mit der Bewertung Corona-PCR-Tests seine Kompetenzen überschritten. Die Wahrheit ist: Der High Judicial Council of Portugal (CSM), der Oberste Rat der Justiz, sprach dem Berufungsgericht sein Vertrauen aus. Von einer Kompetenzüberschreitung war in der Pressemitteilung, die auch dem BR vorgelegen haben dürfte, nicht die Rede.
Die Liste der “unglaubwürdigsten Websites” ist nicht mit dem Pressekodex vereinbar
Die ersten drei Plätze der angeblich unglaubwürdigsten Websites belegen EpochTimes.de, DE.RT.com und Achgut.com. Ihnen wird zur Last gelegt, mehrfach falsche Behauptungen veröffentlicht zu haben, unter anderem über die COVID-19-Pandemie (EpochTimes.de), ein “Instrument der russischen Regierung zur Verbreitung von Falschinformation und Propaganda” zu sein (DE.RT.com) und unter anderem “zu den Themen Migration und Klimawandel falsche und irreführende Behauptungen veröffentlicht” zu haben (Achgut.com). Mit diesem Ranking sind die zurzeit wichtigsten politischen Standpunkte der USA und EU abgedeckt und politisch abgesichert.
Der BR übernimmt die Behauptungen von NewsGuard kritiklos und verletzt damit den Pressekodex, muss aber keine Zurechtweisung durch den Presserat befürchten.
Anstatt die grundlegenden Funktionen zu erfüllen, die Medien in Demokratien zu erfüllen haben, verharren Journalisten in abstoßendem Gehorsam gegenüber der Bundesregierung, die die Verlage mit Geldgeschenken am Leben hält. Die Aufgabe der Journalisten wäre es aber, wie sie die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) umschreibt: “Sie sollen das Volk informieren, durch Kritik und Diskussion zur Meinungsbildung beitragen und damit Partizipation ermöglichen.”
Statt dessen erhält eine Generation devoter Schreiberlinge ihr journalistisches Fast-Food durch Institutionen, deren Berechtigung und Arbeitsweise sie nicht hinterfragt. Im Verlauf von wenigen Jahren hat sich ein System der Übermittlung politischer Ansichten herausgebildet, das Diskussionen verhindern soll. So hat zum Beispiel die Pharmaindustrie aus der Niederlage gegen den Arzt Dr. Wolfgang Wodarg unmissverständliche Lehren gezogen. Wodarg war der Initiator der Untersuchungen des Europarates zur Pandemie H1N1 2009/10, der Rolle der Impfstoff-Hersteller und der WHO. Er trug als Mitglied des Europarates maßgeblich zur Beendigung der gefährlichen Schweinegrippen-Impfung bei.
Über den Kern ihrer Lehre berichtete Dr. Marc van Ranst in seiner Präsentation auf einer Konferenz von Chatham House am 22. Januar 2019. Nur durch einen Zufall wurde seine Rede bekannt. Die Erfahrung als Grippebeauftragter in Belgien während der H1N1-Pandemie 2009 habe gezeigt, sagte van Ranst, dass es entscheidend sei, vom ersten Tag an allgegenwärtig zu sein und mit den Medien zu kommunizieren, um sicherzustellen, dass es eine einzige Stimme für Informationen gibt, um Verwirrung zu vermeiden.
Die Aufgabe der Sicherstellung obliegt seit 2018 offenbar NewsGuard Technologies. Der Medienwächter wurde 2018 in den USA von Steven Brill und L. Gordon Crovitz gegründet. Die Zusammensetzung des Beirats zeigt und ihr Ranking von Webseiten zeigen, wie eng staatliche und private Organe der Pharma-, Sicherheits- und Rüstungsindustrie zu einem orwellschen Medienwächter miteinander verschmolzen sind.
Das orwellsche Browser-Plugin NewsGuard
NewsGuard, von Heise als “dubiose US-Firma” markiert, ist mehr als ein Journalismus- und Technologie-Tool. NewsGuard ist ein Medienwächter, der weltweit die politische Ausrichtung der Medien kontrolliert und bestimmt.
Seine Ausrichtung spiegele sich in deren Beirat wider, sagt Heise. “Hier finden sich illustre Leute wie der ehemalige NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der frühere CIA-Direktor und einstige NSA-Chef General Michael Hayden, George W. Bushs Homeland-Security-Minister Tom Ridge sowie Elise Jordan, ehemalige Redenschreiberin von Condoleezza Rice – Personen, die bislang nicht als journalistische Tugendwächter aufgefallen sind, sondern als Spezialisten für militärische Aufgaben und die nationale Sicherheit der USA.”
NewsGuard bietet eine Browsererweiterung und mobile Apps für Verbraucher sowie Dienste für Unternehmen an, darunter ein Markensicherheitstool für Werbetreibende und Dienste für Suchmaschinen, Social-Media-Apps, Cybersicherheitsfirmen und Regierungsbehörden. Die NewsGuard-Erweiterung wird in Browsern installiert und warnt Nutzer, wenn sie Inhalte von Websites aufrufen, die sie als Fake News betrachten.
Bestätigen lässt sich die Vereinnahmung der Medien durch die NATO nicht zuletzt dank ausführlicher Studien von Swiss Propaganda Research (SPR) zur Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) und dem Schweizer Fernsehen (SRF). Sie ergaben, dass die untersuchten 80 Medien zu knapp 90% Propaganda der USA/NATO verbreiten. Die meisten traditionellen Medien sind laut Swiss Propaganda Research in transatlantische Netzwerke eingebunden und verbreiten daher hauptsächlich NATO-Propaganda.
Die Arme des orwellschen Browser-Plugins reichen weit. NewsGuard hat zuletzt auch den Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wale in seinen Beirat berufen. Wikipedia ist “die Enzyklopädie, die jeder bearbeiten kann”, in der sich mittlerweile aber “Propaganda und Falschmeldungen kreuzen, um mutierte Stämme von Fake News zu produzieren”. Oder, wie es VK formuliert: “Das orwellsche Browser-Plugin NewsGuard, das vorgibt, die Vertrauenswürdigkeit von Medien zu beurteilen, hat den Wikipedia-Gründer in seinen Beirat berufen und damit bewiesen, dass selbst neoliberale Gedankenpolizisten Sinn für Humor haben.”
Das Märchen von der Glaubwürdigkeit des etablierten Journalismus ist seit dem Bekenntnis zum Haltungsjournalismus ausgeträumt. Eine Befragung unter 150 Volontären des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestätigt den Verdacht: Etwa 60 Prozent der Volontäre würde die Grünen wählen, 25 Prozent die Linken. Deren Vorbild ist nicht der Sozialismus der Sowjetunion oder der DDR, sondern eine neue, bösartige Variante des Kapitalismus in seiner Endphase.
Faina Faruz
Titelbild: geralt, pixabay