Hatte der Westen nie die Absicht, das Minsker Abkommen umzusetzen?

Die im Sicherheitsrat der UN vertretenen Staaten hatten sich 2015 mit einer Resolution zum Minsker Abkommen offiziell von einer weiteren Eskalationspolitik verabschiedet. Sie waren sich einig, „dass eine Lösung der Situation in der östlichen Ukraine nur durch eine friedliche Beilegung der gegenwärtigen Krise erreicht werden kann“.

Nachdem der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine im Sommer 2014 eskaliert war, nahmen die Staatschefs der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs im Juni 2014 in der Normandie Verhandlungen zur Beilegung des Konfliktes auf. Sie beschlossen ihre Verhandlungen mit dem Abkommen Minsk II. Vertreter der pro-russischen Separatisten waren offiziell nicht eingebunden.

Erst vor wenigen Tagen, acht Jahre später, stellt sich jetzt heraus, dass der Westen das Minsker Abkommen nicht umsetzen wollte, um eine friedliche Lösung des Konflikts zu erarbeiten. Das Abkommen sollte dem Westen lediglich zum Zeitgewinn dienen, um die Ukraine gegen Russland aufzurüsten. Dies bestätigen Äußerungen der ehemaligen Staatschefs Petro Poroschenko (Ukraine), Angela Merkel (Deutschland) und François Hollande (Frankreich).

Die im Sicherheitsrat vertretenen Staaten haben sich nach Ansicht der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. womöglich mehr Realitätssinn bewiesen, als die aufgeheizten Medien, die dazu tendieren, Verhandlungslösungen sogleich für wirkungslos zu erklären.

Petro Poroschenko

Poroschenko, Oligarch mit geschäftlichen Interessen in der Ostukraine, versuchte 2014, einen wieder voll aufflammenden Krieg in der Ostukraine und den endgültige wirtschaftliche Ruin des “Pleitelandes” zu verhindern.

Dem Minsker Abkommen stimmte Poroschenko nur widerwillig zu, sagt Iryna Solonenko vom Berliner Zentrum Liberale Moderne. Poroschenko habe keine andere Wahl gehabt, um weiteren “Blutzoll” zu verhindern. Die Nicht-Regierungsorganisation hat durch ihre transatlantischen Verbindungen und aggressive Politik mehrfach auf sich aufmerksam gemacht.

Einer der Kernpunkte des Minsker Abkommens liegt in den Vereinbarungen zu einer politischen Lösung des Konflikts. Dazu gehörte auch eine Verfassungsreform in der Ukraine, wodurch die Separatistengebiete Donezk und Luhansk einen Sonderstatus erhalten hätten. Diesen Gebieten sollte es unter anderem erlaubt sein, wirtschaftliche Beziehungen zu Russland zu unterhalten.

Dieser und auch andere Punkte aus dem Minsker Abkommen galten als politisch kaum umsetzbar und fanden im Westen keine Unterstützung. Deutschland und Frankreich drängten die Ukraine nicht auf Erfüllung der Vereinbarungen.

Die Bevölkerung der Ukraine hätte diese Bemühungen vermutlich begrüßt, denn nur 36 Prozent der Ukrainer waren laut Deutschlandfunk mit dem Kurs Poroschenkos zufrieden. Deutschlandfunk: “Das ukrainische Staatsoberhaupt hat also deutlich weniger Rückhalt als sein russischer Widerpart Wladimir Putin”.

Präsident Poroschenko sabotierte die Umsetzung des Minsker Abkommens. Er versuchte die westlichen Regierungen gegeneinander auszuspielen und die USA in die Verhandlungen einzubeziehen.

2015 sagte Poroschenko vor dem ukrainischen Militär in der Region Charkiw:

“Die Minsker Vereinbarungen gaben uns Zeit, die ukrainischen Verteidigungskapazitäten zu stärken und halfen uns, unseren offensichtlichen militärischen und technischen Rückstand gegenüber Russland teilweise zu überwinden”.

Kiew versuchte, das Minsker Abkommen zum Schein einzuhalten, zugleich aber den damit verbundenen politischen Prozess zu blockieren. Poroschenko, zurzeit Parteivorsitzender der ukrainischen Partei Europäische Solidarität, erklärte 2022 gegenüber den ukrainischen Massenmedien:

„Wir haben erreicht, was wir wollten. Wir glaubten Putin nicht, so wie wir ihm jetzt nicht glauben. Unsere Aufgabe bestand darin, erstens, die Bedrohung oder zu mindestens den Kriegsbeginn hinauszuzögern. Sich acht Jahre für das wirtschaftliche Wachstum und das Wiedererstarken der ukrainischen Streitkräfte zu erkämpfen. Das war die erste Aufgabe – und sie wurde erfüllt. Die Vereinbarungen von Minsk haben ihren Zweck erfüllt.“

Wolodymyr Selenskyj hat sich als ein würdeloser Nachfolger Poroschenkos erwiesen. Er lässt sich systematisch von den USA und der EU mit Hilfe der Massenmedien als Ikone der Freiheitsidee und eines gerechten Krieges gegen Russland aufbauen, mit dem Ziel, Russland mit Hilfe von Sanktionen wirtschaftlich zu schwächen und zu besiegen.

In einer kurzen Glückwunschbotschaft zum Jahreswechsel 2022/2023 hat Selenskyj seinen Mitbürgern ein frohes neues Jahr und das «Jahr unseres Sieges» gewünscht.

Die Ukraine führt bis zum heutigen Tag die Kriegshandlungen gegen Lugansk und Donezk fort. Von April 2014 bis Ende 2018 seien zwischen 12.800 und 13.000 Menschen getötet worden, teilte die UN-Menschenrechtsbeobachtermission in Kiew mit. Etwa 3300 von ihnen seien Zivilisten gewesen.

Angela Merkel

Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel bestätigte das militärische Interesse des Westens an der Ukraine in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit, das am 7. Dezember 2022 veröffentlicht wurde.

Laut Angela Merkel diente das Abkommen von Minsk dazu, Zeit zu gewinnen, um die Ukraine aufzurüsten. Sie sagte:

„Das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.“

Merkel äußerte Zweifel daran, dass die NATO-Staaten damals in der Lage gewesen wären, Kiew in dem Maße zu unterstützen, wie sie es jetzt tun.

François Hollande

Der ehemalige französische Präsident François Hollande erklärt, das Minsker Abkommen sei nötig gewesen, um Kiew eine Atempause zu verschaffen und die Vorbereitung der ukrainischen Armee für einen direkten Konflikt zu ermöglichen. Angela Merkel habe in diesem Punkt recht.

Dem Kiewer Independent sagte François Hollande:

“Seit 2014 hat die Ukraine ihre militärische Position gestärkt. Die ukrainische Armee war in der Tat eine völlig andere als 2014. Sie war besser ausgebildet und ausgerüstet. Es ist das Verdienst der Minsker Vereinbarungen, der ukrainischen Armee diese Möglichkeit gegeben zu haben.”

Wladimir Putin

Für ihn seien Merkels Äußerungen völlig unerwartet und enttäuschend, sagte der russische Präsident Wladimir Putin am 9. Dezember 2022. In seiner Neujahrsrede, die er in einem Militärstützpunkt vor Soldaten statt im Kreml hielt, warf er dem Westen vor, Russland zerstören zu wollen und die Ukraine dafür zu benutzen.

“Der Westen hat gelogen, was den Frieden angeht und sich auf eine Aggression vorbereitet. Und er schämt sich heute nicht einmal mehr, das offen zuzugeben.”

Der Westen versuche, den Konflikt in der Ukraine für sich auszunutzen, sagte Putin in seiner Videoansprache, die in allen elf Zeitzonen des Landes im staatlichen Fernsehen gezeigt wurde.

Wladimir Putin hatte 2015 dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen Vorschlag unterbreitet, in der dieser die Minsker Vereinbarungen bestätigte und die Resolution 2202 verabschiedete.

Zwar lieferten sich die Vetomächte im UN-Sicherheitsrat heftige Debatten, ließen aber keine Unterstützung für einen weiteren Eskalationskurs durch offizielle Waffenlieferungen und sonstige militärische Unterstützung erkennen.

Die Resolution 2202 hat eher deklaratorischen Charakter, enthält keinerlei Androhung von Zwangsmaßnahmen und verleiht der gemeinsamen Überzeugung Ausdruck, „dass eine Lösung der Situation in der östlichen Ukraine nur durch eine friedliche Beilegung der gegenwärtigen Krise erreicht werden kann“.

Die Pressemitteilung, der Text der Resolution 2202 und die angehängten Abkommen finden sich hier [eng]:
http://www.un.org/press/en/2015/sc11785.doc.htm

Die Äußerungen der ehemaligen Staatschefs bestätigen, dass ihnen an einer friedlichen Beilegung des Konflikts bereits zum Zeitpunkt des Minsker Abkommens, acht Jahre vor der Intervention Russlands in der Ostukraine, am 24. Februar 2022, nicht oder zumindest nicht primär gelegen war. Sie ignorierten die zunehmende Drangsalierung der Bevölkerung in der Ostukraine durch Kiew und die Ermordung von Zivilisten durch das ukrainische Militär im Osten der Ukraine. Statt dessen leisten sie bis heute jedwede Form der Unterstützung ukrainischer Faschisten, um Russland zu schaden.

Neujahrsansprache vom Präsidenten Russlands und Oberbefehlshaber der Russischen Streitkräfte Wladimir Putin zum Jahr 2023.

Neujahrsansprache vom Präsidenten Russlands und Oberbefehlshaber der Russischen Streitkräfte Wladimir Putin zum Jahr 2023.

Titelbild: OpenClipart-Vectors, pixabay


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