Der Spiegel veröffentlichte am 28. Februar 2015 einen Artikel über die umweltschädlichen Auswirkungen durch galvanischen Anoden, sogenannte Opferanoden, von Offshore-Windkraftanlagen. Spätestens durch diesen Beitrag war es öffentlich bekannt, dass die Winkraftanlagen giftige Metallverbindungen in Nord- und Ostsee einbringen.
“Mit dem weiteren Ausbau von Windkraftanlagen auf See werden in den kommenden Jahren Tausende Tonnen giftiger Metallverbindungen in Nord- und Ostsee eingebracht. Grund ist der Einsatz sogenannter Opferanoden. Sie sollen das Verrosten der stählernen Fundamente der Windparks verhindern. Die Opferanoden, die hauptsächlich aus Aluminium, aber auch aus Zink und Schwermetallen bestehen, lösen sich im Wasser nach und nach auf. Eine Umweltfolgenabschätzung dazu gibt es bislang nicht.”
Allein für den inneren Rostschutz der Stahltürme, auf denen die Offshore-Windräder montiert sind, werden nach Spiegel-Informationen über eine Lebensdauer von 25 Jahren bis zu zehn Tonnen Aluminium in das Seewasser abgegeben – bei jedem Turm. Das habe die Bundesanstalt für Wasserbau errechnet.
Es bestehe zwar die Möglichkeit, den Stahl elektrisch vor Rost zu schützen. Diese Technik sei aus der Schifffahrt bekannt, allerdings sei diese wartungsaufwendiger und damit teurer, erklärt der Spiegel.
“Nichts Genaues weiß man nicht”
Den damaligen Berechnungen der Bundesanstalt zufolge könnte das Ausbauziel von 6.500 MW (6,5 GW) Offshore-Windparks bis 2020 eine zusätzliche Belastung von rund 13.000 Tonnen Aluminium für Nord- und Ostsee bedeuten.
Am 31. Dezember 2022 waren nach Angaben von Deutsche Windguard in Deutschland 1.539 Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) mit einer Leistung von insgesamt 8.100 MW in Betrieb. Bis 2027 erwartet das Beratungsunternehmen die Inbetriebnahme aller bestehenden und die Realisierung weiterer Projekte, “sodass bei vollständiger Realisierung dieser Projekte die installierte Leistung bis Ende 2027 auf knapp 13.800 MW gesteigert werden kann.”
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie und das Helmholtz-Zentrum Hereon veröffentlichten 2022 in einer gemeinsamen Pressmitteilung Ergebnisse ihres Forschungsprojekts „Stoffliche Emissionen aus Offshore-Windanlagen“ (OffChEm).
Bestandteile von Opferanoden sind Aluminium, Zink, Indium, Gallium, Blei und Cadmium. Indium und Gallium sind dabei Tracer für Opferanoden, da sie natürlicherweise kaum im Meer vorkommen und keine anderen Quellen auf See bekannt sind. Die Forscher untersuchten verschiedene Wasser- und Sedimentproben im Umfeld von mehreren Offshore-Windparks in der Nordsee. Sie stellten vereinzelt erhöhte Konzentrationen von Aluminium, Zink, Indium und Gallium im Wasser fest. Dies könne möglicherweise auf bestimmte Wetterlagen zurückgeführt werden, bei denen das Wasser im Umfeld der Offshore-Windparks nur minimal ausgetauscht und durchmischt wurde, sagen die Forscher. Im Sediment fanden sie vereinzelt auch lokal erhöhte Konzentrationen von Blei. Deren Ursachen seien bislang nicht eindeutig identifizierbar.
Mit anderen Worten: “Nichts Genaues weiß man nicht” (Karl Valentin)
Unmittelbaren Auswirkungen auf die Meeresumwelt erkennen die Forscher nicht. Die Presseerklärung endet mit der unverbindlichen Feststellung: “Auch wenn derzeit keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Meeresumwelt zu erkennen sind, sollen künftig vermehrt sogenannte Fremdstromsysteme zum Korrosionsschutz eingesetzt werden.”
“Sollen” ist ein Appell, kein Gesetz.
Die Forscher räumen ein, “derartige stoffliche Emissionen aus dem Korrosionsschutz von Offshore-Windparks könnten durch den weiteren Ausbau der Offshore-Windenergie weiter zunehmen. “
Mit anderen Worten: Die Zerstörung der Umwelt nimmt weiter ihren Lauf.
Spielplatz für Groß-Konzerne
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Vertreter acht weiterer Länder kamen laut ZDF am 24. April 2023 im belgischen Ostende zusammen, “um den Ausbau von Windparks vor der Küste voranzutreiben und die Nordsee zum grünen Kraftwerk Europas zu machen.”
Neun Staaten – neben Deutschland und Belgien auch die Niederlande, Frankreich, Norwegen, Dänemark, Irland, Luxemburg und Großbritannien – wollen bis 2030 Offshore-Windkraftanlagen mit einer Leistung von 120 Gigawatt bauen.
Bis 2050 sollen mindestens 300 Gigawatt aus der Offshore-Windenergie erzeugt werden. Zugleich soll die Produktion von grünem Wasserstoff in der Nordsee ausgebaut werden. ZDF: “Dies soll dazu beitragen, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen.”
Allein Norwegen plant Seeflächen für 30 GW Offshore Windkraftleistung bis 2040.
Zahlreiche Unternehmen und Konsortien haben Interesse an dem Bau der Windparks gezeigt, darunter Ørsted, Fred. Olsen Renewables und Hafslund Eco, aber auch Equinor ASA, RWE Renewables GmbH, Essen, und Hydro REIN, Skøyen, ein Tochterunternehmen des Aluminiumkonzerns Hydro ASA beteiligen sich. Bewerben wollen sich auch der Energieversorger EnBW und Norseman Wind. Auch die Öl- und Gaskonzerne BP und Equinor wollen mitmischen, genauso wie Shell und die norwegischen Stromkonzerne BKK AS und Lyse AS.
Ausblick: Die “dezentrale Energieversorgung” stärkt die Energiekonzerne
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) verteilte 2013 Materialpakete zu den Themen “Energiewende von unten” und “Die Wende – Energie in Bürgerhand”. In dem Aufruf heißt es: “Die Energiewende geht voran”
Die Kampagne des BUND richtete sich gegen die “alte Energiewirtschaft”, die nach Meinung des BUND die Energiewende mit allen Mitteln bekämpft: “Sie will ihre Profite sichern — und so lange wie möglich an konventionellen Energien und den zentralistischen Strukturen mit großen Kraftwerken festhalten.”
Aus diesem Grund propagierten der BUND und insbesondere die Partei der Grünen die dezentrale Energieversorgung. Eon wirbt noch heute mit der verlockenden Aussicht auf eine dezentrale Energieversorgung, obwohl es weder damals noch heute darum ging, die Haushalte von Energie-Konzernen unabhängig zu machen, wie die Energiewender es propagierten. In einer Kolumne für Eon schreibt Xiaohu Tao: “Dezentrale Energiesysteme forcieren die Weiterentwicklung und Transformation der Energiewirtschaft. Diese neuen Systeme nutzen die Möglichkeiten der industriellen Megatrends Dezentralisierung, Dekarbonisierung und Digitalisierung und ermöglichen es den Bürgern, in einem noch nie dagewesenen Tempo an der Energiewende teilzunehmen.”
Die Vision der Grünen nimmt Gestalt an – immerhin hat Jeremy Rifkin, ein grüner Prophet, den die taz 2011 als “das grüne Gewissen des Planeten” bezeichnete, der Hoffnung auf einen Wandel der Machtverhältnisse durch dezentrale Energieversorgung eine deutliche Absage erteilt.
Die großen Energieversorgungsunternehmen haben Jeremy Rifkin sehr gut verstanden. Er war einer der wichtigsten Berater der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Berater der Energiekonzerne.
Durch die Übernahme des Gesamtmanagements, die Rifkin den Energiekonzernen 2013 empfahl, erhalten die neuen Enegiekonzerne nicht weniger, sondern mehr Macht.
Zehn Jahre später bestätigt sich unsere damalige Einschätzung: “Es wird nicht demokratischer, sondern zentralistischer und dirigistischer zugehen als je zuvor. Es wird neue Herren der Energieversorung geben, die den Gesamtüberblick und die Verfügungsmacht über die Gesamtentwicklung der Energieversorgung haben werden. Ihnen unterliegt die komplette Kontrolle über die Verteilung des Stroms. Sie werden auch die Bedingungen dafür definieren, ob und wie überschüssiger Strom von welchen dezentralen Produzenten weitergeleitet wird.”
Mit Offshore-Windkraftanlagen entziehen sich die Energiekonzerne großen Bürgerbeteiligungen und einer stärkeren demokratischen Kontrolle, ohne Rechenschaft über den tatsächlichen Nutzen, die Kosten für die Verbraucher und den Umweltschaden, den sie anrichten, ablegen zu müssen.
Erich Boson
Links
https://hereon.de/innovation_transfer/communication_media/news/106736/index.php.de
https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/_migrated/publications/130429_bund_Klima_energie_volle_kraft_voraus_energiewende_von_unten.pdf
https://energy.ec.europa.eu/topics/renewable-energy/offshore-renewable-energy_en