Beobachtungen aus dem Revier

Überwachung im öffentlichen Raum: Objektschutz an Windkraftanlagen im Harthäuser Wald

Windkraftgegner sind wegen der Warnschilder an der Windkraftanlage W-I-4 im “Windindustriegebiet Harthäuser Wald”auf der Gemarkung Widdern alarmiert. Die Warnschilder markieren eine No-Go-Area – “Betreten verboten” und “Achtung! Videoüberwachung”. Die Bürgerinitiative “”Schutzgemeinschaft Harthäuser Wald e.V.” überlegt, rechtlich prüfen zu lassen, “inwieweit die Umwandlung eines Erholungsgebiets zum videoüberwachten Industriegebiet rechtmäßig und mit dem Datenschutz vereinbar ist.” Über das Motiv des Betreibers wird spekuliert. Möchte er Beweismittel sichern, dass Windkraftgegner tote Vögel am Betonfuß ablegen, um Windkraftanlagen als Vogelschredder in Verruf zu bringen? Befürchtet der Betreiber vielleicht Anschläge auf die Anlage? Oder hat er selbst etwas zu verbergen?
Das Foto (oben) wurde von Gunther Jordan am 30.07.2016, 17:30 Uhr gemacht.

“Achtung! Videoüberwachung” – im Harthäuser Wald

Im Harthäuser Wald im Kreis Heilbronn wurde ein Windkraftprojekt mit insgesamt 14 Windkraftanlagen in den Gemeinden Hardthausen, Jagsthausen, Widdern und Möckmühl aufgestellt. Als Betreiber des derzeit größten Windparks in Baden-Württemberg werden vom Regionalverband Heilbronn-Franken vier Bürgerenergiegenossenschaften genannt. Tatsächlich aber wird der Windpark von ZEAG Energie betrieben; die Gemeinden Hardthausen am Kocher, Widdern, Möckmühl, Forchtenberg und Jagsthausen sind am Windpark beteiligt – kein freiwilliger Zusammenschluss von Bürgern, wie die Bezeichnung “Bürgergenossenschaften” suggeriert. Der Energieversorger ZEAG Energie AG, Heilbronn, befindet sich im Mehrheitsbesitz der EnBW AG. Offenbar gibt es nicht vier, sondern nur eine einzige “Bürgergenossenschaft”, die BürgerEnergiegenossenschaft Hardthausen eG, die zurzeit lediglich aus 313 Mitgliedern besteht.

Windindustrieanlage Harthäuser Wald. Foto: Gunther Jordan
Windindustrieanlage Harthäuser Wald. Foto: Gunther Jordan

Am 29. Juli entdeckten Mitglieder der Bürgerinitiative “Schutzgemeinschaft Harthäuser Wald e.V.” die Warnschilder “Betreten verboten” und “Achtung! Videoüberwachung” an einer der Anlagen.

Die Bürgerinitiative “Schutzgemeinschaft Harthäuser Wald e.V.” sieht einen engen Zusammenhang zwischen der Ignoranz der Betreiber, den massenhaften Tod von Greifvögeln und Fledermäusen durch Windkraftanlagen zur Kenntnis zu nehmen, und dem Einbau einer  Überwachungsanlage. Die Bürgerinitiative vermutet, dass die Betreiber der Anlage der Bürgerinitiative unterstellen, tote Vögel am Fuß der Anlage abgelegt zu haben. Denkbar ist für die Bürgerinitiative aber auch, dass die Betreiber die Möglichkeit nutzen, Schlagopfer, die sie auf dem Monitor entdecken, schnell beseitigen zu können. Das wäre nicht unwahrscheinlich, wenn die Energiegenossenschaften keine Auflagen (Abschaltzeiten) einhalten sollten.

Zügellose, flächendeckende Industrialisierung des Harthäuser Waldes

Dr. Jochen Bellebaum von der Deutschen Wildtier Stiftung kritisiert das Windkraft-Projekt im Harthäuser Wald, die Liste der Abholzungen werde immer länger:

“So wurden im Harthäuser Wald, einem bedeutenden Laubwaldgebiet in Baden-Württemberg, vor Ende der Einspruchsfrist 150-jährige Bäume gefällt, obwohl in diesem wichtigen Wildtierlebensraum 17 Fledermausarten leben – darunter die stark gefährdeten Bechstein- und Mopsfledermäuse.”

Windkraftprojektierer und -betreiber stehen bundesweit häufig im Verdacht, nachgeholfen zu haben. “Bei Rodungsarbeiten in Pamsendorf in der Oberpfalz (Bayern) wurden Horste freigelegt, die möglicherweise von seltenen Greifvögeln oder Schwarzstörchen stammen, obwohl gegen den Windpark Klagen des Bayerischen Jagdverbandes und einer Nachbargemeinde laufen. Auch bei Kleinmünster in Bayern wird schon gerodet, obwohl auch hier Klageverfahren laufen. Der Wald ist Lebensraum des seltenen Uhus und von sechs Fledermausarten. Auf der “Breiten First” im hessischen Sinntal werden Rodungen die Lebensräume von Rotmilan, Schwarzstorch und der seltenen Mopsfledermaus erreichen”, berichtet die Deutsche Wildtier Stiftung.

In einem offenen Brief wendet sich die Schutzgemeinschaft Harthäuser Wald e.V. an das Umweltministerium, an das Landratsamt Heilbronn sowie an die den Landkreis Heilbronn vertretenden Mitglieder des Landtags mit dem Ziel, “den Harthäuser Wald vor tiefgreifenden, irreparablen Eingriffen zu schützen. Wir wollen ihn so in seinen lebenswichtigen Funktionen für Pflanze, Tier und Mensch nicht nur für uns heute, sondern auch künftigen Generationen als Quell vielfältiger Lebensqualität und einzigartige Stätte der Erholung erhalten.”

Kein Schutz der Wälder

Das Niedersächsische Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung, § 23 Recht zum Betreten, besagt, dass jeder Mensch die freie Landschaft (§ 2 Abs. 1) betreten und sich dort erholen darf. Dieses Recht findet laut Gesetz seine Grenze “in einer für die Grundbesitzenden unzumutbaren Nutzung, insbesondere durch öffentliche Veranstaltungen oder eine gewerbsmäßige Nutzung.” Windkraftindustrieanlagen dienen der gewerbsmäßigen Nutzung. Der Grundbesitzer darf demnach, wenn er will oder ihm die Versicherung dies vorschreibt, das Betreten des Industriegeländes verbieten.

Das Landesforstgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesforstgesetz – LFoG), Stand vom 16.7.2016, sieht vor, dass der Waldbesitzer den Zutritt zu bestimmten Waldflächen ausschließen und untersagen kann (§ 4). Die Genehmigung kann durch die Forstbehörde erteilt werden, “wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt und das Sperren unter Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit vertretbar ist.” Mit dieser dehnbaren Formulierung können sämtliche strengen Vorschriften für die Benutzung des Waldes umgangen werden. Das Fahren im Wald (mit Ausnahme des Radfahrens und des Fahrens mit Krankenfahrstühlen auf Straßen und festen Wegen) sowie das Zelten und das Abstellen von Wohnwagen und Kraftfahrzeugen im Wald, sogar das Reiten im Wald, sind verboten. Für drei im Butzbacher Wald projektierte Anlagen sind beispielsweise ca. 2.500 LKW-Fahrten von und zu den Baustellen notwendig, hat der “Verein Naturpark Hochtaunus darf nicht sterben e.V.” errechnet.

Wie groß ist das Industriegelände einer Windkraftanlage?

Die Angabe der Fläche für den Bau einer Windkraftindustrieanlage kann sich auf das Fundament und einen Außendurchmesser von etwa 21 m beziehen, aber auch die Gesamtfläche, die für die Aufstellung der Anlage erforderlich ist, bei großen Anlagen wäre dies zum Beispiel eine Fläche von 5 ha/50.000 m². Versicherungen werden sich am Gefahrenbereich von Windkraftindustrieanlagen orientieren, nicht an der Größe des Fundaments.

Am 23.02.14 brannte in Echtrop, Ortsteil der Gemeinde Möhnesee im Kreis Soest, Nordrhein-Westfalen, ein Windrad ab. „Trümmerteile sind bislang in einem Umkreis von bis zu vierhundert Metern auf dem Boden aufgeschlagen, und es kann nach wie vor noch etwas herunterfallen, auch wenn das Feuer aus ist“, sagte die Feuerwehr. Für diese relativ kleine Anlage mit einer Nabenhöhe von nur 67 m könnte eine Verbots-Fläche 16 ha/160.000 m² betragen. Die großen Anlagen, die heute in der Regel gebaut werden, sind doppelt so hoch. Noch sammeln die Versicherungen Daten, Versicherungsvorschriften zur Einzäunung von Gefahrenbereichen der Windkraftanlagen gibt es (noch) nicht.

Was wären Industrieanlagen ohne den Warnhinweis “Betreten verboten”?

Gesperrte Waldflächen in NRW sind durch Schilder kenntlich zu machen, die das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen vorschreibt. Eingatterungen von Waldflächen sind vom Landesforstgesetz NRW nur zum Schutz von Forstkulturen, Saatkämpen und Pflanzgärten zulässig, Sperrungen nur aus wichtigen Gründen des Forstschutzes, der Waldbewirtschaftung, der Wildhege oder der Jagdausübung. Windkraftindustrieanlagen im Wald werden im neuen Landesforstgesetz nicht erwähnt. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass tausende von ihnen in den Wäldern von NRW errichtet werden sollen.

Wie weit reichen die Privilegien der Windkraftindustrie? Denn unabhängig von den jeweiligen Landesbestimmungen dürfen Industrieanlagen in der Regel nicht betreten werden.
Diese Regel gilt auch für Kraftwerksgelände, Krananlagen, Hafengelände, Umschlagstellen, Hebewerke, Schleusenanlagen, Bauhöfe, Stege, Wehre, usw., es sei denn, es sind eigens ausgeschilderte Besucherzugänge vorgesehen.

Überwachung

Wir wissen nicht, welche Überwachungseinrichtung von den Energiegenossenschaften im Harthäuser Wald eingesetzt wurde. Aber ein Beispiel aus der Technik macht deutlich, wie weit der Eingriff in Persönlichkeitsrechte mit Hilfe einer Video-Überwachungseinrichtung bei einem Spaziergang im Wald möglich ist.

Zur Überwachung von Gebäudefronten, Flachdächern und auch Freiflächen empfiehlt das Fachportal g+h (Gebäudetechnik und Handwerk) den Objektschutz-Sensor LMS an. Er habe eine ganze Reihe von Vorteilen: hohe Reichweite, große Erfassungssicherheit bei jeder Tageszeit und Wettersituation sowie flexibel anpaßbare Überwachungsfelder. Eindringlinge werden nicht nur sicher erkannt, sondern auch ihr Aufenthaltsort ermittelt und überwacht.”

Reichweiten bis zu 30 Meter sollen sich auch bei Regen, Schneetreiben oder Nebel zuverlässig überwachen lassen. “Die Software des Objektschutzsensors wertet die Scannerdaten aus und ermittelt zudem Entfernung und Winkel einer erkannten Person innerhalb des Überwachungsfeldes. Dadurch ist das LMS in der Lage, Aussagen über die genaue Position des ungebetenen Besuchers zu machen. Verfügt der Anwender über ein entsprechendes Objektüberwachungs-Gesamtsystem, kann er die Daten des LMS in seiner Software prinzipiell berücksichtigen, beispielsweise um Überwachungskameras zu triggern und gezielt zu führen.” Alarmmeldungen können “abgestuft auf die zunehmende Annäherung einer Person an das Gebäude” generiert werden. “Mittels dieser Informationen ist es möglich, je nach Objektgefährdung unterschiedliche Schutzmaßnahem einzuleiten – vom Auslösen einer Sirene bis hin zur Anforderung einer Wachmannschaft.”

Sollte die Überwachung öffentlichen Raumes durch private Unternehmen legal sein und Schule machen, ist damit zu rechnen, dass mit fortschreitendem Windwahn “die gesamte Fläche Deutschlands von Flensburg bis nach Berchtesgaden, von Aachen bis nach Görlitz im Abstand von durchschnittlich 8 km mit Windparks zugebaut“, von denen allerdings nur Zufallsstrom geliefert würde. Aber das Überwachungsnetz, das jeden Schritt der Bürger bereits per Handy und in Städten verfolgen kann, wäre weiter geschlossen und lieferte zusätzlich die Bilddaten.

 

Schutzgemeinschaft Harthäuser Wald e.V.:

 

 

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