Gelingt es, einem Gegner einen Zirkelschluss nachzuweisen, ist er aus philosophischer Sicht zerstört. Bei einem Zirkelschluss bestimmt die Schlussfolgerung (Ein Lockdown verhindert die Verbreitung der Infektion mit Coronaviren) die Beweisführung. Die Argumente werden für glaubhaft gehalten, weil man von der Schlussfolgerung überzeugt ist. Die Professoren Stefan Homburg und Christof Kuhbandner weisen nach, dass 60 britische Wissenschaftler unter Federführung von Seth Flaxman diesem Fehlschluss erlegen sind. Deren Beitrag wurde am 8. Juni 2020 im Magazin Nature, das neben der US-amerikanischen Science als die weltweit angesehenste Zeitschrift für Naturwissenschaften gilt, veröffentlicht. Homburg und Kuhbandner kommen in ihrer Analyse zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung eines der Schlüsselkonzepte in der Epidemiologie, die Reproduktionszahl R (t), der Lockdown in Großbritannien sowohl überflüssig als auch ineffektiv war. Ihr Preprint für Nature ist veröffentlicht und sollte nach erfolgtem Peer-Review ebenfalls von Nature gedruckt werden.
Wissenschaftler, die einen Zirkelschluss verwenden, sind katastrophal fahrlässig
In einem gemeinsamen Beitrag hatten Seth Flaxman, das Imperial College COVID-19 Response Team, Neil M. Ferguson (Spitzname “Lockdown-Ferguson”), insgesamt etwa sechzig Wissenschaftler (kurz: Flaxman-Papier oder Flaxman et al.) erklärt:
“Unsere Ergebnisse zeigen, dass wichtige nicht-pharmazeutische Interventionen und insbesondere der Lockdown einen großen Einfluss auf die Reduzierung der Übertragung hatten. Eine fortgesetzte Intervention sollte in Betracht gezogen werden, um die Übertragung von SARS-CoV-2 unter Kontrolle zu halten.”
“Flaxman und seine Freunde haben einfach Sachen erfunden, die sich durch die Daten, die sie selbst verwenden, als falsch erweisen”, widersprechen Homburg und Kuhbandner.
Prof. Dr. rer. pol. Stefan Homburg, ist Geschäftsführer des Instituts für Öffentliche Finanzen an der Leibniz Universität Hannover, mit den Schwerpunkten in Forschung und Lehre: Steuerlehre und Steuerrecht, Makroökonomik, Finanzausgleich und Sozialpolitik.
Prof. Dr. Christof Kuhbandner, ist Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie VI an der Universität Regensburg.
Wissenschaftler, die einen Zirkelschluss verwenden, seien katastrophal fahrlässig, sagen die beiden Professoren. Die Begründung für den Lockdown dürfe keinen Zirkelschluss enthalten. Das Flaxman-Papier verstoße gegen diesen Grundsatz der Logik. Der Zirkelschluss steckt nach ihrer Auffassung in der Annahme, dass die nicht-pharmazeutischen Interventionen (Lockdown) in 11 europäischen Ländern Millionen von Menschenleben gerettet haben sollen.
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Wie konnte dieser Zirkelschluss entstehen? Er konnte entstehen, sagen Homburg und Kuhbandner, weil das Schlüsselkonzept in der Epidemiologie, die effektive Reproduktionszahl R (t), ignoriert worden sei.
Das Schlüsselkonzept in der Epidemiologie: die effektive Reproduktionszahl R (t)
Unbestritten gilt die effektive Reproduktionszahl R (t), wobei t die Zeit bezeichnet, als ein Schlüsselkonzept in der Epidemiologie. Die Funktion repräsentiert die erwartete Anzahl von Infektionen, die von einer infizierten Person erzeugt werden. Das Robert-Koch-Institut definiert: “Der R-Wert ist eine epidemiologische Kennzahl, um die Dynamik des Ausbruchsgeschehens zu beschreiben”, wobei t den Zeitpunkt oder das Zeitintervall angibt.
R (0) wird als Grundreproduktionszahl bezeichnet und nimmt monoton ab. Die monotone Abnahme ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Anzahl der Personen, die für die Infektion anfällig, aber noch nicht infiziert sind, mit der Ausbreitung des Virus abnimmt. Natürlich könne die Funktion R (t) durch nicht-pharmazeutische Interventionen (NPIs) sowie durch freiwillige Verhaltensänderungen beeinflusst werden, sagen Homburg und Kuhbandner. Im Falle einer endlichen Population sinkt die effektive Reproduktionszahl jedoch automatisch und notwendigerweise im Laufe der Zeit, da die Anzahl der Infektionen sonst divergieren, das heißt ins Unendliche auseinanderstreben würde.
(Keith Rushworth, ein pensionierter Lehrer für Naturwissenschaften, empfiehlt: “Wenn es Ihnen nicht klar ist, lesen Sie Epidemiologie für Dummies, hier, oder lesen Sie es ein zweites Mal!”)
Homburg und Kuhbandner stellen fest: “Das Modell von Flaxman et al. widerspricht dieser elementaren Einsicht. Sie schätzen R (t) aus den täglichen Todesfällen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2, indem sie a priori einschränken, dass sich R (t) nur zu den Zeitpunkten ändert, wenn Interventionen wirksam werden.”
Ein solcher Ansatz beweise nicht, dass NPIs wirksam waren, sondern umfasse eine zirkuläre Logik. Die tatsächliche effektive Reproduktionszahl nimmt kontinuierlich ab, und wenn sich ihre Schätzungen nur an Interventionspunkten ändern dürfen, sei klar, dass tiefgreifende Diskontinuitäten auftreten werden, die den Interventionen starke Auswirkungen zuschreiben. Flaxman et al. (S. 2) kommen unter dieser Vorannahme zu dem Schluss, dass die meisten NPIs zwar nicht identifizierbare Auswirkungen hatten, Lockdowns jedoch die Reproduktionszahlen sofort um 82% reduzierten. In Abb. 1 zeige sich, dass Flaxman et al. soziale Distanzierung usw. für unwirksam halten, dass der Lockdown vom 23. März hingegen eine enorme Auswirkung hat.
Die Abbildung von Flaxman et al. verdiene eine besondere Erklärung, sagt Keith Rushworth. Er fügte einige Beschriftungen hinzu, um es klarer zu machen.
Flaxman et al. (S. 2) nahmen die R (t) -Konstante vor dem 14. März und nach dem 23. März an. Änderungen waren nur an den vier Daten zulässig, an denen NPIs wirksam wurden. Sie ignorieren, dass R (t) auf natürliche Weise sinkt, sagen Homburg und Kuhbandner. Die effektive Reproduktionszahl sieht nun so aus, als würde sie nicht allmählich, sondern sprunghaft abfallen.
Diese Annahme ist aus der Sicht von Homburg und Kuhbandner blind und offensichtlich falsch.
Ableitung der Grundreproduktionszahl
Ein weiterer fehlerhafter methodischer Ansatz bei Flaxman et al. sei, dass sie ihre Schätzung der Grundreproduktionszahl aus dem anfänglichen Wachstum der gemeldeten täglichen Todesfälle ableiten. Im Unterschied zu den britischen Wissenschaftlern verfolgen Homburg und Kuhbandner das Wachstum der gemeldeten täglichen Todesfälle über einen längeren Zeitraum. Sie sehen darin einen guten empirischen Indikator, der die Entwicklung der effektiven Reproduktionsrate widerspiegelt. “Natürlich folgen Todesfälle nach einer langen Verzögerung auf Infektionen – eine Tatsache, die im Folgenden berücksichtigt wird.”
Die Abb. 2 zeige das tatsächliche Wachstum der gemeldeten täglichen Todesfälle.
Die Argumentation der beiden Professoren lautet: Wenn die täglichen Todesfälle ein exponentielles Wachstum aufweisen, müsse jeder gleitende Durchschnitt auch ein exponentielles Wachstum aufweisen. Tatsächlich ergeben die Zahlen jedoch ein anderes Bild. Ohne Berücksichtigung des Datenrauschens (d.h. natürlich vorhandene Variationen in den Daten) sei das Wachstum der täglichen Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus im März und April stetig zurück gegangen, sagen Homburg und Kuhbandner. “Darüber hinaus folgen gemeldete tägliche Todesfälle auf Infektionen mit einer mittleren Verzögerung von 23 Tagen, bestehend aus einer Inkubationszeit von 5 Tagen und einer mittleren Verzögerung von etwa 18 Tagen vom Auftreten der Symptome bis zum Tod. Beachten Sie, dass diese Verzögerung auch den Schätzungen von Flaxman et al. (S. 22 ihrer Zusatzinformationen) entspricht.”
Daraus folgt, dass angesichts einer Gesamtverzögerung von 23 Tagen zwischen Infektion und Tod mögliche Auswirkungen der Sperrung vom 23. März erst um den 15. April in den Daten sichtbar sein müssten. Die Serie von Flaxman und seinen Kollegen zeige jedoch nicht die geringste Unterbrechung Mitte April. Der Wachstumsfaktor war bereits von 1,54 auf 0,97 gesunken und setzte danach seine Verlangsamung fort.
“Im Gegensatz zu den Ergebnissen von Flaxman et al. weist Abb. 2 stark darauf hin, dass der Lockdown in Großbritannien sowohl überflüssig (er verhinderte kein ansonsten explosives Verhalten der Ausbreitung des Coronavirus) als auch unwirksam (er verlangsamte die Wachstumsrate des Todes nicht) war.
Da die Wachstumsrate der täglichen Todesfälle durch Korona seit Mitte März zurückgegangen sei, müsse die zugrunde liegende Wachstumsrate der täglichen Infektionen in der zweiten Februarhälfte zurückgegangen sein, lange bevor das Problem erkannt und Maßnahmen ergriffen wurden.
“Die in Abb. 2 gezeigte kontinuierliche Abnahme des Wachstumsfaktors, selbst zu Zeitpunkten, bevor ein NPI hätte wirksam werden können, bestätigt die theoretische Erkenntnis, dass R (t) mit der Zeit automatisch abfällt. Wir haben überprüft, dass die Wachstumsfaktoren in den verbleibenden 10 Ländern ein ähnliches Muster zeigen.”
Die letzte Bemerkung Homburgs und Kuhbandners bezieht sich auf Schweden, “das einzige Land im Datensatz, das von starken Maßnahmen Abstand genommen hat, aber weniger Pro-Kopf-Todesfälle durch Korona aufweist als Belgien, Italien, Spanien oder das Vereinigte Königreich.”
Schweden hatte auf einen Lockdown verzichtet und wies dennoch eine Reproduktionszahl auf, die auf die übliche Weise abnahm. Flaxman et al. führen den plötzlichen Rückgang des schwedischen R (t) am 27. März fast ausschließlich auf das Verbot öffentlicher Veranstaltungen zurück, auf einen NPI, den sie, wie Homburg und Kuhbandner monieren, in allen anderen Ländern als unwirksam empfanden. Die beiden Professoren sehen sich durch diese Annahme in ihrer Kritik an den 60 Wissenschaftlern um Flaxman bestärkt: “Diese Inkonsistenz unterstreicht unsere Behauptung, dass die Ergebnisse von Flaxman et al. Artefakte eines unangemessenen Modells sind.”
Fazit
Die zutiefst beunruhigende Schlussfolgerung der Professoren Homburg und Kuhbandner sei, dass der Lockdown sowohl überflüssig als auch ineffektiv war, sagt Keith Rushworth. Ihre Einschätzung werde sowohl durch die Grundlagen der Epidemiologie als auch durch die spezifischen Daten gestützt. “Eine Reihe von Beweisen deutete bereits darauf hin. Jetzt haben die deutschen Professoren die Lüge des Lockdowns mit beispielloser Präzision und Klarheit zerstückelt.”
Für den Fall, dass eingewendet werden sollte, die beiden deutschen Professoren, die den Lockdown entlarvten, seien keine Epidemiologen, und sollte sich jemand fragen, ob er ihnen oder Prof. Ferguson vertrauen sollte, antwortet Rushworth:
“Prof. Ferguson wurde in Physik und nicht in Epidemiologie ausgebildet, daher ist keiner von ihnen Epidemiologe. Einer von ihnen hat tatsächlich eine lange Erfolgsgeschichte in der Epidemiologie, wenn auch eine von katastrophalen, verrückten, übertriebenen epidemischen Vorhersagen. Folge der Wissenschaft, nicht dem Mann.”
Der Originalartikel von Flaxman et al. Im Nature Magazine enthält eine Reihe interessanter kritischer Kommentare von anderen Wissenschaftlern.
Stefan Homburg, Christof Kuhbandner: <strong>Comment on Flaxman et al.</strong>
Quellen:
Flaxmann et al. Estimating the effects of non-pharmaceutical interventions on COVID-19 in Europe. Nature in press, 2020. https://doi.org/10.1038/s41586-020-2405-7.
Comment on Flaxman et al. (2020, Nature, https://doi.org/10.1038/s41586-020-2405-7): The illusory effects of non-pharmaceutical interventions on COVID-19 in Europe
Authors: Stefan Homburg (Leibniz University Hannover, Department of Public Finance, Germany), Christof Kuhbandner (University of Regensburg, Department of Human Sciences, Germany) https://epidemiologyexplained.com/wp-content/uploads/2020/06/2020-Comment-Flaxman-Preprint.pdf
Keith Rushworth, SMOKING GUN: Two German Professors Expose the Junk Lockdown Science. https://epidemiologyexplained.com/smoking-gun-two-german-professors-expose-the-lockdown-lie/
Presse und Internisten in Deutschland (Beispiele)
“Corona-Auflagen könnten 3,1 Millionen Todesfälle in Europa verhindert haben” https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/coronavirus-lockdown-todesfaelle-1.4932093
Studien: Maßnahmen gegen Corona-Ausbreitung verhinderten viele Tote
https://www.bdi.de/politik-und-presse/nachrichten/ansicht/article/studien-massnahmen-gegen-corona-ausbreitung-verhinderten-viele-tote/
Titelfoto: Queven, pixabay
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