Davos

Davos 2021 – WEF fordert “Great Reset”

Das Thema des nächsten Weltwirtschaftsforums (WEF) 2021 in Davos dreht sich um die Überlebensfähigkeit des Kapitalismus und einen vom Forum für notwendig erachteten “Great Reset”.

Davos: “Was für einen Kapitalismus wollen wir?”

Dass sie nicht mehr weitermachen können wie bisher, ist den Führungskräften in Wirtschaft und Politik bewusst. Die zentrale Frage zur Zukunft des kapitalistischen Systems lautet für das World Economic Forum (WEF) daher:

“Was für einen Kapitalismus wollen wir? Das mag die entscheidende Frage unserer Zeit sein. Wenn wir unser Wirtschaftssystem für zukünftige Generationen erhalten wollen, müssen wir sie richtig beantworten.”

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) propagiert einen gewandelten Kapitalismus. Klaus Schwab, Gründer und Executive Chairman des Weltwirtschaftsforums, bezeichnet ihn als als “Stakeholder-Kapitalismus“.

Das Davos Manifest 2020 des WEF beschreibt den universellen Zweck eines Unternehmens in der vierten industriellen Revolution mit folgenden Worten:

“Der Zweck eines Unternehmens besteht darin, alle seine Stakeholder in die gemeinsame und nachhaltige Wertschöpfung einzubeziehen. Bei der Schaffung eines solchen Wertes dient ein Unternehmen nicht nur seinen Aktionären, sondern allen seinen Stakeholdern – Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, lokalen Gemeinschaften und der Gesellschaft insgesamt.”

zfb

Das Ziel des WEF ist im Davos Manifest 2020 formuliert:

“Der beste Weg, um die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten zu verstehen und zu harmonisieren, besteht darin, sich gemeinsam für Richtlinien und Entscheidungen zu engagieren, die den langfristigen Wohlstand eines Unternehmens stärken.”

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Ausdruck „marktkonforme Demokratie“, der 2012 in den Medien die Runde machte, zwar selbst nicht benutzt. Aber er trifft möglicherweise ihr Anliegen, Wege zu finden, “die parlamentarische Mitbestimmung so zu gestalten, dass sie trotzdem auch marktkonform ist”.

Diese Vorstellung beinhaltet mehr als nur die Schaffung von Rahmenbedingen für eine funktionierende Wirtschaft. Sie enthält die Vorstellung von einer Synchronisation systembedingter unterschiedlicher Interessen in einem auf Kapitalismus basierenden Wirtschaftssystem. Das Ergebnis der Synchronisation kann unter den Bedingungen des Kapitalismus nur so gestaltet sein, dass der wirtschaftlich mächtigere Partner den Ton angibt. Und das ist zweifellos das Groß- und Finanzkapital. In diesem System finden Stakeholder ihren Platz, ohne das kapitalistische System zu gefährden.

Was ist ein “Stakeholder”?

“Stakeholder” ist ein Begriff aus der Wirtschaft. Er stammt aus dem Englischen und setzt sich aus den beiden Worten stake und holder zusammen. Das Wort stake bedeutet Anspruch oder Anteil, holder bedeutet Besitzer oder Eigentümer.

Als Stakeholder werden in der Wirtschaft alle Personen, Gruppen oder Institutionen bezeichnet, die von den Aktivitäten eines Unternehmens direkt oder indirekt betroffen sind oder die irgendein Interesse an diesen Aktivitäten haben. Stakeholder können Anteilseigner oder Eigentümer, ebenso wie Kunden, Lieferanten, Gläubiger, natürliche Personen oder auch juristische Personen sein.

In einem weiteren Sinne werden als Stakeholder alle Menschen bezeichnet, die ein Interesse am Ausgang eines Projektes haben, egal ob sie daran mitarbeiten, davon in irgendeiner Weise betroffen sind, oder einfach nur ein Interesse am Ausgang haben. Dies können zum Beispiel Umwelt- sowie weitere Organisationen sein. Sie werden in eine Projektarbeit einbezogen, sofern ihre Einbeziehung für die Projektergebnisse von Bedeutung ist.

Auf welche Weise Stakeholder in unternehmerische Entscheidungen einbezogen werden, erklärt ein Unternehmen, das andere Unternehmen wie zum Beispiel Siemens, Continental, Adolf Würth, Roche, Haufe Verlag oder BEHR Industry berät. Drei Strategien werden hier unterschieden, die den gesellschaftlichen Gruppen zu Denken geben sollten: Eine partizipativen Strategie beispielsweise gegenüber Auftraggebern, eine diskursive Strategie bei wichtigen Interessensperson mit hohem Einfluss, die dem Projekt eher skeptisch gegenüberstehen, um der Einstellung des Stakeholders entgegenzuwirken, und eine repressive beziehungsweise restriktive Strategie, die sich für alle weiteren Stakeholder meist als erfolgreich erwiesen hat.

Die repressive Strategie beinhaltet, dass der Stakeholder zwar fortlaufend über den Stand des Projektes – beispielsweise via Newsletter – informiert und je nach Bedarf gehört werden kann, aber im Unterschied zum Shareholder weder alles wissen darf noch ein Stimmrecht haben wird.

Der Stakeholder wird lediglich “mitgenommen”, wodurch sein Wir-Gefühl und seine Illusion gestärkt werden, an Entscheidungen teilzuhaben. Von Entscheidungen bleibt er jedoch ausgeschlossen.

Das Stakeholdermanagement dürfte inzwischen so weit ausgefeilt sein und sich in Großunternehmen bewährt haben, dass das Weltwirtschaftsforum darauf zurückgreifen und zahlreiche Freunde für den Stakeholder-Kapitalismus gewinnen kann. Mit diesem Konzept hat sich das WEF mittlerweile zum Vorreiter einer neuen Weltordnung gemacht.

Die gesellschaftliche Schlüsselfunktion der Stakeholder

Das Weltwirtschaftsforum bietet 1.000 weltweit führenden Unternehmen eine Plattform, “um eine bessere Zukunft zu gestalten.” Auf der Informationsseite über die Mitglieder des Forums heißt es weiter: “Nur die anerkanntesten Unternehmen mit nachgewiesenen Erfolgen in Bezug auf gute Unternehmungsführung und Übereinstimmung mit den Werten des Forums sind eingeladen, dieser Gruppe beizutreten.”

Von diesen Unternehmen gehen die unterschiedlichsten Formen des Engagements und der Vernetzungen aus, die dazu dienen sollen, Unternehmen in Projekten und Initiativen – online und offline – einzubeziehen, um branchenbezogene, regionale und systemische Probleme anzugehen.

Die Stakeholder-Strategie eröffnet dem WEF, gestärkt und “legalisiert” durch die Partnerschaft mit der UN, einen direkten Zugang zu Politikern, Umweltverbänden, Kirchen, Gewerkschaften, Universitäten, Schulen und Kinder- und Jugendorganisationen, bis hinunter zur untersten regionalen Ebene. In diesem Sinne beschreibt das WEF seine Mission:

“Das Forum beteiligt die wichtigsten politischen, geschäftlichen, kulturellen und anderen Führer der Gesellschaft, um globale, regionale und industrielle Agenden zu gestalten.”

Von dem Engagement der Umweltschützer profitieren die Lenker in Industrie und Politik. Der „Stakeholder-Kapitalismus“ gewinne unter anderem dank des „Greta-Thunberg-Effekts“ an Dynamik, sagt Klaus Schwab (“‘Stakeholder capitalism’ is gaining momentum, in part thanks to the ‘Greta Thunberg effect’.”). Greta, das 16-jährige Kind, wurde 2019 nach Davos geliefert – wie bestellt.

Würden die Jugendlichen, wenn sie die ihnen zugedachte Funktion kennen würden bei Fridays for Future mitmarschieren? Kennen die Parents for Future, die Omas for Future und selbst die Scientists for Future den Unterschied zwischen Shareholdern und Stakeholdern? Vermutlich nicht.

Der Abschied vom Ehrbaren Kaufmann

Das WEF wurde 1971 als gemeinnützige Stiftung gegründet. Seinen Hauptsitz hat das Forum in Genf, Schweiz. Es stellt sich als unabhängig, unparteiisch und nicht an besondere Interessen gebunden vor, formuliert aber dennoch sein besonderes Interesse. Das WEF erklärt: “Das Forum trachtet bei all seinen Bemühungen danach, das Unternehmertum im globalen öffentlichen Interesse unter Wahrung der höchsten Governance-Standards zu beweisen. Moralische und intellektuelle Integrität steht bei allem, was sie tut, im Mittelpunkt. (“The Forum strives in all its efforts to demonstrate entrepreneurship in the global public interest while upholding the highest standards of governance. Moral and intellectual integrity is at the heart of everything it does.”)

Einige Punkte im Davos Manifest 2020 enthalten den Charme des “Ehrbaren Kaufmanns“. Und doch ist das WEF weit von dem historisch in Europa gewachsenen Leitbild für verantwortliche Teilnehmer am Wirtschaftsleben entfernt. Die Ausnutzung eines 16-jährigen Mädchens zu Werbezwecken, das zudem aufgrund seiner autistischen Besonderheit nur auf bestimmte Aspekte des Lebens fokussiert ist, geht mit der moralischen und intellektuellen Integrität des WEF offenbar konform, ist aber sicher nicht mit dem Leitbild eines ehrbaren Kaufmanns vereinbar.

“Der Übergang zu einer grüneren und gleichberechtigten Wirtschaft ist in greifbarer Nähe”

Die Elite bezeichnet den “Übergang zu einer grüneren und gleichberechtigten Wirtschaft” als einen “globalen Imperativ”. Er sei in greifbarer Nähe. Da der Slogan in sämtlichen Träumen von Managern und Politikern auf die eine oder andere Weise wiederzufinden ist, steht seiner Umsetzung wenig entgegen. Den Führungskräften des Groß- und Finanzkapitals ist es gelungen, sich mit Hilfe von Stakeholdern an die Spitze einer Bewegung zu stellen, die die Krise des Kapitalismus als moralische Krise und nicht als systemisches Problem des Kapitalismus versteht. In dieser Position scheint es alles erreicht zu haben, was möglich schien, aber kaum jemand so schnell erwartet hätte. Die Billionen fließen jetzt in die richtigen Taschen und festigen die Macht der Elite.

Insbesondere die Umweltorganisationen, wie zum Beispiel Friends of The Earth, Greenpeace und die zahlreichen Klimaschutz-Bewegungen wie Fridays for Future und Extinction Rebellion, haben dabei die wichtige erste Hilfe geleistet. Es gelingt der Politik, die kleineren, gewaltbereiten Rebellengruppen, denen die “Große Transformation” (WBGU) nicht schnell genug geht, in Schach zu halten. Sie können die Elite jedoch nicht gefährden.

Das Groß- und Finanzkapital hat seinen dringend benötigten wirtschaftlichen Kompass für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und den Zugang zu politischen Entscheidungsträgern gefunden. Der Bericht zur globalen Wettbewerbsfähigkeit (Global Competitiveness Report 2019) zeige, sagt Klaus Schwab, “dass der Übergang zu einer umweltfreundlicheren und gleichberechtigten Wirtschaft nicht nur möglich, sondern für die Wiederherstellung der Produktivität unabdingbar ist”. Die Technologien der vierten industriellen Revolution böten die Werkzeuge, um diese Vision zu verwirklichen. Ferner sagt er: “Politische Entscheidungsträger, Wirtschaftsführer und internationale multilaterale Systeme müssen zusammenarbeiten, um eine neue Richtung einzuschlagen, und müssen nun mutige und visionäre Entscheidungen treffen, um zu einem Win-Win-Win-Kurs für Wachstum, gemeinsamen Wohlstand und Nachhaltigkeit zu gelangen.”

Faina Faruz

Quellen

http://www3.weforum.org/docs/WEF_The_Great_Reset_AM21_German.pdf

https://www.weforum.org/agenda/2020/07/klaus-schwab-nature-jobs-great-reset-podcast/

https://www.braintool.com/blog/stakeholder/

https://www.globalresearch.ca/global-reset-unplugged/5716178

Titelfoto: VolkerKirsch, pixabay

Werbung

Stelter


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert