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Dezentrale Energieversorgung in den Städten?

“Wir können uns vollständig mit erneuerbaren Energien versorgen, mit einer modernen Infrastruktur, umweltschonenden und dezentralen Erzeugungsanlagen, Stromspeichern und leistungsfähigen Netzen”, lautet ein Versprechen die Grünen. Deutschland soll zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt werden. “Wer eigenen Strom erneuerbar erzeugt, soll dafür keine EEG-Umlage mehr zahlen müssen.” Denken die Grünen dabei an eine dezentrale Energieversorgung in den Städten?

Inhalt

Die Illusionen einer dezentralen Energieversorgung

Die dezentrale Energieversorgung ist eines der wichtigsten Schlagworte, mit denen die Grünen die Energiewende bewerben. Wozu sollten leistungsfähige Netze nötig sein, wenn alle Menschen ihre eigenen, kleineren, dezentralen Wind- und Solarprojekte betreiben, wie die Grünen fordern? Dezentrale Energieversorgung bedeutet im Gegensatz zu zentraler Energieversorgung die Energiebereitstellung durch kleinere Anlagen in Verbrauchernähe.

Offenbar geht es um etwas anderes. Das Pilotprojekt auf Pellworm wurde 2013 mit großem Tamtam gestartet, um die Möglichkeit der Selbstversorgung mit Strom nachzuweisen. Es wurde stillschweigend beendet. Ein weiteres Beispiel ist der kleine Ort Feldheim in Brandenburg. Feldheim sei in der Lage, sich selbst zu versorgen, hieß es. Mit der Bezeichnung „Selbstversorger“ war die Situation des Ortes allerdings nicht korrekt beschrieben. Denn Feldheim produzierte mehr Strom, als es selbst verbraucht, um genau zu sein, 99 Prozent über den eigenen Bedarf hinaus. Wofür war Feldheim also in Wirklichkeit ein Vorzeigemodell?

Tatsächlich machen die Grünen im Bundestag eine erfolgreiche Energiewende nicht von der Selbstversorgung, sondern von “gut ausgebauten und leistungsfähigen Stromnetzen” abhängig. Dazu gehört aus ihrer Sicht “der zügige Bau der beschlossenen Netzausbauvorhaben, um künftig den notwendigen Transport von Windstrom aus dem Norden in den Süden Deutschlands sicherzustellen.” Mit dieser Aussicht verlockt man die Bürger aber nicht dazu, riesige Windkraftanlagen vor ihrer Haustür zu dulden oder ihre Dächer mit Solarpanelen zu bestücken. Die Werbeprofis wissen, dass das Versprechen von finanziellen und anderen Vorteilen das beste Verkaufsargument sind. Was steckt also in der grünen Verpackung mit der Aufschrift “Energieautarkie”, “Selbstversorgung”, “unabhängige Energieversorgung”? Die Antwort ist zumindest bei den Führungskräften der grünen Bewegung bekannt, nicht nur in ihrer Partei.

Im Juni 2013 hielt Jeremy Rifkin, einer ihrer Vordenker und gern gesehener Gast bei Unternehmen und Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine Rede auf dem Dresdner Zukunftsforum. Er sagte: “Große Energieunternehmen von heute müssen sich in eine neue Rolle einfinden, die IT-Unternehmen schon in den 1990er Jahren gefunden haben: weg von der Produktion und hin zu Management und Networking.” (Bücher von Jeremy Rifkin)



Es war unter anderem auch Jeremy Rifkin, der empfahl, dass Energieunternehmen keinen Strom mehr produzieren, sondern das Gesamtmanagement der dezentral handelnden Produzenten übernehmen sollten. In einem Interview mit der Zeit sagte Rifkin, dass deutsche Energieriesen einsähen, dass die wirklichen Wachstumsmöglichkeiten in einem “neuen Geschäftsmodell” für die Energiekonzerne lägen. Das alte Geschäftsmodell sei viel zu teuer, die Stromnetze seien ineffizient und der Emissionshandel werde fossile Energien noch unerschwinglicher machen: „Das ist ein Spiel für Verlierer.”

Die dezentrale Energieversorgung schrumpft auf die Übernahme der Kosten für den Bau, die Wartung, Reparatur und Versicherung von Energieanlagen durch Privathaushalte und Unternehmen zusammen.

Rifkin hat uns deutlich vor Augen geführt, dass es den Grünen um die Digitalisierung der Energiewirtschaft geht, und um nichts anderes. Dieses Interesse teilen sie zum Beispiel mit BITKOM, dem Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationswirtschaft. In einer Stellungnahme erklärte BITKOM 2015, die Digitalisierung der Energiewirtschaft sei unabdingbar. Sie müsse zügig vorangetrieben werden.

“Reichskrafttürme” – eine etwas ältere Idee

Die Idee der dezentralen Energieversorgung in den Städten mit Hilfe von Windraftanlagen war ein Favorit Adolf Hitlers. Sie erhielten den Namen “Reichskrafttürme”.

500 Meter hoch, drei und mehr riesige Rotoren mit einem Durchmesser von 160 Metern und einer Leistung von 20 Megawatt. Dies war eine Vision für Windkraftanlagen aus den 1930er-Jahren von Hermann Honnef. “In Weimar forschte der Luftfahrttechniker Ulrich Hütter an Windkraftanlagen für die Nazis. Das Projekt war streng geheim und ganz oben angebunden. Auftraggeber war der NSDAP-Gauwirtschaftsberater in Thüringen Walther Schieber.” (mdr)

Über die “unglaublichen Windkraftpläne der Nazis”, berichtete 2018 “echt” (mdr) – “Die Windkraft und die Nazis”. https://www.facebook.com/114080035272948/videos/285756885593190

Die Idee dezentraler Stromversorgung taugt auch heute noch für die Propaganda. Sie suggeriert, dass eine autarke, preisgünstige Energieversorgung für jeden Bürger möglich ist.

Windkraftanlagen in grünen Städten?

Mit moderneren Windkraftindustrieanlagen hätten die Grünen in Berlin beginnen können. Endlich würden Windräder dort gebaut, wohin sie gehören: dezentral, direkt beim Verbraucher. Das dachte wohl auch der rot-rot-grüne Berliner Senat. Sein Plan sah vor, mitten in einem Pankower Park ein Windrad mit einer Nabenhöhe von 160 Metern und einer Gesamthöhe von 230 Metern in dem Entwicklungsgebiet zu bauen. 5.000 neue Wohnungen könnten dann in direkter Nähe des Windrads entstehen. Der Plan scheiterte zunächst am Widerspruch gegen die Schalleinwirkung. Gebaut wird die höchste der sechs Berliner Windkraftanlage trotzdem.

Laut Baustadtrat Vollrad Kuhn (B’90/Grüne) kann mit dieser Anlage Strom für rund 4.000 Zwei-Personen-Haushalte produziert werden. 2020 waren in Berlin 3 769 962 Einwohnerinnen und Einwohner mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet. Angenommen, Berlin hätte nur 2-Personen-Haushalte und die sechs Windkraftanlagen, die ausschließlich in Pankow stehen, hätten dieselbe Größe wie die zuletzt erbaute, trügen sie nur 1,27 Prozent zur Stromversorgung Berlins bei.

Berlin wird mit Strom aus dem gesamten Bundesland Brandenburg versorgt. Im Jahr 2020 betrug die Anzahl der im Bundesland installierten Windenergieanlagen 3.900 Stück. Mit “Klimagerechtigkeit”, von der grüne Politiker stets schwärmen, hat dies sicher nichts zu tun.

Den Landbewohnern wird die Schalleinwirkung zugemutet

Auf dem Land wird den Menschen die Schalleinwirkung zugemutet. Warum dann nicht in der Stadt, wenn die Stromproduktion dezentral erfolgen soll?

Die sozialistische Bürgermeisterin von Paris Anne Hidalgo will die französische Hauptstadt zu einem grünen Mekka für Radler und Flaneure machen, berichtet energiezukunft.eu. Dafür sollen Parkplätze massiv reduziert werden, Gemüse auf Gewerbedächern sprießen und Paris eine Stadt der kurzen Wege werden. Aus welchem Grund bebaut die Bürgermeisterin nicht die frei gewordenen Plätze mit Windkraftanlagen? Seit ihrem Amtsantritt 2015 seien innerhalb von fünf Jahren bereits rund 40 Hektar zusätzliche Parks und Grünbereiche entstanden. Hidalgo schwebe “eine ökologische Transformation der Stadt vor – bessere Luft, weniger Emissionen, mehr Lebensqualität. Grünflächen, Gemüsebeete und Spielplätze sollen den Platz der Parkplätze einnehmen.” Zur Verbesserung der Lebensqualität passen offenbar keine Windraftanlagen.

Dafür gibt es auch einen guten Grund: Im Jahr 2019 wurden in Frankreich rund 71 Prozent des erzeugten Stroms aus Kernenergie gewonnen. In der Klimapolitik setzt Frankreich weiter auf Atomkraft, gibt aber dem Druck der Windkraftlobby teilweise nach. Bis zum Jahr 2035 ist laut Tagesschau geplant, den Anteil der Kernenergie auf 50 Prozent zu senken. Der Druck der Windkraftlobby auf Frankreich wächst. Die Fischer kündigen massiven Widerstand gegen einen Offshore-Windpark an: “Wir werden alle Mittel anwenden, um das Projekt zu stoppen.”

Svenja Schulze (SPD): Menschen nehmen der Windkraft Flächen weg

Das Bundesumweltministerium (BMU) verteidigt die Lebensqualität von Windkraftanlagen, nicht die für Menschen. Das gibt es nicht? Oh, doch! Aus der Sicht des BMU zerstören Windkraftindustrieanlagen nicht die Lebensqualität der Menschen, sondern Menschen nehmen Windrädern die Fläche weg: “Die Wende hin zu mehr Erneuerbaren gelingt nur, wenn wir den dafür notwendigen Raum schaffen – anstatt durch pauschale Abstandsregeln dringend benötigte Flächen wegzunehmen”, sagt Umweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Mehr Strom aus Wind und Sonne ist Voraussetzung dafür, dass sich unser Land von fossilen Energien wie der Kohle verabschiedet.

Nicht weit weg von Svenja Schulze veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung (“jetzt”) ein Video von Marcel Laskus und Kolja Haaf mit dem Titel: “Aufs Land zu ziehen, ist egoistisch. Denn der Traum vom Dorfidyll schadet der Umwelt.”

Die Epigonen werfen grüne Ideale über Bord

Das Gründungmitglied der Grünen, Petra Kelly, schrieb in ihrem Buch “Um Hoffnung kämpfen“: “Irgendwo müssen wir alle praktisch und handfest klarstellen, dass erst der Mensch und danach die Wirtschaft kommt“. Das sehen die Grünen und diejenigen, die unter ihrem Einfluss stehen, heute völlig anders.

James Lovelock ist einer der Gründerväter der grünen Bewegung. Berühmt wurde er für seine Erfindung der “Gaia-Theorie”. Er hat seine Verzweiflung zum Ausdruck gebracht, dass die ursprünglichen Absichten der grünen Bewegung missverstanden worden seien, als Lizenz, unser “unbezahlbares ökologisches Erbe” beiseite zu schaffen.

In einem Brief an seine örtliche Planungsbehörde schrieb James Lovelock 2013: “Ich bin ein Umweltschützer und Gründungsmitglied der Grünen, aber ich neige mein Haupt in Scham bei dem Gedanken, dass unsere ursprünglichen guten Absichten derart missverstanden werden. Wir haben niemals eine fundamentalistische grüne Bewegung beabsichtigt, die alle anderen Energiequellen als die der Erneuerbaren Energien ablehnt, noch haben wir erwartet, dass die Grünen unser ökologisches Erbe von unschätzbarem Wert wegwerfen, wegen ihres Versagens zu verstehen, dass die Bedürfnisse der Erde nicht von menschlichen Bedürfnissen zu trennen sind.”

Der Ausbau der Windkraftanlagen geht weiter voran

Wenn der Widerstand im eigenen Land zu groß ist, realisieren große Unternehmen ihre Pläne zumindest vorübergehend in anderen, gefälligeren Ländern. Seit 2014 gilt beispielsweise in Bayern die 10H-Regelung, die besagt, dass ein Windrad mindestens das Zehnfache seiner Höhe von Wohnbebauung entfernt sein muss. Dadurch stehen im dicht besiedelten Land nur noch wenige Flächen für Windkraftanlagen zur Verfügung. Die Stadtwerke München weichen aus diesem Grund nach Norwegen aus und zerstören zurzeit dort die Landschaft, um “sauberen” Strom zu bekommen.

Die Stadtwerke München (SWM) werden in Absprache mit der norwegischen Regierung auf der Insel Frøya
14 Windräder bauen, jedes von ihnen 180 Meter hoch.

Die bayerische Landeshauptstadt ist „ehrgeizig“ und will sich als erste Millionenstadt der Welt ausschließlich mit erneuerbaren Energien versorgen. Koste es, was es wolle? Nun ja, es sind 250 Millionen Euro allein für die Verspargelung Frøyas im Klima-Spieltopf.

Die Menschen auf Frøya wollen nicht für das gute Gewissen der Münchener bezahlen. Aber was können sie ausrichten, wenn eines der größten deutschen kommunalen Versorgungs- und Dienstleistungsunternehmen (mehr als 8 Milliarden Euro Einnahmen und 9.000 Beschäftige) zugleich Anteilseigner eines von der norwegischen Regierung unterstützten norwegischen Entwicklungsunternehmens für Windkraftanlagen ist?

Was Hitler nicht konnte

Die Idee der Reichskrafttürme und die Nutzung der Windenergie als Chance für eine dezentrale Stromversorgung existierte nach 1945 fort. Die Windkraftanlagen wurden immer höher gebaut. Durch die Aussicht auf ein digitalisiertes Management, mit dem man sich versprach, die Zufallsstromerzeugung beherrschbar zu machen, erlebten die Windkraft- und Solarindustrie einen internationalen Boom. Wie betörend die Idee der Digitalisierung des Stromverbrauchs ist, stellte Annalena Baerbock (Bündnis90/DieGrünen) 2018 unter Beweis. Sie erklärte im Deutschlandfunk-Gespräch, dass das Problem der Stromspeicherung in Deutschland gelöst sei. “An Tagen wie diesen, wo es grau ist, da haben wir natürlich viel weniger erneuerbare Energien. Deswegen haben wir Speicher. Deswegen fungiert das Netz als Speicher. Und das ist alles ausgerechnet.” Heute ist Annalena Baerbock Kanzlerkandidatin der Grünen und ganz sicher nicht die einzige unter den Politikern, die Jeremy Rifkin und das grüne Digitalisierungs-Konzept nicht verstanden haben.

Als wichtigstes Instrument der Energiesteuerung ermöglicht die Digitalisierung der Energieversorgung, das Angebot nicht mehr an der Nachfrage auszurichten, sondern umgekehrt, die Nachfrage einem differenzierten Angebot zu unterwerfen. Die Kriterien der Differenzierung ermöglichen den Betreibern der Stromnetze zukünftig, rechtlich abgesichert durch das Klimaschutzgesetz und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März, bei den Strompreisen und der Stromzuteilung ein System von Belohnungen und Bestrafungen einzufügen.

Es war unter anderem auch Jeremy Rifkin, der empfahl, dass Energieunternehmen keinen Strom mehr produzieren, sondern das Gesamtmanagement der dezentral handelnden Produzenten übernehmen sollten. In einem Interview mit der Zeit sagte Rifkin, dass deutsche Energieriesen einsähen, dass die wirklichen Wachstumsmöglichkeiten in einem “neuen Geschäftsmodell” für die Energiekonzerne lägen. Das alte Geschäftsmodell sei viel zu teuer, die Stromnetze seien ineffizient und der Emissionshandel werde fossile Energien noch unerschwinglicher machen: „Das ist ein Spiel für Verlierer.”

Die Verlierer sind die kleinen Stromproduzenten und Stromkunden. Sie wissen es nur noch nicht und bezahlen, im guten Glauben, ihren Obulus zum Klimaschutz zu leisten, die höchsten Strompreise weltweit. In Deutschland war der Strompreis für private Haushalte im März 2020 im weltweiten Vergleich am höchsten: 39 Dollar-Cent mussten Einwohner pro Kilowattstunde zahlen.

Strompreise privater Haushalte in ausgewählten Ländern weltweit im Jahr 2020 (in US-Dollar pro Kilowattstunde)

Strompreise privater Haushalte in ausgewählten Ländern weltweit im Jahr 2020 (in US-Dollar pro Kilowattstunde)

Was steht den Grünen für ihre “Großen Transformation” noch im Wege, um die Idee der Dezentralisierung der Stromversorgung zu realisieren? Die Realität. Nichts als die harte Konfrontation mit der Realität.

Titelbild: Free_Photos, pixabay



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