Pro Atom-Aktivisten in Taiwan – Eine Erfolgsgeschichte

Die Kommunalwahlen in Taiwan brachten ein überraschendes Ergebnis: die regierende Demokratische Fortschrittspartei (DPP) verlor die Wahlen in 16 von 22 Städten und Regionen. Zeitgleich fanden neben den Kommunalwahlen mehrere Volksabstimmungen statt. Auch die Deutsche Welle berichtete darüber. Bemerkenswert ist, dass die Abstimmungen über das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe und andere Rechte für Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender ausführlich erwähnt werden, nicht jedoch das Referendum über den von der Regierung Taiwans beschlossenen Atomausstieg. Die Befürworter der Homo-Ehe verloren die Referenden, die Befürworter der Kernenergie gewannen die Volksabstimmung. Für die Zukunft Taiwans dürfte die Frage der Energieversorgung eine größere Rolle spielen als die “Ehe für alle”. Aber man ist in Deutschland stets auf ausländische Quellen angewiesen, wenn man etwas über die  Kernenergie und ihre international wachsende Akzeptanz erfahren will.

“Go Green With Nuclear”

Pro-Atom Aktivisten. By: Michael Shellenberger

In seiner neuesten Kolumne für Forbes berichtet Michael Shellenberger über eine Gruppe von Aktivisten für Kernenergie in Taiwan, die bei hoher Wahlbeteiligung und mit Hilfe sozialer Netzwerke einen überwältigenden Wahlsieg errangen. Ihr größter Erfolg besteht darin, dass sie das Referendum durch die Verbreitung von Tatsachen über die Atomkraft gewannen. In einem überraschenden Sieg lehnten die taiwanesischen Wähler am Samstag den Atomausstieg der Regierung mit 59% gegen 41% entschieden ab. 5.894.570 stimmten für die Aufhebung des Atomausstiegbeschlusses und 4.013.621 Stimmen gegen die Initiative.

“Wir werden die Regierung sofort auffordern, nicht betriebsbereite Reaktoren in Betrieb zu nehmen und die Laufzeit der anderen zu verlängern”, sagte der Physiker Shih-Hsiu Huang von “Go Green With Nuclear” und Mitbegründer von Nuclear Mythbusters. “Wenn die Regierung nicht das Richtige tut, werden wir im Jahr 2020 ein weiteres Referendum für Kernenergie zur Abstimmung stellen”, sagte Huang.

Blackout als Warnung

Die Pro-Atom-Bewegung erinnerte die Wähler im Zusammenhang mit dem Referendum immer wieder an den Black-Out-Effekt im vergangenen Jahr, der nach der Abschaltung eines Atomreaktors Taiwan schockierte. Der Stromausfall bedrohte die lebenswichtige Halbleiterindustrie der Nation. Eine Meinungsumfrage, die von pro-nuklearen Aktivisten vor der Abstimmung in Auftrag gegeben worden war, erreichte eine Zustimmung von 71% für die Nuklearenergie zu der Aussage: “Solar und Wind sind nicht stabil und teuer.”

Der ehemalige Premierminister, Simon Chang, halte den “Atommüll” nach wie vor für ein Hauptanliegen der Taiwanesen, sagt Michael Shellenberger. Chang werde allgemein als Präsidentschaftskandidat für die Wahlen im Januar 2020 angesehen. Er sei “gemäßigt pro-nuklear”.

Kernenergie

Die Organisation der Pro-Atombewegung

Er mache sich keine Sorgen, eine Mehrheit für die Pro-Atombewegung zu gewinnen, sagt Shih-Hsiu Huang. Er  mache sich aber  Sorgen, dass er genug Leute haben werde, die Umfragen durchzuführen.

Grasswurzel Aktivitäten der Pro-Atom Bewegung waren ein entscheidender Faktor des Wahlerfolgs. By: Michael Shellenberger

In Anerkennung der Herausforderung unterstützten Freiwillige mit Eisbärenmasken die Umweltschützer im ganzen Land an Bahnhöfen und Parks. Michael Shellenberger reiste vom 16. bis 19. November mit ihnen und interviewte auf dem Weg die Wähler.

Während Anti-Atom-Aktivisten schickes Kampagnenmaterial mit kleinen Geschenken aus Tissue-Papier verteilten und auf den Seiten der Busse stark beworben wurden, fehlten Pro-Atom-Aktivisten die Mittel für die Werbung, sagt Shellenberger. Stattdessen hätten sie Fakten über die Kernenergie bei Veranstaltungen mit freiwilligen Mitarbeitern verbreitet, preiswerte Flyer verteilt und per Facebook informiert. Huangs Gruppe Nuclear Mythbusters habe als Facebook-Seite begonnen. Taipower, Taiwans Stromversorger, der das in öffentlichem Besitz befindliche Kernkraftwerk betreibt, war die Unterstützung von pro-nuklearen Aktivisten verboten worden.

Die Taiwaner neigen dazu, misstrauisch gegenüber Meinungsumfragen zu sein. Meinungsforscher haben in der Vergangenheit unwissenschaftliche Umfragen zur Manipulation der Wählermeinung veröffentlicht, sagt Michael Shellenberger. Die Organisatoren von “Go Green with Nuclear” haben ein vertrauenswürdiges Unternehmen beauftragt und damit sehr gute Erfahrungen gemacht.

Argumente zählen

Gegner der Atomenergie antworteten auf die Fragen von Michael Shellenberger, dass sie durch den Atomunfall von Fukushima in Japan 2011 verängstigt seien und dass Taiwan die Energie aus Atomenergie durch die Nutzung von Sonnenenergie, Geothermie und anderen Formen erneuerbarer Energien ersetzen könne. Auch die Sorge, dass Taiwan in einer Erdbebenzone liegt, spielte eine Rolle. Ein Atomkraft-Gegner sagte, der Atomausstieg  lohne sich, auch wenn sich dadurch die Strompreise erhöhen würden. Keiner der von ihm befragten Anti-Atom-Wähler konnte auf technologische Fragen antworten.

Überrascht hat ihn eine junge Atomkraft-Gegnerin, die ihm gestand, dass niemand in Fukushima an der Strahlenexposition gestorben sei. Shellenberger: “Normalerweise behaupten Anti-Atom-Gruppen, dass Tausende starben.”

Dagegen hätten die Atomkraft-Befürworter weitaus mehr zu sagen gehabt. “Ich unterstütze die Atomkraft, weil wir sonst unsere Energie importieren müssen”, sagte Gong-Jen Shu, 68. “Sonne und Wind sind zu instabil, weil sie vom Wetter abhängig sind.” “Unser stärkstes Argument sind die hohen wirtschaftlichen Kosten des Atomausstiegs”, sagte Yen-Peng Liao, ein weiterer Veranstalter von “Go Green”, “gefolgt von der Angst vor zukünftigen Stromausfällen und Luftverschmutzung.”

Unterstützung von James Hansen

By: Global Justice Now

Shih-Hsiu Huang erregte internationales Medieninteresse, nachdem er im vergangenen September in einen Hungerstreik getreten war. Die von der Regierung kontrollierte Wahlkommission hatte versucht, eine Abstimmung über das Referendum zu verhindern.

Wissenschaftler und Gelehrte protestierten gegen die Entscheidung der Wahlkommission. Die nationale Medienöffentlichkeit war hergestellt, als der international bekannte Klimawissenschaftler und Umweltschützer James Hansen einige Tage später Huang persönlich besuchte und das Referendum unterstützte.

Huangs Freund Liao trat dem Hungerstreik bei, nachdem Huang ins Krankenhaus gebracht worden war. Michael Shellenberger besuchte ein Rockkonzert, um das Referendum “Go Green” zu promoten, bei dem Liao als Frontmann sang.

Pro-Atom Rock Konzert in Taipei. By: Michael Shellenberger

https://www.forbes.com/sites/michaelshellenberger/2018/11/24/pro-nuclear-activists-win-landslide-electoral-victory-in-taiwan/#6486a52129a0

Titelfoto: Juan00

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