Rheinischer Esel

Rheinischer Esel – Streit um eine Radweg-Asphaltierung

“Wie lebt es sich im Ruhrgebiet und wie sind die Leute dort?” fragte ein Leser. “Ich komme gebürtig aus Düsseldorf und hier sind die Leute ja chicer unterwegs.” Chicer – das mag sein, aber der Ruhrgebietler ist direkt und ohne Schnörkel. Dafür ist er bekannt, auch für seine Schimpfworte und Charakterisierungen. “Rheinischer Esel” gehört aber nicht dazu. Was ist der Rheinische Esel?

Der “Rheinische Esel” ist ein Rad- und Wanderweg

Der Rheinische Esel ist die Bezeichnung einer Bahnstrecke zwischen Dortmund-Löttringhausen und Bochum-Langendreer, die 1880 eröffnet wurde, und keine Beschimpfung von Düsseldorfer, Kölner, Neusser, Weseler und anderen Rheinländern. Ortsunkundige Autofahrer auf der A44 könnten falsche Schlüsse ziehen, wenn sie über die A 44 zwischen Dortmund und Bochum fahren.

Die Länge der Bahnstrecke, die hauptsächlich dem Güterverkehr und Arbeitern auf dem Weg zur Arbeitsstelle diente, war ca. 13 Kilometer. Bereits in den 1980er Jahren entstand nach der Stillegung der Bahntrasse auf dem Ostteil ein Bahntrassenradweg. Im Jahr 2012 wurde auch der Westabschnitt zum Radweg. Ausführliche ist der Rheinische Esel hier dargestellt.

Fazit und Tipp des Webmasters von ruhrgebiet-industriekultur.de lautet: “Der Radweg ist ein sehr schöner, an guten Tagen aber auch gut frequentierter Bahntrassenweg, der das Thema Eisenbahn immer wieder aufgreift durch Beschilderungen, Relikten oder Rekonstruktionen. Die Landschaft ist durch den stetigen Wechsel zwischen Stadt, Feld und Wald äußerst abwechslungsreich. Durch die äußerst geringen Steigungen ist der Weg auch für Ungeübte oder Kinder gut geeignet. Am Startpunkt lässt sich der Besuch kombinieren mit dem Botanischen Garten Rombergpark, dem Dortmunder Zoo oder dem Westfalenpark. Bergbauinteressierte finden auf der Halde Gotthelf weite Aussichten. Am Ziel in Langendreer bieten sich der Ümminger See oder die Harpener Teiche an.”

Ein idealer Rad- und Wanderweg für die ganze Familie, sollte man meinen. Aber nicht jeder denkt so darüber.

Sakamoto

Bürgerinitiative gegen Asphaltierung im Wald

Der Rad- und Wanderweg soll auf einem Stück von 2500 Metern zwischen der Hellerstraße durch das geschützte Gebiet „Löttringhauser Wald“ bis zur Wittener Stadtgrenze eine Asphaltschicht bekommen. Gegen diese Absicht protestiert die Initiative „Rettet den Schnee und den Löttringhauser Wald“. In einer Online-Petition gegen die Asphaltierung konnte sie bisher mehr als 1200 Unterschriften sammeln.

Dieser Wald sei ein Landschaftsschutzgebiet, welches im Landschaftsplan 2018 als Naturschutzgebiet ausgewiesen sei, sagt die Mitbegründerin von „Rettet den Schnee“, Lena Hültenschmidt. Sie und ihre Mitstreiterinnen sorgen sich um die zahlreichen seltenen Tierarten, die dort in den vergangenen zwei Jahren dokumentiert worden sind. Sie halten den gegenwärtigen Dolomitsandstein-Belag für ausreichend. „Der Weg ist ja auch deshalb so beliebt, weil er so naturnah ist“, sagt die Sprecherin der Initiative. Die  zunehmende Versiegelung von Naturflächen spielt für die Natur- und Landschaftsschützer eine große Rolle.

Es sei „widersinnig“ im Wald zu asphaltieren. Die Bürgerinitiative “Rettet den Schnee” erwirkte bei der Stadt Dortmund die Erstellung eines Artenschutzgutachtens zum geplanten Bau von Windkraftindustrieanlagen im Süden Dortmunds. Das Gutachten wird sich vorrangig auf die Vogelvorkommen im Grenzbereich der Städte Dortmund, Witten und Herdecke beziehen. Wichtige Unterstützung erhält die Bürgerinitiative vom NABU Stadtverband Dortmund.

Befürchtungen äußert die Bürgerinitiative auch gegenüber dem rücksichtslosen Verkehr auf der neuen Radstrecke durch Rennradler und E-Bikes. Damit sprechen sie einen weiteren Punkt an, der zumindest drei Gruppen von Radfahrern offenbar das Leben erschweren könnte.

Asphaltbefürworter: Rasende Rentner

Zur ersten Gruppe der Asphaltbefürworter dürften die “rasenden Rentner” gehören. Dass die Vorwürfe der Bürgerinitiative “Retet den Schnee” gegenüber Radrasern nicht unbegründet sind, bestätigt  zum Beispiel ein Beitrag in der BSZ-online (Bochumer Stadt- und Studierendenzeitung). Sie nennt “Orte, wo man meiden sollte. Junge!”

Zu den Orten, die man meiden sollte, gehört aus der Sicht der BSZ auch der  Rheinische Esel. “Diesem Radweg, der auf einer alten Bahntrasse von Langendreer durch Witten bis Dortmund verläuft, solle man als normalsterblicher Radler besser fernbleiben. Auf der größtenteils asphaltierten Drahtesel-Schnellstraße wird nämlich ganz schön gerast”, lautet die Warnung. Besonders vor den “radelnden Rentnern in Biking-Komplettmontur” solle man auf der Hut sein.

Asphaltbefürworter: Stylische Hipster

Aber nicht nur der alte Radraser ist ein natürlicher Gegner unasphaltierter Radwege, auf denen er auch noch Rücksicht auf Wanderer nehmen muss, sondern auch eine besondere Spezies der urbanen Gesellschaft, der gemeine Hipster, hat damit seine Probleme. In seinem Leben spielt das Fahrrad eine sehr wichtige Rolle, um sich vom Rest der Gesellschaft abzugrenzen.

Der Hipster des 21. Jahrhunderts ist modebewusst, trägt Nerd-Brillen mit Fensterglas und fährt Designer-Bikes. Er trägt keine Protektoren, sondern ein passendes Outfit zum hellen gelben, grünen, orangenen oder blauen Fahrrad. Das Fahrrad eines Hipsters hat keine Schaltung und keine Schutzbleche, sodass ihm der Dreck eines natürlichen Weges um die Ohren fliegen könnte. Die Beziehung eines Hipsters zur Natur beschränkt sich auf Schalen mit Gartenkräutern auf der Fensterbank.

Die Hipster-Kultur ist nicht ganz neu. Sie reicht bis in die 1960er Jahre zurück. Hipster verstehen sich selbst als Anhänger einer Subkultur. Diese gesellschaftliche Gruppe ist gewachsen, sodass die Hipster-Kultur immer mehr zum Mainstream wird. “Insbesondere an Universitäten und in kreativen Kreisen finden sich viele Vertreter dieser gesellschaftlichen Gruppe”, stellte der Focus fest. Hipster seien sehr modebewusst und zeichneten sich unter anderem durch ihr Outfit aus. Dazu gehören eng geschnittene Hosen, beispielsweise Chino-Hosen oder Röhrenjeans, Hemden und Lederschuhe, Vintage-Kleidung, gebrauchte Kleidung von Freunden oder aus einem Second-Hand-Shop oder von unbekannten Designern. Weitere Merkmale sind vegane oder vegetarische Ernährung, klassische Accessoires wie der Jutebeutel, eine Mütze oder eine Nerd-Brille, Schnurr- oder Vollbart, um nur einige Merkmale zu nennen, die nicht alle gleichzeitig auftreten müssen.

Asphaltbefürworter: Alltagstaugliche Weltverbesserer

Eine dritte Gruppe von Radlern hat keinen Freizeitanspruch, sondern eine politische Vision: Das Fahrrad soll zum vorherrschenden Verkehrsmittel werden. Dafür sei es “in einem Ballungsraum, wie dem Ruhrgebiet, bestens als führendes Verkehrsmittel geeignet”, sagt zum Beispiel VeloCityRuhr. Die Radfahrer-Initiative bezeichnet sich als “unabhängige Initiative mit der Vision, das Fahrrad als primäres Verkehrsmittel im Alltag an Rhein und Ruhr zu etablieren”. Ob für direkte Wege oder in Verbindung mit dem ÖPNV: “Schnell und stressfrei, umweltfreundlich und unabhängig durch den Alltag”, heißt deren Devise. Damit wird nicht nur jede Pfütze auf natürlichem Untergrund, sondern letztlich auch jeder Fußgänger zum Hindernis und daher zum Gegner. “Radweg frei!”, heißt die Devise – für eine  “alltagstaugliche Oberfläche”.

Dass diese Gruppe um VeloCityRuhr keinen Blick für die Landschaft hat, der Naturschutz für sie bestenfalls als Bezeichnung in einem Förderantrag zur Finanzierung eines Öko-Projektes im Zusammenhang mit Erneuerbaren Energien platziert wird, liegt sehr nahe. So heißt es zum Beispiel in einem Beitrag von Norbert Paul, der zum VeloCityRuhr-Team gehört und das Naturschutz-Argument der Initiative “Rettet den Schnee” nicht gelten lassen will: “Die NIMBY-Initiative „Rettet den Schnee“ setzt sich zur Zeit gegen eine Aspaltierung des Rheinischen Esels ein.” Meier bedient sich in Anspielung auf das Engagement der Initiative gegen den Bau von Windkraftindustrieanlagen des Vokabulars der Windkraft-Fundamentalisten und diffamiert die Initiative als NIMBY.  Norbert Paul bezeichnet sich als Verkehrsjournalist. Er sei  berufenes Mitglied im Nahmobiliätsbeirat der Stadt Dortmund.

Die Asphaltierung der 2.500 Meter langen Teilstrecke soll 345.000 Euro kosten. Die Fürsprecher der Asphaltierung führen geringere Unterhaltungskosten und größere Nachhaltigkeit als Argumente ins Feld, berichten die Ruhrnachrichten.

Radfahren im Ruhrgebiet!

In den beiden dargestellten Radwander- bzw. Rad- und Wanderkarten (Publicpress) ist der Radweg Rheinischer Esel dargestellt. Angezeigt werden außerdem Ausflugsziele, Einkehr- & Freizeittipps und sind GPS-genau. Mit einem Klick auf die jeweilige Karte gelangen Sie zur entsprechenden Seite bei Storchmann Medien.

Mit dem Ruhrgebiet verbindet man landläufig immer noch Kohle und Industrialisierung. Wer weiß schon, dass das mittlere Ruhrtal neben dem mittleren Rheintal zu den begehrtesten Zielen des beginnenden Tourismus des 19. Jahrhunderts zählte? Die Industrie wandelt sich, aus ehemaligen Zechen wurden Industriedenkmäler, und die Landschaft kehrt wieder ins Bewusstsein seiner Bewohner und Gäste zurück. Abwechslungsreiche, flache Wege laden zum Radfahren geradezu ein.

Lebendige Geschichte und einzigartige Freizeitmöglichkeiten geben dem Ruhrgebiet einen individuellen Charme. Ausgedehnte und gut markierte Radwege ermöglichen eine intensive Begegnung mit Kultur-, Bergbau- und Heimatgeschichte. Die Region bietet für jeden Besucher etwas: Vom Freizeitpark über Schlösser und Museen bis zur Sportgeschichte.

Zahlreiche Traditionsvereine haben ihre Stadien im Ruhrgebiet.

Dortmund und seine Umgebung bieten vielseitige Möglichkeiten für Radfahrer: Ein gut ausgebautes Radwegenetz gibt dem Radler Einblicke in die vergangene Industriekultur des Ruhrgebiets und in die neu angelegten Grüngürtel. Wanderer können auf einem 110 km langen Wanderweg rund um die Stadt wandern oder auch kürzere Touren im Stadtgebiet vornehmen. Von Bergkamen bis Witten ist auf der Rückseite – alphabetisch geordnet – Wissenswertes zur Region zusammengetragen.

Quellen:

Titelfoto: denzel

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