Jamaika – Ein Schierlingsbecher für die FDP?

Kann die FDP in einer Jamaika-Koalition überleben?

Auf ihrem 68. Ordentlichen Bundesparteitag im April 2017 beschloss die FDP

  • die Abschaffung des EEG
  • die Abschaffung des § 35 Abs. 5 BauGB
  • die rechtsverbindliche Umsetzung des Helgoländer Papiers (Vogelschutz)
  • die Einführung der 10xH Abstandsregel

Auch eine Erklärung von Christian Lindner aus dem Jahr 2014 lässt eigentlich keinen Zweifel zu, dass es die FDP mit einer Umkehr der Energiepolitik ehrlich meint.

Eine Jamaika-Koalition auf Bundesebene wäre für die FDP damit ausgeschlossen, denn die Partei der Grünen steht und fällt mit der Energiewende, der Ideologie vom Klimaschutz und dem Streben nach einem “Staatsziel Klimaschutz”, das im Verlauf einer “Großen Transformation” der Gesellschaft erreicht werden soll. Die Grünen werden sicher nicht auf den Anspruch, das Umweltministerium mit einem Menschen ihres Vertrauens zu besetzen, verzichten. Wenn die FDP dennoch gemeinsam mit den Grünen und der CDU eine Regierung bilden, vielleicht das Außenministerium oder das wichtige Wirtschaftsministerium erhalten sollte, hätte sie dennoch den Schierlingsbecher an den Lippen.

Das Umweltministerium hat eine Schlüsselfunktion

Jeder Bundesminister leitet sein Ressort in eigener Verantwortung. Zu dem Ressort eines Bundesministers gehört das Bundesministerium als oberste Bundesbehörde und die dem Ressort zugeordneten oberen, mittleren und unteren Bundesbehörden.

Auf einen grünen Umweltminister hätte die FDP keinen Einfluss, alle Beschlüsse der FDP zur Energiepolitik wären Makulatur.

Schink

Das Umweltministerium hat sich im Verlauf der Jahre zu einem mächtigen Ministerium entwickelt. Umweltthemen haben national und international eine wachsende Bedeutung erlangt. „Soft Power Diplomatie“ nannte der damalige Präsident der USA Barack Obama die Klimaschutzpolitik, die er 2014 als eine neue außenpolitische Doktrin angekündigte. Sie sollte auf einer globalen Führung mit weniger Rückgriff auf militärische Macht beruhen.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU, Vorsitzender Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des PIK und Mitautor der neuen Enzyklika von Papst Franziskus zum Umwelt- und Klimaschutz) geht in seinem Hauptgutachten “Welt im Wandel: Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation” (2011) weiter als Obama: Er definiert den “Klimaschutz” nicht nur als außenpolitische Doktrin, sondern als “Staatsziel”.

“Staatsziel Klimaschutz” (WBGU)

Die Einführung des Staatsziels Klimaschutz erfolgt über eine längere Zeit, nicht schlagartig, sodass einzelne Veränderungen von der Bevölkerung kaum als Teil einer “Großen Transformation” wahrgenommen werden, vielleicht erst dann, wenn sich die Folgen der “Umverteilung des Weltvermögens” (Ottmar Edenhofer),  in ganzer Schärfe zeigen werden. Die “Große Transformation” gehört zum Programm aller Politiker, die den Klimaschutz als Staatsziel akzeptieren. Gemeint ist damit eine umfassende gesellschaftliche Wende, weniger auf den Energiemix oder die Energieform.

Ottmar Edenhofer sagte in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung: „Aber man muss klar sagen: Wir verteilen durch die Klimapolitik de facto das Weltvermögen um. Dass die Besitzer von Kohle und Öl davon nicht begeistert sind, liegt auf der Hand. Man muss sich von der Illusion freimachen, dass internationale Klimapolitik Umweltpolitik ist. Das hat mit Umweltpolitik, mit Problemen wie Waldsterben oder Ozonloch, fast nichts mehr zu tun.” (Ottmar Edenhofer ist ein deutscher Ökonom, Professor an der Technischen Universität Berlin und stellvertretender Direktor sowie Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung – PIK).

Dem Staatsziel haben sich nach Vorstellungen des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) sämtliche Verwaltungen auf Bundes-, Landes- sowie kommunaler Ebene unterzuordnen. In dem 2011 veröffentlichten Hauptgutachten des WBGU sind die Leitlinien für einen neuen „Gesellschaftsvertrag“ zur “Großen Transformation” auf 446 Seiten festgelegt. Zumindest die “Zusammenfassung für Entscheidungsträger” sollte man lesen, um zu verstehen, dass hinter dem Chaos der Energiewende ein durchdachtes Konzept, eine Ideologie mit allen Konsequenzen zu erkennen ist. Die Kenntnis dieser Ideologie liefert unter anderem auch eine Erklärung, warum alle Bemühungen, mit Verfechtern der Energiewende eine Diskussion über die Physik zu führen, ins Leere läuft. Die Physik erreicht sie nicht.

In dem Gutachten des WBGU heißt es:
„Die Verwaltungen auf Bundes-, Landes- sowie kommunaler Ebene sollten ein klimapolitisches Mainstreaming durchlaufen. Sämtliche soeben aufgeführten Maßnahmen materiell-rechtlicher, verfahrensrechtlicher und institutioneller Natur (erweiterte Partizipation, klimapolitisches Mainstreaming, Klimaschutzgesetz, Klimaverträglichkeitsprüfung, erweiterte Rechtschutzmöglichkeiten) sind Ausdruck und Konkretisierung des Staatsziels Klimaschutz, das Legislative, Exekutive und Judikative zum Handeln verpflichtet.“ Diskussionen über oder Widerstand gegen das bisher unausgesprochene Staatsziel sind nicht vorgesehen.

Größer könnte der Widerspruch zu den Freiheitspostulaten der FDP kaum sein. Durch ihren  Parteitagsbeschluss und mutige Vorkämpfer gegen das EEG in Hessen und NRW gehört die FDP neben der AfD zu den Störenfrieden der “Großen Transformation”. Die Medien, die nicht in dem Versagen der etablierten Parteien, sondern in der AfD einen Hauptfeind sehen, werden die FDP unter Druck setzen. Ob sie deren Diffamierungsversuchen als führende Oppositionspartei standhalten würde?

Die EU als Vehikel für einen neuen „Gesellschaftsvertrag“

Auf internationaler Ebene hat der französische Präsident Emmanuel Macron die Initiative für eine Stärkung einer französisch-europäischen Regierungsmacht ergriffen. Er hat bei der UN-Generalversammlung einen “Umweltpakt” angeregt, der ein internationales Umweltrecht etablieren soll. Dazu soll ein „neuer Vertrag“ dienen, der „ein Menschenrecht auf eine ökologisch intakte Umwelt“ manifestieren soll. Danach soll jeder Mensch, jede Organisation und alle Staaten verpflichtet werden, die Umwelt zu schützen.

Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art 20a, ist die Verpflichtung zum Umweltschutz verankert. “Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.” Bedarf es wirklich eines neuen Gesellschaftsvertrags?

Möglicherweise soll der Pakt um einen Aspekt erweitert werden. Er kodifiziert laut oekonews.at das Prinzip, dass „Verschmutzer“ für Schäden zahlen sollen.

Frage – Antwort

Um auf die Frage zurück zu kommen: “Kann die FDP in einer Jamaika-Koalition auf Bundesebene mit einem Umweltminister der Grünen überleben?” Antwort: “Ja, vielleicht. Aber höchstens bis 2021, solange das wilde, giftige Kraut des Schierlings nicht wirkt.”

Quellen:

Titelfoto: Free-Photos, pixabay

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